Irgendwann kommt jedes Kind mit mehr oder weniger Schimpfwörtern um die Ecke. "Kacka" und "Arsch" sind dann plötzlich wahnsinnig lustig. Was es mit der "verbanalen Phase" auf sich hat und welche Strategien erfolgreich sein können.
Manchmal läuft einfach alles schief: "Was für ne Scheiße!" – Ooops, ich meine, äh .... Oh nein, da war es, das böse Wort – 5, 4, 3, 2, 1 … und hier kommt das Echo: "Scheiße! Scheiße! Mama hat Scheiße gesagt!“ – kreischt es und rennt lachend durchs Zimmer.
Früher oder später kommt jedes Kind mit Schimpfwörtern in Kontakt. Und Schimpfworte sind wahnsinnig faszinierend und machtvoll. Deshalb herrscht im Kindergarten oder der Kita auch ein reger Informationsaustausch. Immer mehr neue Wortkreationen kommen so zu uns nach Hause. Der Beginn einer wunderbaren Zeit, der "verbalanalen Phase".
Was hat es mit der "verbanalen Phase" auf sich?
Wenn ein knapper Meter Kind durch die Wohnung rennt und „Scheiße! Kacka! Arsch!“ brüllt, ist das irgendwie befremdlich und zeitweise echt nervend. Hat man sich doch immer um einen guten Umgangston untereinander bemüht. Ist das wirklich meins? Ja!
Schimpf- und Fäkalwörter üben auf Kinder phasenweise plötzlich einen ganz neuen Reiz aus. Die Bedeutung der Worte spielt dafür vorwiegend keine große Rolle. Es ist die Wirkung dieser mächtigen Worte, die sie so interessant machen. Nur ein bestimmtes Wort und Mama ist sprachlos, Papa wütend und die Oma schimpft deswegen sogar die Eltern. Ein mega Spiel! Und genau hier liegt der Knackpunkt. Schimpfwörter sind ein Spiel, mit dem die Kids einmal mehr ihre Grenzen austesten. Das Gute: Ihr seid die Eltern, ihr gebt die Spielregeln vor.
Wie den Kindern Schimpfwörter abgewöhnen?
Als Erstes wollen wir mal die Frage aufwerfen, inwiefern das unbedingt nötig ist? Uns allen rutscht mal ein "Schei**" oder ähnliches heraus. Setzt euch mal zusammen und überlegt, welche Worte gehen und was überhaupt nicht infrage kommt: eine Schimpfwort-Blacklist. Stellt zusammen Familienregeln auf: Kein "das sagt man nicht", sondern eine Entscheidung, was ihr bei euch in der Familie okay findet und was eben nicht.
Nutzt die Gelegenheit!
Ein Gespräch über Schimpfwörterregeln ist ein super Anlass, um im Familienkreis über Rassismus und Diskriminierung und sprechen – und was das ein oder andere Schimpfwort damit zu tun hat.
Ich selber fluche sehr häufig und nutze solche kleinen verbalen Ausrutscher ("Sch***tag" und "Kackvogel" ...) gern als Gefühlsventil. Richtig auf die Palme bringen mich Ausdrücke wie "Du Opfer". Wenn ich das irgendwo höre, dann muss ich leider auch fremde Kids rund machen.
Kinder und Schimpfwörter: Wie reagieren Eltern am besten?
Erste Strategie sollte immer sein, nicht zu ernst nehmen und die Sache nicht zu groß machen. Plappert das Kind die Schimpfwörter nur gelegentlich beiläufig vor sich hin, dann ist es am besten, ihr ignorieren das weitgehend. Das „böse Wort“ zieht dann keine erhoffte starke Reaktion der Eltern nach sich und wird wahrscheinlich schnell langweilig.
Auch wenn's manchmal schwer fällt
Nicht vergessen: Auch Lachen ist eine Reaktion, die das Kind bestärken kann. Ernst bleiben, ist das Credo. Allerdings geben sich nur wenige Kinder so einfach geschlagen: Die Schimpfwörter werden entweder extra noch lauter durch die Wohnung gerufen oder sind direkt an euch gerichtet (Scheißi-Mama, Scheißi-Papa).
