Dank der Bindungstheorie wissen wir, wie wichtig es ist, dass bereits Säuglinge geborgen und mit viel Nähe aufwachsen sollten. Studien zeigen, in welche Richtung sich Kinder entwickeln, die in einem Umfeld ohne Liebe groß werden. Ihr habt es von Anbeginn in der Hand!
Jeder Schwangerschafts- und Säuglingsratgeber predigt die Bindungstheorie. Früher war es noch üblich, die Baby direkt nach der Geburt von den Müttern zu trennen und nur zum Füttern wiederzubringen. Heutzutage wird ein Neugeborenes nur von der Mutter getrennt, wenn Untersuchungen anstehen oder es aus gesundheitlichen Gründen überwacht werden muss. Das Bedürfnis des Babys steht im Vordergrund. Denn die Mutter-Kind-Bindung beginnt schon im Mutterleib und nach der Geburt mit dem ersten Schrei des Babys und dem ersten Blick der Eltern in seine Augen.
Doch manche Lebensumstände Schwangerer können aus vielen Gründen dafür sorgen, dass ein Kind nicht in Liebe und mit 100-prozentiger Aufmerksamkeit aufwächst. Manchmal sind Eltern einfach mit der Situation des neuen Lebens überfordert oder können ihre Zuneigung zum Säugling nicht zeigen, weil sie selbst nie welche erfahren haben. Dies überträgt sich leider auch auf die Kinder und zwar stärker als man denkt.
Studien zeigen, wie frühe Säuglingserfahrungen das Leben prägen
Kinder, die keine liebevolle Kindheit hatten und nicht in Geborgenheit aufwuchsen, neigen später zu einem geringeren Selbstwertgefühl. Sie fühlen sich ihrer Umwelt oft entfremdet und werden häufig aggressiver und unsozialer. 2010 veröffentlichten Forschende der Duke University Medical School eine Studie, bei der über viele Jahre 500 Personen vom Säuglingsalter bis zu ihren 30ern befragt und beobachtet wurden. Sie führten bei den achtmonatigen Babys Entwicklungstests durch und fanden heraus, dass die Babys, deren Mütter ihnen sehr hohe psychische und physische Aufmerksamkeit schenkten, später sehr entspannte Erwachsene ohne psychosomatische Symptome oder Auffälligkeiten wurden.
In einer anderen Studie aus dem Jahr 2013 fanden Wissenschaftler der UCLA heraus, dass die bedingungslose Liebe eines Elternteils ein Kind emotional glücklicher und weniger ängstlich macht. Babys, die in einer emotional kühlen und vielleicht sogar von Gewalt oder Misshandlung geprägten Umgebung aufwachsen, führen zu späteren dramatischen gesundheitlichen und emotionalen Problemen. Die Befragten, die in ihrer frühen Kindheit mehr Zuneigung erfuhren, zeigten deutliche weniger den Hang zu Depressionen und waren insgesamt empathischer.
Frühe Bindung dank Oxytocin
Ausschlaggebend für die frühe Bindung ist das Hormon Oxytocin, das bei Müttern und sogar Vätern ausgeschüttet wird, sobald sie ihr Neugeborenes sehen und im Arm halten. Das sogenannte Bindungshormon sorgt dafür, dass überhaupt erst Bindung zwischen Eltern und Kind entsteht und wird bei körperlicher Nähe verstärkt. Daher wird es auch beim Stillen der Babys verstärkt produziert. Auch beim Kind wird das Hormon freigesetzt, wenn es nahe bei seinen Bezugspersonen ist und Liebe erfährt. Es sorgt dafür, dass das Kind positive Gefühle erfahrt, die sich auf sein gesamtes Gehirn und damit den emotionalen Haushalt auswirken.
Was Säuglingsmütter daraus lernen können
Auf welche Art man Liebe zeigt und schenkt, kann ganz unterschiedlich sein. Auch ein Baby, das nicht gestillt wird, sondern als Flaschenkind aufwächst, kann diese Bindung erfahren. Daher solltet ihr euch als frisch gebackene Mütter nicht ängstigen, wenn es mit dem Stillen nicht klappt. Wichtig ist, dass wir mit dem Baby so viel es geht zusammen sind, ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit schenken und einander kennen lernen. Das gilt für Mama als auch für Papa. Denn Bindung ist nicht nur ein Mütterthema.
Doch da es vor allem im Wochenbett nicht immer so einfach ist und viele Mütter auch der Wochenbettblues erreicht, solltet ihr euch auch da kein schlechtes Gewissen machen. Bindung ist ein lebenslanges Thema, so Bindungsexpertin Nora Imlau. Es hört nicht einfach auf, wenn das Kind in die Autonomiephase kommt. Auch dann sollten wir ihm unsere Liebe und Aufmerksamkeit auf unsere individuelle Weise zeigen - körperlich und emotional.
Schwangere Frauen oder Neu-Mamas, die mit Depressionen und anderen psychischen Problemen zu kämpfen haben, müssen verstärkt auf ihren Umgang mit ihrem Baby achten. Doch das heißt nicht, dass sie ihm weniger Liebe geben können. In solchen Familien, wo ein Elternteil zeitweise Probleme hat, seinem Kind Liebe zu schenken, muss man früh reagieren und ergründen, woran das liegt. Wichtig ist, dass die Gefühlslage nicht auf das Kind übertragen wird und man sich ggf. Hilfe holt.
Liebe zeigen ist individuell
Man könnte denken, dass jede Mutter oder jeder Vater sein Kind intuitiv liebt und ihm alle Liebe schenkt, die ihm möglich ist. Doch das ist eben nicht immer so möglich. Das kann so viele Gründe haben. Man wünscht jedem Kind, dass es in eine liebevolle Umgebung hineingeboren wird und Geborgenheit erfährt. Doch wenn man diese als Elternteil selbst auch nicht erfahren hat, kann das sicherlich schwierig werden.
Auf der anderen Seite heißt Liebe und Nähe zeigen ja für jeden auch etwas Unterschiedliches. Da solltet ihr euch auch nicht verunsichern lassen und jetzt Angst haben, dass ihr euer Baby nicht genug "geliebt" oder "gestreichelt" habt. Es ist eben auch nicht jeden Tag rosig mit einem schreienden Säugling und manchmal liegen bei Schlafmangel auch die Nerven blank. Gönnt euch daher öfter mal eine kleine Auszeit, redet mit eurem Partner oder der Partnerin oder den Großeltern, ob sie euer Baby für ein paar Stunden nehmen. Das bringt schon sehr viel Gelassenheit in die Situation und ihr könnt dann wieder mit neuer Energie eure Liebe und Aufmerksamkeit eurem Kind zuwenden.
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