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Kaiserschnitt-Studie: So baut sich unser Immunsystem auf

Viele Studien zeigen: Kinder, die per Kaiserschnitt geboren werden, haben ein erhöhtes Risiko, Allergien und Krankheiten wie Asthma und Diabetes Typ 1 zu entwickeln. Aber warum ist das so? Eine umfassende britische Studie hat 600 Babys in ihrem ersten Lebensmonat begleitet und festgestellt: Der Ursprung unseres Immunsystems liegt nicht da, wo bisher angenommen.

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Die neue Studie untersucht das Zusammenspiel zwischen mütterlichem und kindlichem Immunsystem.

Mikrobiom: Wie entsteht die Basis für unser Immunsystem?

Der menschliche Körper besteht nur zu 40 % aus menschlichen Zellen. Der Rest von uns, weit über die Hälfte also, setzt sich aus freundlichen Mikroorganismen zusammen, die uns besiedeln: dem Mikrobiom. Dieser Prozess scheint zu geschehen, sobald wir die Gebärmutter verlassen und das Licht der Welt erblicken. Wie genau, war bisher wegen mangelnder Studien unklar. Wissenschaftler gingen davon aus, dass die geringere Immunabwehr von Kaiserschnittkindern daran liegt, dass sie in einem sterilen Umfeld zur Welt kommen, während Babys bei einer natürlichen Geburt noch im Geburtskanal mit Bakterien der Scheidenflora der Mutter in Kontakt kommen, die über die Schleimhäute aufgenommen werden und den Grundstein für unser Immunsystem bilden. 

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Vaginal Seeding zum Immunaufbau?

Weil dieser Vorgang bei der Geburt per Kaiserschnitt fehlt, wurde vor einigen Jahren das sogenannte Vaginal Seeding populär: Kinder, die per Kaiserschnitt geboren werden, werden direkt nach der Geburt mit Scheidensekret der Mutter behandelt. Zweifelnde Stimmen warnen dagegen immer wieder vor der Gefahr von Streptokokken-Infektionen, die so auf das Neugeborene übertragen werden können. Das verunsichert Eltern: Was kann man denn sonst tun, um das Risiko für chronische Krankheiten bei Kaiserschnittkindern zu senken?

Unterschiede im Immunsystem ab Geburt

Die Wissenschaftler des University College London and der University of Birmingham haben herausgefunden, dass sich die Art der Bakterien, die den Verdauungstrakt besiedeln, bei vaginal und per Kaiserschnitt geborenen Kindern tatsächlich komplett unterscheiden. Das laufende Forschungsprojekt begleitete 600 Kinder ab Geburt und analysierte und verglich ihre Stuhlproben über den ersten Lebensmonat hinweg. Einige von ihnen wurden sogar ein ganzes Jahr lang begleitet. Die Kinder, die auf natürlichem Weg geboren wurden, besaßen fast ausschließlich dieselben gutartigen Bakterien wie ihre Mütter. Was die Wissenschaftler in den Windelproben der Kaiserschnitt-Kinder fanden, ist erstaunlich: Über 30 % der vorhandenen Mikroorganismen waren Bakterien und Viren, die in Krankenhäusern auftauchen, wie die stäbchenförmigen Bakterienarten Klebsiella und Pseudomonas.

Baby’s Immunsystem im ersten Jahr

Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass sich die Mikrobiome der Kinder innerhalb des ersten Lebensjahres immer mehr anglichen, bis nur noch ein geringer Unterschied feststellbar war. Die Wissenschaftler schließen daraus zwei Dinge: Welche Erreger unser Mikrobiom aufbauen, ist kein Zufall, sondern ein biologisch ausgefeilter Prozess. Selbst anders aufgestellte Mikrobiome passen sich im Laufe der Zeit an. Und: Der Moment unserer Geburt ist tatsächlich die Geburt unseres Immunsystems: “Die Hypothese ist, dass der Moment der Geburt eine Art “Thermostat”-Moment ist, der das Immunsystem für das zukünftige Leben festlegt”, erklärte Forschungsmitarbeiter Dr. Nigel Field von UCL der BBC.

Was kann man tun, um Babys einen besseren Start zu geben?

Die Wissenschaftler fanden zudem heraus, dass die natürlich geborenen Babys ebenso wenige vaginale Bakterien der Mutter aufwiesen - und Vaginal Seeding daher unnötig und aufgrund der verbundenen Risiken nicht empfehlenswert ist. Woher stammen also all die gutartigen Bakterien der Babys? Aus dem Kontakt mit dem mütterlichen Stuhl, der während der Geburt ausgeschieden wird. 

Die Forscher hoffen, dass ihr Wissen in Zukunft dafür angewendet werden kann, Babys nach dem Kaiserschnitt einen Cocktail der gutartigen Bakterien zu verabreichen. Dr. Trevor Lawley von UCL sagte im Interview mit der BBC: “Das sind Keime, die uns treu sind und wir sind ihnen treu.” Das Ziel der Studie sei, herauszufinden, welche Bakterien genau von Mutter zu Kind weitergegeben werden. “Das ist kein Zufall, diese Bakterien haben sich eng mit uns weiterentwickelt”, sagte Dr. Lawley. “ Das ist was wir verstehen und erhalten wollen - diese Form der Verwandtschaft zwischen Mutter und Kind.”

Dies sei in keinster Weise eine Schuldzuweisung an Eltern, deren Kinder per Kaiserschnitt zur Welt kamen: die Operation kann der einzige Weg sein, Mutter und Kind das Leben zu retten. Vielmehr ist die Studie eine echte Chance, die damit verbundenen Folgerisiken für Kinder stark zu verringern. Und das wäre eine große Erleichterung für uns Eltern.

Quellen:
Stunted microbiota and opportunistic pathogen colonization in caesarean-section birth 
BBC

Bildquelle: Getty Images