Viren, Pollen, Pilze oder Bakterien – von Erkältung über Corona bis RS-Virus: Kaum auf der Welt, muss sich ein Baby schon gegen einiges zur Wehr setzen. Wie sich das Immunsystem beim Baby entwickelt, wann man von einem Immundefekt spricht und wie Antibiotika den natürlichen Schutzwall beeinflussen, erfahrt ihr bei uns.
Wenige Monate nach der Geburt hat der Säugling keinen Nestschutz mehr. Dann beginnt das Training fürs eigene Immunsystem beim Baby. Und das kann gerade auch für Eltern echt hart sein: Bis zu zwölf leichte Infekte wie Schnupfen oder Husten beim Baby pro Jahr sind normal. „Wenn die sich auf die kalte Jahreszeit konzentrieren, kann der Eindruck entstehen, das Kind sei immer krank“, sagt Dr. Carsten Speckmann von der Uniklinik Freiburg. Dabei trainiert es „nur“ seine Abwehr.
Das Immunsystem beim Baby muss viel lernen
Bei der Geburt ist für das Immunsystem zwar alles angelegt, aber sein „Gedächtnis“, also die Immunität, fehlt noch. Und die sorgt dafür, dass man nicht an einem Erreger zweimal erkrankt. Denn über die Gedächtnisfunktion werden schon einmal bekämpfte Erreger, seien es Bakterien oder Viren, erkannt und unschädlich gemacht.
„Das Immunsystem muss lernen“, sagt Speckmann. Und das kann es nur, wenn es mit vielen Antigenen aus der Umwelt in Kontakt kommt. Das heißt, mit Keimen in Hausstaub, Bakterien im Matsch und Viren anderer Kinder. „Salopp kann man sagen: Dreck macht Speck“, so auch Prof. Werner Solbach vom Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Uniklinik Schleswig-Holstein. Babys sollten ruhig schon früh mit anderen Kindern spielen dürfen und auch gerne mal mit Sand und Dreck in Berührung kommen.
Immunsystem beim Baby: Infektion ohne Symptome?
Manchmal bemerken wir gar nicht, wenn sich das Immunsystem gegen Erreger wehrt: Dann treten trotz Infektion keinerlei Symptome einer Krankheit auf. Experten sprechen auch von der „stillen Feiung“, einer Immunisierung ohne Krankheitsanzeichen. Das Immunsystem hat also ganz im Stillen wieder etwas dazugelernt. „Über 95 Prozent der Infektionen bemerken auch wir Erwachsene nicht. Zum Beispiel wird beim Zähneputzen regelmäßig die Mundschleimhaut verletzt, und es dringen Keime ein. Und das Immunsystem bildet Antiköper dagegen“, erklärt Prof. Solbach.
Das Immunsystem des Babys braucht Zeit
Das Immunsystem muss reifen, wie die meisten Organe auch. Dafür braucht es Infekte, um sich mit verschiedenen Viren, Bakterien und Pilzen auseinandersetzen zu können. Und es braucht viel Zeit. „Kinder haben deshalb mindestens bis zum Schulalter mehr Infekte als Erwachsene“, sagt Dr. Speckmann. Kein Wunder – gibt es doch immer wieder neue Krankheitserreger, mit denen der Körper konfrontiert wird.
Immundefekt beim Baby: Was ist das?
Ist das Baby immerzu krank, kann eine angeborene Abwehrschwäche die Ursache sein. „Doch diese Fälle sind selten“, versichert Dr. Speckmann. „Kinder mit einer Abwehrschwäche haben regelmäßig Infekte, die einen Krankenhausaufenthalt nötig machen. Ein Alarmzeichen kann zum Beispiel sein, wenn ein Kind im ersten Lebensjahr wiederholt schwere Erkrankungen wie eine Lungenentzündung hatte.“ Oft handelt es sich bei diesen Fällen aber auch gar nicht um einen Immundefekt, sondern um ein anatomisches Problem.
„Ein Hinweis dafür ist, wenn ein Kind immer wieder gleiche Erkrankungen durchmacht - z.B. eine Mittelohrentzündung immer nur auf einer bestimmten Seite.“ Ein Tipp des Mediziners, der in der Immundefektambulanz Freiburg arbeitet: Infekt-Tagebuch führen „Darin sollte stehen: Welche Symptome hat mein Kind? Hat es Fieber? Trinkt es schlecht?“ Wichtig ist auch, nach Erkrankungen in der Familie zu forschen. Hat jemand Asthma? Kann es sein, dass die häufigen Bronchitis-Erkrankungen mit einer Neigung zu Asthma zusammenhängen? Solche Fragen können mit dem Kinderarzt gemeinsam geklärt werden.
Schaden Antibiotika dem Immunsystem des Babys?
Viele Infekte werden mit Antibiotika behandelt, zum Beispiel eine Mittelohrentzündung oder Scharlach. Aber schwächen diese Medikamente das Immunsystem? „Vernünftig eingesetzt: nein“, sagt der Immunologe Prof. Volker Wahn. Das bedeutet: Der Kinderarzt muss sicherstellen, dass die Infektion durch Bakterien verursacht wurde. Denn nur dann zeigt eine Behandlung mit Antibiotika überhaupt Wirkung.
„Jede durchgemachte Infektion beim Immungesunden führt über das immunologische Gedächtnis zu bleibendem Schutz, der oft viele Jahre anhält. Auch eine Infektion, die mit Antibiotika behandelt wurde", so Prof. Wahn weiter. Aber: Antibiotika können die Darmflora schädigen und zu Durchfall führen. Wenn Antibiotika-Behandlungen über zwei oder mehrere Wochen ohne Effekt bleiben, kann das auch ein Hinweis auf eine Immunschwäche sein. Ein Warnzeichen also, das mit dem Kinderarzt besprochen werden sollte.
Ein krankes Baby muss manchmal auch öfter gewickelt werden. Mit den folgenden Tipps klappt's:
Bildquelle: GettyImages/AnnaTamila