Meistens treten Schimpfwortphasen aber geballter und mit mehr Vehemenz auf. Überlegt dann vielleicht gemeinsam (vielleicht bei einer Familienkonferenz?), welche Methode für euch funktionieren könnte.
Ganz wichtig für den Hinterkopf: Auch ihr als Erwachsene müsst euch dann an die aufgestellten Regeln dann halten. Allzu häufig ertappen wir Erwachsenen uns beim Fluchen: ein flüchtiges „Sch***e“ oder Schimpftiraden am Steuer. Hier kommen einige Strategien für Schimpfwort-Regeln.
Schimpfwort-Regeln aufstellen
1) Die Schimpfwortefreie-Zone
Zunächst ist natürlich zu unterscheiden, ob das Kind die Schimpfwörter im Spaß benutzt oder wenn es wütend ist. Gehen wir zunächst davon aus, dass euer Kind einfach Spaß an den mächtigen neu gelernten Wörtern hat. Markiert dann z.B. Schimpfwortfreie Zonen.
Während zum Beispiel Wohnzimmer und Esszimmer „sauber“ bleiben, dürfen im Badezimmer oder auf der Toilette alle Familienmitglieder fluchen – so lange und so laut wie es Spaß macht. Wenn ihr damit fertig seid, wird gespült und die ganze „verbale Sch***“ landet im Abfluss – wo sie auch hingehört.
Die Psychologie nennt sowas 'Symptomverschreibung', eine Methode der sogenannten paradoxen Intervention. Im Grunde spielt man dabei ein bisschen verkehrte Welt. Satt das unerwünschte Verhalten zu bestrafen, ermuntert man das Kind sogar dazu, allerdings unter gewissen Bedingungen.
2) Bewußtsein schaffen
Strategie hier ist: Macht euren Kindern bewusst, dass die vermeintlich lustigen Wörter auf andere meistens negativ wirken oder sogar verletzend sind. Fragt eure Kinder ganz offen, ob sie wissen, was das Wort bedeutet, das sie herumschreien (gerade bei schlimmeren Schimpfwörtern bzw. Beleidigungen) und wie sich jemand wohl fühlt, der so betitelt wird. Eine Liste von zulässigen und 'geächteten' Worten könnte das Ergebnis sein.
3) Notfallwörter nutzen statt Schimpfworte strikt zu verbieten
Wenn im Affekt die richtigen Worte fehlen, ist ein Schimpfwort schnell herausgebrüllt. Das könnt ihr mit solchen Notfallwörtern umschiffen. Denkt euch also gemeinsam mit euren Kindern Fantasieworte aus. Das macht den meisten Kindern richtig Spaß. Wir können dafür das Buch "Das verrückte Schimpfwörter-ABC" von Regina Schwarz empfehlen. Durch Hin und Herklappen der dreigeteilten Seiten entstehen immer wieder neue, lustige Wortschöpfungen: etwa langweiliger Knalltüten-Lurch oder Glupschäugiger Couchkissen-Teufel.
4) Friedhof der bösen Begriffe
Ergänzend zur Schimpfwort-Blacklist könnt ihr die 'bösen' Schimpfworte auch symbolträchtig aus dem Haus verbannen. Schreibt gemeinsam mit euren Kindern alle üblen Ausdrücke, die euch einfallen, auf einen Zettel. Der wird anschließend gemeinsam verbrannt oder im Garten vergraben. Als symbolischer Akt, dass diese Worte nun Hausverbot haben.
5) Der Klassiker: Das Kässchen
Last but not least, der Klassiker. Für ältere Kinder, die schon Taschengeld bekommen (und Elternteile, die das fluchen nicht lassen können), bietet sich eine Kasse an. Wer mit Schimpfwörtern um sich schmeißt, muss zahlen. Ist die Kasse voll, gehen alle zusammen ein Eis essen. Grundlage hierfür ist natürlich auch eine gutgepflegte Schimpfwort-Blacklist.