Vom Köpfchenhalten übers Krabbeln und Klettern bis hin zum Fahrradfahren – die motorische Entwicklung, die Kinder in ihren ersten Lebensjahren durchlaufen, ist beeindruckend. Viele Eltern warten gespannt auf den nächsten Entwicklungsschritt und möchten wissen, wann und wie sich die Kleinen ihre fein- und grobmotorischen Fähigkeiten aneignen und wie sie sie in ihrer motorischen Entwicklung unterstützen können.
- 1.Was versteht man unter motorischer Entwicklung?
- 1.1.Grobmotorische Entwicklung
- 1.2.Feinmotorische Entwicklung
- 2.Wann beginnt die motorische Entwicklung?
- 3.Die motorische Entwicklung von Babys im 1. Lebensjahr
- 4.Die motorische Entwicklung von Kleinkindern und Kindern
- 5.Wann ist die motorische Entwicklung abgeschlossen?
- 6.Wie können wir die motorische Entwicklung unseres Kindes unterstützen?
- 6.1.Fördermöglichkeiten der motorischen Entwicklung für Babys
- 6.2.Fördermöglichkeiten der motorischen Entwicklung für Kleinkinder
- 6.3.Fördermöglichkeiten der motorischen Entwicklung für Schulkinder
- 7.Woran erkennen wir, dass die motorische Entwicklung unseres Kindes verzögert ist?
- 8.Warum ist die motorische Entwicklung so wichtig?
Was versteht man unter motorischer Entwicklung?
Unter motorischer Entwicklung versteht man die Entwicklung der Bewegungsabläufe während des Heranwachsens. Dabei wird zwischen Fein- und Grobmotorik unterschieden.
Das Wichtigste vorweg: Kein Stress! Welche Meilensteine der motorischen Entwicklung wann erreicht werden, ist von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. Ihr solltet euch also keine Sorgen machen, wenn euer Baby vermeintlich langsamer ist als andere. Vielleicht ist es gerade zum Beispiel einfach mehr mit dem Spracherwerb beschäftigt als mit dem Laufenlernen. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo.
Grobmotorische Entwicklung
Die grobmotorische Entwicklung bezieht sich auf die "großen" Körperteile. Dazu gehören Kopf, Schultern, Rumpf, Becken, Arme und Beine. Sie beeinflusst das Gleichgewicht, die Schnelligkeit, die Sprungkraft und die Reaktions- sowie Koordinationsfähigkeit. Die grobmotorische Entwicklung startet mit den körperzentralen Muskeln, danach kommen die, die weiter von der Körpermitte entfernt und feiner sind.
Feinmotorische Entwicklung
Die feinmotorische Entwicklung bezieht sich auf die "kleineren" Körperteile und Muskeln wie Finger, Zehen und Gesicht. Sie beeinflusst Geschicklichkeit und Genauigkeit des Kindes und umfasst die Hand-Mund- ebenso wie die Hand-Augen- und die Hand-Hand-Koordination.
Wann beginnt die motorische Entwicklung?
Die motorische Entwicklung beginnt schon im Bauch der Mama. Wenn Föten zwischen 8 und 12 Wochen alt sind, fangen sie an, ihre Motorik zu trainieren, indem sie sich rekeln und strecken. Ihre körperlichen Aktivitäten nehmen immer mehr zu, bis der enger werdende Platz sie vor der Geburt vorerst ausbremst.
Die motorische Entwicklung von Babys im 1. Lebensjahr
Sind die Kleinen dann auf der Welt, werden die angeborenen Reflexe nach und nach von den motorischen Fähigkeiten abgelöst. Dabei läuft diese Entwicklung bei jedem Kind anders ab. Manche eignen sich mehrere Meilensteine parallel an, andere trainieren die motorischen Fertigkeiten Schritt für Schritt nacheinander. Die Reihenfolge, in der sich die Kinder motorisch entwickeln, ist für alle gleich. Bei der Geschwindigkeit gibt es allerdings große Unterschiede. Manche überspringen einzelne Meilensteine sogar, zum Beispiel das Krabbeln.
