Es ist so ein schönes Gefühl, wenn sich die kleine Hand um unsere Finger legt. Oder unser Baby seine Arme nach uns ausstreckt. Anfänglich sind diese Bewegungen aber noch ein Reflex, erst später führen unsere Minis sie bewusst aus. Ab wann Babys gezielt greifen und warum diese Entwicklung so wichtig ist, haben wir mit Expert*innen für Entwicklungspsychologie und Frühpädagogik besprochen.
Ab wann greifen Babys?
Mit dem Greifen beginnt das Baby, seine Umwelt mit den Händen zu erkunden. Gezielt klappt das allerdings erst etwa ab dem 5. Lebensmonat. Ein Neugeborenes kommt lediglich mit einem Greifreflex zur Welt: Bringen Mama oder Papa einen Gegenstand dicht vor seine Augen oder berühren sie mit dem Finger seine Hand, umgreift es ihn reflexartig.
Die Greif-Vorstufen: Säuglinge können für wenige Wochen Blick und Handbewegung koordinieren. Bis zum Ende des 3. Lebensmonats verschwindet der Reflex wieder. Erst dann kann ein Baby lernen, gezielt nach Dingen zu greifen. Wenn ein wenige Wochen alter Säugling nach etwas greifen will, bewegt er den ganzen Arm. Und beugt oder streckt er ihn, beugt und streckt er gleichzeitig seine Finger. Entwicklungspsychologen sprechen von der „synergetischen Kopplung“. Diese verschwindet mit etwa zwei Monaten: Dann ballt das Baby seine Hand zur Faust, wenn es den Arm streckt.
Die ersten gezielten Greifversuche von Babys sehen noch etwas ungelenk aus
Manchmal entsteht der Eindruck, die Kleinen wollten mit dem ganzen Körper versuchen, an den Gegenstand ihres Interesses zu kommen. So kann der Anblick eines bunten Holztierchens wahre Begeisterungsstürme auslösen: Das Baby rudert wie wild mit den Armen, während es fröhlich dabei strampelt und prustet.
„Im Gegensatz zur landläufigen Meinung zeigt die Forschung, dass Sehen und Hören in den ersten Monaten vor der Motorik und dem Greifen dominieren.“
Wann hat das Baby seine Hände entdeckt?
Der schwedische Entwicklungspsychologe Claes von Hofsten stellte in Studien fest, dass ein drei Monate altes Baby schon die Händchen öffnet, wenn es ein Objekt mit den Augen fixiert und gleichzeitig die Arme bewegt. Es versucht also danach zu greifen, allerdings ohne Erfolg – das Baby ist mit der Hand-Auge-Koordination noch überfordert.
Im Alter zwischen zwei und vier Monaten kann es daher auch vorkommen, dass ein Baby etwas in den Blick nimmt und gleichzeitig etwas anderes betastet. Der Tastsinn wird ohnehin wichtiger: Babys können nun Gegenstände durch Anschauen wiedererkennen, die sie vorher nur mit den Händen erfühlt haben.
Auch Mamas und Papas Hände sind äußerst spannend: Babys lieben lustige Fingerspiele:
Wann sollte ein Baby greifen können?
Mit etwa fünf Monaten hat dein Baby seine Bewegungen so weit unter Kontrolle, dass es gezielt die Hand nach etwas ausstrecken und es befühlen kann. Wenn es damit etwas später dran ist, besteht aber auch kein Grund zur Sorge.
„Das Kind ertastet sich die Welt mit den Händen. Es unterscheidet kalt, warm, hart, nachgebend. Es lernt, dass man einen Apfel aufheben kann, dass ein Griff am Schrank aber unbeweglich ist. Im Gehirn werden zwischen allen Informationen Verbindungen hergestellt.“
____ Dr. Heinz Krombholz vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München ___
Das Erlebnis, selbst einen Gegenstand ergreifen und manipulieren zu können, macht die Kleinen selbstständiger. „Sie lernen: Ich kann etwas bewirken.“
So emotional …
Das erste Greifen – das klingt für Nicht-Eltern nicht wirklich nach einem Highlight und ehrlich gesagt hätte ich in meinen vorherigen Leben ohne Kind mir niemals vorstellen können, dass mich dieser Moment mal so berühren würde. Aber als meine Tochter das erste Mal unter einem Activity-Center gezielt nach einer Holzfigur griff, gingen die (Still-)Hormone mit mir durch und ich war so ergriffen. Das werde ich niemals vergessen.
Um mit rund fünf Monaten nach einem Gegenstand zu greifen, muss das Baby ihn nicht mal mehr unbedingt sehen. Es greift sogar im Dunkeln nach Dingen, die es zuvor kurz bei Licht gesehen hat oder wenn diese ein Geräusch von sich geben. Für das gezielte Greifen spielt also nicht nur das Sehen, sondern die gesamte Wahrnehmung eine Rolle.
Noch immer greift ein Baby einen Gegenstand zunächst mit beiden Händen, später dann mit nur einer Hand. Und immer noch nutzt es die Hand als Ganzes. Das ändert sich erst mit etwa acht Monaten, wenn das Baby den Scherengriff mit ausgestrecktem Daumen und Zeigefinger beherrscht.
Mit neun Monaten klauben kleine Forscher mit den Fingerspitzen den kleinsten Papierschnipsel vom Boden – dank des Pinzettengriffs. Dennoch stehen sie erst am Anfang ihres feinmotorischen Könnens: Das Essen mit einem Löffel und Malen zum Beispiel kommt erst noch.
Eine Studie der Central European University und der University of St. Andrews hat herausgefunden, dass Kinder mit 18 Monaten gezielt auf Dinge zeigen können, um uns zu helfen, sie zu finden.
Aber erst mit etwa fünf Jahren sind Kinder so weit, dass sie sich alleine die Schuhe zubinden können. Lernbücher mit Knöpfen, Reiß- und Klettverschlüssen eignen sich übrigens prima zum Üben.
Quellen: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung; Robert Koch Institut; Kinderuntersuchungsheft / Gemeinsamer Bundesausschuss; Remo Largo: Babyjahre. Piper; Dr. Heinz Krombholz: Studienergebnisse des Staatsinstitus für Frühpädagogik und Medienkompetenz