Nicht nur Eltern sind sich unsicher bei dieser Frage, auch die Erziehungsexperten streiten. Bedeutet früher Kita-Besuch zu viel Stress für die Kleinen? Oder fördern Kinderkrippen sogar Intelligenz und soziale Kompetenz? Das Für und Wider im Überblick.
Kinder in die Kita – aber ab wann?
Es ist noch nicht allzu lange her, da galt es als selbstverständlich, dass Kleinkinder daheim von ihrer Mutter betreut werden und erst mit etwa drei Jahren in den Kindergarten gehen. Doch diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Inzwischen haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, und immer mehr Frauen beenden ihre Babypause schon früh, um im Berufsleben weiter durchzustarten. Manchmal auch weil die Chefin drängelt, das Häuschen oder die Wohnung abbezahlt werden müssen, oder die Beziehung in die Brüche gegangen ist. Für den Nachwuchs heißt es dann: Ab in die Kita. Eine folgenschwere Entscheidung, unter der das Kind ein Leben lang leiden wird? Oder vielmehr das komplette Gegenteil?
Früher Kita-Start: Was sagt die Entwicklungspsychologie?
Überall liest man, wie wichtig die ersten 18 Lebensmonate für eine prägende Bindung sind und dass Kinder eine stabile und sichere Bindung brauchen. Was nun, wenn nicht Mama und Papa für die emotionale Bindung sorgen, sondern eine Erzieherin, in einer Kitagruppe, mit vielen unterschiedlichen Kindern, mit jeweils ganz eigenen Bedürfnissen? Entwicklungspsychologen sind sich einig: Normalerweise sind zwar Mutter und Vater die Hauptbezugspersonen. Wenn nun aber Erzieher oder Erzieherin in der Kita als zusätzliche Bezugsperson im Leben der Kleinen eine wichtige Rolle spielen, so schadet das dem Kind keineswegs. Überhaupt ist das, was die Kleinen in der Kita erleben, für ihre Entwicklung nur von Vorteil. In diversen Studien wurde dieser und ähnlichen Fragestellungen nachgegangen - mit dem übereinstimmenden Ergebnis: Die Kita nutzt mehr, als dass sie schadet:
- Kita-Kinder haben weniger psychische Störungen: Veit Roessner, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Dresden, hat 2016 schon in einer Untersuchung von 4.000 Kindern nachgewiesen, dass die Kleinen, wenn sie schon im ersten und zweiten Lebensjahr fremdbetreut wurden, später seltener an psychischen Störungen leiden. "Bei Jungen und Mädchen hingegen, die erst mit drei oder vier Jahren in eine Kindertagesstätte kamen, war die Wahrscheinlichkeit für psychische Auffälligkeiten wie Hyperaktivität doppelt so hoch."
- Kita-Kinder haben später bessere schulische Leistungen: Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, ebenfalls aus 2016, kommt zu dem Ergebnis, dass Kinder, die vor ihrem dritten Lebensjahr in die Kita kommen, bei der Schuleingangsuntersuchung besser abschneiden. Nicht nur ihre Sprachkompetenz und ihr Zahlenverhältnis waren besser, die Kinder verfügten auch über eine bessere Fein- und Grobmotorik. Zudem waren sie seltener übergewichtig.
Frühstart ins Kita-Leben - Pro und Contra
Rund ein Drittel aller Kinder unter drei Jahren geht in Deutschland in eine Krippe oder Kita. Doch ob diese frühe Fremdbetreuung für Kleinkinder gut ist oder eher schadet, ist nach wie vor umstritten. Gründe, die dafür sprechen:
- Kinder profitieren von einem frühen Kita-Start, denn die Mischung aus Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft fördert eine gesunde Entwicklung. Sie haben dort jede Menge Spielkameraden, sie lernen, mit anderen Kindern zu teilen, aber auch mal kurz geduldig zu sein und zu warten.
- Kita-Kinder sind sozial kompetenter und können sich besser durchsetzen. Und ihr Selbstbewusstsein ist größer als das von Kindern, die daheim betreut werden.
- Wenn größere Kinder dieselbe Gruppe besuchen, lernen die Kleineren sehr viel schon allein einfach nur durchs Zuschauen und Beobachten.
- Daheim laufen Kleinkinder oft “nebenher“. Sie sind zwar dabei, wenn Mama einkaufen geht, Essen kocht, putzt, bügelt und telefoniert. Doch die Zeit, die Mami ausschließlich und ganz aktiv mit ihrem Kind verbringt, ist dabei erschreckend kurz. Der Kita-Alltag dagegen ist gespickt voll mit Erlebnissen, mit Spielen, Singen, Basteln – lauter kindgerechte Aktionen, die Mama zu Hause so gar nicht bieten kann.
