Das Familienleben ist schön, kann aber auch ziemlich anstrengend sein. Klopapier ist alle, der nächste U-Termin steht an, bald ist Omas Geburtstag und fürs Abendessen brauchen wir noch Milch. Besonders wir Mütter laufen Gefahr, durch unser “Immer-an-alles-denken”, irgendwann unter dem Mental Load zu leiden, den wir uns aufbürden. Aber der Gedankenstau im Kopf lässt sich auflösen: mit dem Partner und ganz viel Selbstbeherrschung.
Während ich hier sitze und diesen Text schreibe, tanzen in meinem Hinterkopf unzählige weitere Gedanken, die zwar meine Arbeit nicht direkt beeinflussen, aber für eine Art angestrengte Grundspannung sorgen. Ok, man könnte auch sagen, sie stressen mich. Als berufstätige Mama habe ich nicht nur meinen Job im Kopf, sondern immer auch mein Familienleben. Das macht meine Arbeit in vielen Fällen besser, aber auch ziemlich anstrengend. Denn wie viele Mamas (und ein paar wenige Papas) da draußen, kämpfe auch ich mit dem sogenannten “Mental Load”, der Aufgabe unseren Familienalltag, neben meinem Joballtag, im Kopf zu managen.
Mental Load: Wenn eine für alle denkt
Mental Load heißt, an alles zu denken, an das gedacht werden muss. Denn unserem Handeln geht schließlich immer ein Denken voraus, zumindest in den meisten Fällen. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, habe ich noch unter der warmen Bettdecke den Ablauf für den Morgen bzw. für die heutigen Besonderheiten geplant: Geld für den Puppentheaterbesuch mit der Kita einstecken, checken, ob die Kitahausschuhe noch passen, auf dem Rückweg von der Kita noch eine Milch kaufen …
Jetzt sitze ich hier und schreibe diesen Text und wenn ich mich gerade nicht darauf fokussiere, ruft mein Kopf “Nicht vergessen, dass du später noch die Zutaten fürs Plätzchenbacken kaufen musst!”, “Du willst nochmal bei Kleinanzeigen nach einem gebrauchten Kinderfahrrad schauen”, “Der nächste Termin für die U-Untersuchung ist fällig. Unbedingt beim Kinderarzt anrufen” und “Das Klopapier ist fast alle. Spüli auch. Und die Maiswaffeln”.
Um diese Gedanken zu zähmen, sortiere ich sie gedanklich nach ihrer Dringlichkeit und trage sie in meinen mentalen Terminkalender ein. Und mache dazu natürlich noch eine geistige Notiz, dass ich die Kopftermine bei nächster Gelegenheit in meinen realen Terminkalender übertragen muss.
Mental Load-Comic: Geschichte unseres Lebens
Für dieses Planen und An-alles-Denken, dieses Management im Kopf, wurde in den letzten Jahren der Begriff Mental Load geprägt. Die Comiczeichnerin Emma hat ihn 2017 zwar nicht erfunden, aber durch ihre plakativen Comics bekannt gemacht. Ich kenne keine Mutter, die sich die kleinen Bildergeschichten der Französin anschaut und nicht sagt “Das bin ich!”
In den meisten Fällen sind es nämlich immer noch die Mütter, die die Familie managen – egal, ob sie dazu noch berufstätig sind oder nicht. Wir planen, organisieren, denken, machen und tun. In einigen Artikeln zum Thema Mental Load wurde dieser Aufgabe mit denen eines CEO einer großen Firma verglichen. Ich sage “Pah!”. Gegen das, was gerade berufstätige Mütter täglich bewältigen, ist der Job eines CEOs Kindergarten.
Wir organisieren, planen und entscheiden nicht nur, wir führen nämlich auch aus. Wir sind verdammt noch mal die ganze Firma in einem. Wir sind CEO, Assistent, Arbeiter – und was man in so einer gut laufenden Company noch so braucht – in Personalunion!
Mental Load ist (auch) eine Frage der Erziehung
Aber was ist mit den Vätern? Die machen doch auch was. Ja, das tun sie. Und es gibt ganz fantastische Männer da draußen, die ihren Job machen und den Haushalt mitorganisieren.
Aber eine Vielzahl der Papas ist leider immer noch verwundert, wenn wir Frauen wütend werden, weil sie dieses oder jenes nicht gemacht haben. Wenn wir uns beklagen, dass das Frühstücksgeschirr immer noch auf dem Esstisch steht oder der Wäschekorb überquillt und dringend gewaschen werden muss. Sie fragen uns verwundert, warum wir so wütend sind und immer meckern müssen, wir bräuchten schließlich nur etwas sagen und sie hätten es sofort getan (ok, vielleicht nicht sofort, aber bestimmt irgendwann in den nächsten drei Tagen). Und dann rollen wir mit den Augen und sagen oder denken, dass wir es dann ja auch gleich selber machen können.
Und warum ist das häufig so? Weil Männer faule Idioten sind, die nicht mitdenken können? Nein, das trifft in den seltensten Fällen zu.
Es liegt, wie so oft, beim Miteinander, an unserer Erziehung und Prägung. Und auch an dem, wie wir unsere Beziehung bisher gelebt haben. Viele haben in ihrer Kindheit das Stück “Mama ist Hausfrau und Papa geht arbeiten” vorgespielt bekommen – täglich, Jahre lang. Das prägt natürlich. Und viel zu oft wird das Spiel in der späteren Beziehung weiter gespielt.
