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Gute-Nacht-Geschichten

Ludwig, das schreckhafte Gespenst

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von Kathrin Bräker

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Eine Geschichte für Gespensterfreunde und solche, die es werden wollen …

Ludwig hatte schon viel in seinem Leben erlebt. Als junger Geist war er in einem Schloss aufgewachsen, das hoch auf einem Berg - von Wäldern umgeben - stand. Seine Eltern waren erfahrene Schlossgespenster. Sein Vater Hugo war 1768 erster Meister im Kettenrasseln geworden und seine Mutter Elfriede hatte den Gruselpreis im Gespensterheulen gewonnen Da war sie noch ein ganz junges Gespenst, vielleicht so 396 Jahre alt.

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Ein Schlossgespenst muss die Schlossbewohner und ihre Besucher erschrecken. Das ist eigentlich ihre Hauptaufgabe. Schlossgespenster huschen durch die langen Gänge und Flure des Schlosses, schweben lautlos die Treppen hoch und rasseln dann ganz plötzlich mit ihren Gespensterketten. Oder sie schlüpfen durch das Schlüsselloch in die Kammer der Hofdame und schweben zum Fenster, um dort mit den schweren Vorhängen zu rascheln und dazu zu heulen. Die Hofdame fällt in Ohnmacht und das Gespenst verzieht sich, um einen anderen Menschen zu erschrecken.

Wie gesagt, Elfriede und Hugo, Ludwigs Eltern, waren besonders gute Gespenster. Alle Schlossbewohner fürchteten sich vor ihnen und auch weit über seine Grenzen hinaus war das Schloss als gruseliges Gespensterschloss bekannt.

Aber Ludwig konnte sich so gar nicht mit dem Spuken und Erschrecken anfreunden. Wenn er seine Mutter Gespensterlieder heulen hörte, bekam er fast selber Angst und ihm taten die Schlossbewohner leid, die sich jedes Mal erschreckten, wenn sie ihn sahen.

Einmal bekam Ludwig eine Rasselkette zum Geburtstag geschenkt, aber jedes Mal, wenn er damit rasselte, bekam er eine Gänsehaut. (Habt ihr schon mal ein Gespenst mit Gänsehaut gesehen?)

So ließ er die Kette mit der Zeit immer öfter in seiner Gespenstertruhe liegen und bald benutzte er sie gar nicht mehr. Seine Eltern waren sehr erbost. So würde nie ein richtiges Gespenst aus ihm werden! Ein Gespenst, das sich vor sich selber gruselt? Hat man so etwas schon gesehen?

„Wir wollen nichts mehr mit dir zu tun haben! So eine Schande!“, so schimpften sie auf ihn ein. Ludwig schwebte traurig durch das Schloss. Was sollte er bloß tun? Eine Zeit lang wohnte er in der Schlossküche. Da gefiel es ihm gut. Hier roch es immer nach köstlichen Braten und süßen Kuchen. Ab und zu ließ er mal eine Schüssel fallen oder warf ein paar Eier aus dem Regal, um das Spuken nicht ganz zu verlernen. Aber die Köche kannten bald alle seine Streiche und lachten über Ludwig und die Küchenjungen schimpften nur, weil sie die ganze Schweinerei vom Boden wischen mussten.

Das gefiel Ludwig nun bald auch nicht mehr. Er wollte einfach ein fröhliches Gespenst sein und sich mit anderen freuen können. Nachdenklich entschwand er aus dem Küchenfenster. Was sollte nur aus ihm werden?

Vielleicht versuche ich es als Waldgeist, dachte Ludwig bei sich und schwebte in den Schlosswald. Es war Frühling und Ludwig sah auf dem Waldboden die Kleinen Buschwindröschen sprießen. An den Bäumen zeigten sich kleine grüne Spitzen, die im Sommer dichte Blätterkronen werden sollten. Mit großen Augen schwebte Ludwig durch den Wald und bewunderte alles.

Er machte auch Bekanntschaft mit den Tieren des Waldes, mit Eichhörnchen, Hasen und Rehen. Sie beschnupperten ihn und wunderten sich ein wenig über das neue Tier im Wald, aber sie hatten keine Angst und gewöhnten sich bald an den freundlichen Mitbewohner.

Im Morgennebel tanzte Ludwig mit den Elfen auf der Waldlichtung und ihr Gesang gefiel ihm viel besser als das Heulen seiner Mutter. Wenn Menschen in den Wald kamen, versteckte sich Ludwig, denn er wollte ja niemanden erschrecken. Mit den Tieren spielte er und manchmal konnte er sogar helfen, ein verirrtes Tierkind wieder zu seiner Mutter zu bringen. So verbrachte Ludwig den ganzen Sommer.

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Der Winter

Doch dann wurde es Herbst. Die Tiere legten sich Wintervorräte an und richteten ihre Höhlen und Nester mit weichem Moos und Blättern ein. Die Vögel flogen gen Süden und die Igel verkrochen sich unter den Laubhaufen. Ludwig wurde immer einsamer. Viele Tiere hielten schon Winterschlaf und die anderen waren damit beschäftigt, sich Vorräte anzulegen.