Dies sind die wichtigsten grobmotorischen Entwicklungsschritte, die Babys bis zum vollendeten 12., manche auch erst bis zum 18. Lebensmonat durchlaufen (da jedes Kind anders ist, sind die Monatsangaben nur grobe Richtwerte):
- In Bauchlage das Köpfchen heben: mit ca. 2-5 Monaten
- Vom Bauch auf den Rücken drehen und später vom Rücken auf den Bauch: ab ca. 6 Monate
- Robben: mit ca. 9 Monaten
- Aktives Sitzen: bis ca. 10 Monate
- Krabbeln: ab ca. 10 Monate
- Ins Stehen hochziehen: bis ca. 12 Monate
- Laufen: zwischen 12 und 20 Monaten
Zu den bedeutenden feinmotorischen Entwicklungsschritten bis zum 1. Geburtstag zählen:
- Die Händchen zusammenführen
- Mit beiden Händen und schließlich mit einer Hand gezielt greifen: mit ca. 5 Monaten
- Einen Gegenstand von der einen in die andere Hand nehmen: mit ca. 6 Monaten
- Scherengriff (das Baby greift mit Daumen und gestrecktem Zeigefinger): mit ca. 8 -12 Monaten
- Pinzettengriff (Zugreifen mit den Fingerspitzen von Daumen und Zeigefinger): mit ca. 9-11 Monaten
- einen Stift in Faust- oder Pfötchenhaltung halten (mit der ganzen Hand): mit ca. 12 Monaten
Die motorische Entwicklung von Kleinkindern und Kindern
Im Kleinkindalter schreitet die grob- und feinmotorische Entwicklung der Kids weiter schnell voran. Bereits erworbene Fähigkeiten werden perfektioniert. Hinzu kommen später Grundformen der sportlichen Motorik, die immer weiter verbessert werden. Unter anderem erlernen Kinder diese grobmotorischen Fertigkeiten:
- Treppen im Nachstellschritt laufen – erst auf-, dann abwärts: ab ca. 18 Monaten
- Hüpfen: ab ca. 1,5-2 Jahren
- Klettern lernen: ab ca. 18 Monaten
- Rennen: mit ca. 2 Jahren
- Auf den Zehenspitzen gehen: mit ca. 2 Jahren
- Treppen im Wechselschritt laufen: mit ca. 3 Jahren
- Balancieren: ab dem 3. Lebensjahr
- Dreirad oder Laufrad fahren: zwischen 1,5 und 3 Jahren
- Auf einem Bein stehen: Üben beginnt im 3. Lebensjahr, sicher klappt's mit ca. 5 Jahren
- Purzelbaum: ab ca. 3 Jahren
- Fahrrad fahren: ab ca. 5 Jahren
- Schwimmen lernen: ab ca. 5 Jahren
- Hampelmann springen: mit ca. 5 Jahren
Die feinmotorische Entwicklung von Kleinkindern und Kindern kennt u. a. diese Meilensteine:
- Mit Besteck essen: mit ca. 1,5-2 Jahren
- Stift in Vier- und Fünfpunktstifthaltung halten (zwischen den Fingern): mit ca. 2 Jahren
- Einen Stift mit drei Fingern halten, beim Malen bewegt sich die ganze Hand: mit ca. 3-5 Jahren
- Einen Kreis, horizontale und vertikale Linien malen: zwischen 2 und 3 Jahren
- Sich selbst anziehen: ab ca. 3 Jahren
- Knöpfe zumachen: ab ca. 4 Jahren
- Turm mit 8 oder mehr Bauklötzchen bauen: mit ca. 3 bis 4 Jahren
- Mit einer Schere an Umrissen entlang schneiden: zwischen 3 und 4 Jahren
- Fangen & Werfen: mit ca. 5 Jahren klappt's ziemlich sicher, davor wird aber auch schon viel experimentiert
- Einen Stift nur mit den Fingerspitzen festhalten, beim Malen bewegen sich nur die Finger: mit ca. 4-6 Jahren
- Schuhe binden: mit ca. 5 Jahren
- Flüssig schreiben: mit ca. 7 Jahren
Wann ist die motorische Entwicklung abgeschlossen?