Die Frau übernimmt den Großteil der Haus- und nach der Geburt auch Kinderarbeit. Laut der Studie “Das Leben von Frauen und Männern in Europa – ein statistisches Porträt”, herausgegeben von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union (August 2018)**, wird die Hausarbeit in Deutschland immer noch zu 72 % von Frauen übernommen, bei der Kinderbetreuung liegt die Leistung der Frauen gar bei 88 %.
Warum? Weil auch wir so sozialisiert wurden. Das Zusammenleben ist ein glitschiger Pfad und wenn wir nicht aufpassen, rutschen wir ruckzuck in die alten ausgetretenen Pfade, die wir aus unserer Kindheit kennen – und trampeln sie tiefer und tiefer, bis wir kaum noch herauskommen! Das klingt irgendwie nach Spaß für niemanden, oder?
Der Ausweg aus dem Mental Load Dilemma
Und was machen wir nun? Mehr delegieren, lautet oft die Antwort auf die Frage nach der Auflösung des Mental Load. Aber bei näherer Betrachtung nimmt uns das nur die ausführende Arbeit ab, aber nicht die Denkarbeit. Wir müssen das Denken delegieren, das Gedanken machen aufteilen. Und das geht nur gemeinsam.
Wir müssen uns zusammensetzen und schauen, wer welche Aufgaben hat und wer sich wofür verantwortlich fühlt. Und dann müssen wir alles neu verteilen und, das ist der schwerste Teil: Loslassen!
Wenn ab morgen der Papa für alle schulischen Belange des Sohnes zuständig ist, dann ist er das und nicht mehr wir. Dann müssen wir ihn machen lassen und uns rausziehen, auch wenn er vielleicht mal etwas vergisst oder es anders macht als wir. Oder Dinge zu einem anderen Zeitpunkt tut als wir. Wenn du das nicht kannst, leidest du eventuell unter “Maternal Gatekeeping”, also am “Mütterlichen Türsteher”-Syndrom. Das heißt, du kannst dem Papa keine kinderbezogenen Aufgaben überlassen, wenn er sie nicht genauso macht wie du. Und da er das vermutlich wirklich nicht tut, lässt du ihn gar nicht erst an die Sache ran. Das ist aber eine ganz andere Geschichte.
Zurück zu mir und unserer Dreckwäsche. Ich räume Dinge in unserer Wohnung weg, beschwere mich, dass das immer ich machen muss, nur um mir dann anzuhören, dass ich es hätte liegen lassen sollen, es wäre schon noch weggeräumt worden. Ja, vielleicht. Aber wenn ich etwas sehe, das rumliegt und aufgeräumt werden will, dann kribbelt es in mir, dann will ich für Ordnung sorgen.
Tatsächlich ist das aber mein Problem und nicht das meines Partners. Natürlich wäre die Wohnung schöner anzusehen, wenn die Dreckwäsche nicht seit heute Morgen vor der Waschmaschine liegen würde. Aber bei genauerer Betrachtung versinken wir auch nicht sofort im Chaos, wenn sie da eben noch bis heute Abend liegt (oder wann auch immer mein Mann eingeplant hat, sich darum zu kümmern).
Wenn mich der Drang überkommt, Aufgaben zu übernehmen, die mir nicht zugeteilt sind, nur weil ich das Bedürfnis verspüre, sie jetzt sofort zu erledigen, dann schnappe ich mir nun immer ein Buch mit schönen Kurzgeschichten, setze mich hin und lese ein bisschen – und zwar so lange, wie ich ansonsten gebraucht hätte, die Arbeit des anderen zu übernehmen!
Das funktioniert nicht immer, aber es ist ein guter Anfang, um meinen Mental Load abzubauen, mein Gehirn wortwörtlich zu entladen.
Buchtipp zum Thema Mental Load
Die im Artikel gezeigten Bilder stammen aus dem großatigen Comic "Mental Load" von der französischen Comiczeichnerin und Autorin Emma. Das Buch mit diesen und vielen weiteren gezeichneten Storys zum Thema Mental Load gibt es für ca. 16 € auf Amazon (in englischer Sprache).
Noch ein Buchtipp
Wie kommt es zum Mental Load? Wieso sind wir Mütter oft soooo erschöpft und müde? Klar halten uns die Kinder auf Trapp, wir müssen arbeiten, Haushalt machen, an X und Y denken, Termine verwalten, Feiern organisieren und dazwischen auch noch selber leben! Aber hinter unserer permanenten Erschöpfung steckt noch mehr. Dahinter steckt ein strukturelles Problem, dass wir im Kleinen, sprich innerhalb unserer Familie, gar nicht lösen können. Denn es betrifft nicht nur Mütter, sondern alle Frauen. Wer mehr darüber wissen (und beim Lesen ganz viele kleine Aha-Momente und Wut-Grummeln erleben) will, der empfehle ich das Buch "Die Erschöpfung der Frauen: Wider die weibliche Verfügbarkeit" von Franziska Schutzbach. Lest es, gibt es eurem Partner, verschenkt es, empfehlt es – denn nur Bewusstsein schafft Veränderung!
Wie sieht es bei euch aus? Leidet auch unter Mental Load oder habt ihr dafür gar eine eigene Lösung parat? Teilt eure Gedanken und Erfahrungen mit uns auf Facebook, für das Problem kann es gar nicht genug Lösungen geben!
Quelle: ** “Das Leben von Frauen und Männern in Europa – ein statistisches Porträt” Ausgabe 2018