Nicht von der Hand zu weisen ist dabei allerdings, dass die Situation in vielen Kitas schwierig ist. So sind es bei der Frage, ob ein früher Kita-Start sinnvoll ist, vor allem diese Punkte, die dagegen sprechen:
- Häufig fehlt in der Gruppe die Konstanz bei der Betreuung.
- Die Erzieherinnen sind krank, oder werden schwanger, oder wechseln den Job.
- Es gibt zu viele Teilzeitkräfte.
- Die Gruppen sind zu groß.
Alles das kann für Kleinkinder in Stress ausarten. Gerade die ganz Kleinen brauchen noch viel Ansprache und verkraften es schlecht, wenn ihre Betreuer nie Zeit haben oder zu oft wechseln. Als wünschenswert gilt es, eine Betreuungsperson für drei bis vier Kinder zu haben. Immerhin: So langsam bewegt sich der Betreuungsschlüssel in deutschen Krippen in diesen Bereich. Während eine Fachkraft im Jahr 2012 noch für durchschnittlich 5,2 Kinder zuständig war, so senkte sich dieser Wert bis zum Jahr 2017 auf 4,6 Kinder.
So kann der frühe Kita-Start gelingen
Damit es bei euch keinen Stress gibt, weder für das Kind, noch für Mama und Papa, hier einige Tipps, die allen den Einstieg in die Kita-Zeit erleichtern können:
- Achtet auf die Kita-Qualität: Schaut Euch das Konzept und den Arbeitsalltag der in Frage kommenden Kitas ganz genau an: Wie groß sind die Gruppen? Wie viele Kleinstkinder werden dort betreut? Wie viele Erzieherinnen sind insgesamt für die Gruppe zuständig? Je kleiner euer Kind, umso wichtiger ist der Betreuungsschlüssel. In privaten Einrichtungen ist der häufig besser als in städtischen.
- Bezugsperson in der Kita: Kleine Kinder benötigen in jedem Fall eine direkte und konstante Bezugsperson, die sich liebevoll um das Kind kümmert.
- Plant viel Zeit für die Eingewöhnung ein: Vier Wochen solltet ihr eurem Kind (und euch) für einen behutsamen Start geben. Je langsamer die Betreuungszeit in der neuen Umgebung gesteigert wird, desto leichter wird eurem Kind die Eingewöhnung fallen. Meist kommt der Kita-Start zeitgleich mit den ersten Erkältungskrankheiten im Herbst. Bedenkt bei eurer Planung, dass euer Kind in den ersten Wochen in der Kita sicher den einen oder anderen Infekt mit nach Hause bringen wird.
- Früh übt sich: Eine gute Vorbereitung ist, wenn Papa, Oma oder die Patentante vor dem Kitastart schon regelmäßig auf das Kind aufpassen und es auch mal ins Bett bringen, ohne dass Mama dabei ist. Kinder, die sieben Tage die Woche immer ihre Mama um sich haben, tun sich schwerer mit der Abnabelung.
- Sorgt für ruhige Nachmittage: Der Kita-Alltag ist turbulent, am Nachmittag solltet ihr für einen guten Ausgleich sorgen: Wenig feste Termine und Spiel-Dates, dafür viel Ruhe und die ungeteilte Aufmerksamkeit von euch. Wichtig sind Rituale, wie ausgiebiges Kuscheln und das gemeinsame Essen, kurz: ein Stückchen ganz normaler, entspannter Kinderalltag.
- Steht zu eurer Entscheidung: Viele Mütter leiden unter schlechtem Gewissen, weil sie ihre Kinder schon früh Fremden überlassen. Das nutzt aber niemandem, am allerwenigsten dem Kind. Freut euch stattdessen lieber über die vielen neuen Dinge, die euer Kind in der Kita lernt, über die ersten Freundschaften, die es dort knüpft und die vielen Erfahrungen, die ihr eurem Schatz bei aller Liebe zu Hause niemals bieten könntet.
Wenn ihr noch immer unsicher seid und euch anderweitig noch weiter informieren wollt, hier einige Lesetipps:
- Wie viel Mutter braucht das Kind? Konrad Adenauer Stiftung: Publikation zum Runterladen
- Kita, Krippe, Tagesmutter: Die beste Betreuung für glückliche Kinder undentspannte Eltern von Aylin Lenbett. Hier ist das Buch über Amazon.de erhältlich. *
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Quellen:
Uniklinikum Dresden
Bertelsmann Stiftung
Stiftung Kindergesundheit
kita.de
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