Keiner hatte mehr Zeit zum Spielen. Da schwebte Ludwig zwischen den Bäumen umher und wusste sich keinen Rat mehr. Auch ihm war kalt und ungemütlich. Gerne hätte er sich in seiner Gespenstertruhe verkrochen, aber die stand ja im Schloss - und dort konnte er sich nicht mehr blicken lassen. Als es dämmerte, sah er zwei große gelbe Kreise leuchten. Er bekam einen gehörigen Schreck, denn er dachte, es sei ein anderer Waldgeist, aber dann erkannte er die Eule.

„Was hängst du hier so traurig herum?“, fragte die Eule. „Gehört sich das für ein Gespenst?“ „Ach“, seufzte Ludwig und ihm war fast zum Heulen zumute. „Es war so schön, mit den Tieren zu spielen und mit den Elfen zu tanzen, aber jetzt hat niemand mehr Zeit für mich. Und außerdem friere ich und müde bin ich auch.“

„Tja“, sagte die weise Eule, nachdem sie Ludwigs Leid gehört hatte. „Du brauchst einen Platz für den Winter! Hast du schon einmal daran gedacht, ein Hausgeist zu werden?“ „Ein Hausgeist?“, fragte Ludwig verwundert. „Aber die Menschen haben doch dann Angst vor mir!“ „Es gibt auch gute Hausgeister“, antwortete die Eule.

„Manche Menschen wissen das. Die haben dann auch keine Angst vor ihnen. Vielleicht solltest du dich im Dorf umsehen und dir eine Familie aussuche, am besten mit vielen Kindern. Da ist immer etwas los und es wird dir nicht langweilig.“ Ludwig schwebte um die alte Eiche, in der die Eule wohnte, und dachte nach. Dann bedankte er sich und flog zu dem hohlen Baum, in dem er die Nächte verbrachte.

Morgen, dachte er, morgen werde ich mich im Dorf umschauen. Aber dazu kam es nicht mehr. In der Nacht fiel der erste Schnee und als Ludwig erwachte, war der ganze Wald wie verzaubert. Bibbernd erhob sich Ludwig aus seiner dunklen Ecke und flog schwerfällig durch den Wald. Es war so kalt, dass ihm das Schweben schwer fiel. Immer wieder plumpste er zu Boden und irgendwann schaffte er es gar nicht mehr, aufzustehen. Er kroch zu einem Strauch, um wenigstens ein bisschen geschützt zu sein, und legte sich wimmernd nieder. Er wusste nicht, wie lange er dort gelegen hatte, als er plötzlich Stimmen hörte.

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Es waren Stimmen von Menschenkindern, die laut jubelnd und jauchzend durch den Schnee liefen. Sie zogen einen Schlitten hinter sich her und bewarfen sich mit Schneebällen.Auf einmal hielten sie in ihrem Jubel inne. Ludwig merkte, dass sie näher kamen. „Oh, was ist denn das?“, hörte er sie fragen. „Das ist, glaube ich, ein Gespenst!“ Das war die Stimme eines großen Mädchens mit Zöpfen.

Ludwig schaute auf. Hatten denn die Kinder keine Angst vor ihm? Die Kinder freuten sich. „Schaut mal, es guckt uns an! Was ist denn los mit dir? Warum bist du hier im Schnee?“, fragten sie ihn.

Ludwig seufzte und erzählte dann sein ganzes Leid. Wie einsam er im Winter war und dass es ihm bei dieser Kälte schwer fiel, zu fliegen. Und dass er sich eigentlich eine Unterkunft für den Winter suchen wollte. Da rief das kleinste Mädchen: „Aber du kannst doch zu uns kommen! Ein Gespenst braucht ja nicht so viel Platz und ich hätte noch Platz in meiner Schublade.“ „Das ist eine gute Idee!“, riefen die anderen Kinder und schon setzten sie Ludwig auf ihren Schlitten und zogen ihn nach Hause.Ludwig wusste gar nicht, wie ihm geschah.

Die Kinder hatten keine Angst vor ihm und wollten ihn sogar im Winter bei sich haben! Glücklich räkelte er sich auf dem Schlitten, bis sie angekommen waren.

Im Haus gab es für Ludwig viel zu entdecken, hier würde es bestimmt nicht langweilig werden. Und er verbrachte einen wunderbaren Winter als Hausgeist mit den Kindern. Sie spielten wilde Spiele und erzählten sich Gespenstergeschichten.

Dann kam der Frühling und es wurde wärmer. Ludwig zog wieder in den Wald und lebte dort den Sommer über. Die Kinder kamen ihn oft besuchen. Aber den Herbst und den Winter verbrachte Ludwig von nun an immer gemütlich mit den Kindern im Haus.

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