Die wichtigsten Meilensteine der motorischen Entwicklung erreichen Kleinkinder meist etwa bis zum Schulalter, also zwischen 6 und 7 Jahren. Danach werden die erlernten Fertigkeiten dann nur noch weiter verfeinert.
Wie können wir die motorische Entwicklung unseres Kindes unterstützen?
Fördermöglichkeiten der motorischen Entwicklung für Babys
Das Wichtigste ist es, eurem Kind täglich genug Möglichkeiten zur selbstständigen Bewegung zu geben. Babys brauchen einen gemütlichen und sicheren Platz am Boden und bequeme Kleidung, um ausgiebig strampeln und damit ihre Muskeln stärken zu können. Legt das Baby zum Beispiel auf eine Krabbeldecke und gebt ihm verschiedene Materialien zum Betasten und Fühlen. Spielsachen wie Spielbögen können die Kleinen zum Greifen oder später auch zum Drehen animieren. Und wenn Babys schließlich krabbeln und laufen lernen, tun sie dies am liebsten barfuß oder mit Anti-Rutschsocken. Auch verschiedene Oberflächen sind für die kleinen Entdecker superspannend. So werden sie zum Beispiel durch kitzelndes Gras am Bauch vom Robben zum Krabbeln animiert. Auch pädagogisches Spielzeug kann euer Baby in seiner motorischen Entwicklung spielend unterstützen.
Wie das Bayerische Staatsinstitut für Frühpädagogik betont, gibt es allerdings keinen Hinweis darauf, dass zum Beispiel "Babyturnen oder -schwimmen" einen "fördernden Einfluss auf die motorische Entwicklung" haben. Diese Angebote sind also vor allem dazu da, Eltern und Babys Spaß zu bringen und Kontakte zu fördern. Auch ob ihr euer Baby mehr im Tragetuch tragt oder im Kinderwagen spazieren fahrt, hat keinen Einfluss auf die motorische Entwicklung der Kleinen.
Fördermöglichkeiten der motorischen Entwicklung für Kleinkinder
Für Kleinkinder ist es wichtig, dass sie sich draußen austoben können: rennen, springen, balancieren und klettern. Wenn ihr euer Kind ganz gezielt in der Motorik unterstützen möchtet, gibt es verschiedene Geräte, zum Beispiel Kletterbögen. Auch Fang- und Hüpfspiele, Trampolins, Kriechtunnel oder Pikler-Dreiecke machen eurem Kind Spaß und trainieren seine Motorik. Dabei gilt, auch wenn es schwerfällt: Helft eurem Kind nur so viel, wie es wirklich sein muss. Lasst es selbst ausprobieren, auch mal Fehler machen und steht nur bereit, um es vor großen Gefahren zu schützen. Wichtig ist zudem das Spielen mit anderen Kindern, von denen sich euer Kleines vieles abschauen wird. Auch für die Feinmotorik gibt es unzählige kreative Möglichkeiten, euer Kind zu fördern.
Fördermöglichkeiten der motorischen Entwicklung für Schulkinder
Grundschulkinder sollten sich "täglich 90 Minuten und mehr in moderater bis hoher Intensität" bewegen. " 60 Minuten davon können durch Alltagsaktivitäten, wie z. B. mindestens 12.000 Schritte/Tag, absolviert werden", empfiehlt das Sächsische Kultusministerium. Wenn die Kids ausreichend Bewegung haben, spielen und Sport treiben dürfen, wirke sich dies auch positiv auf ihr Lernverhalten aus.
In allen Altersstufen gilt: Gebt eurem Kind ausreichend spielerische Möglichkeiten, sich motorisch zu entwickeln, z. B. mit diesem Lernspielzeug, das jede Menge Fun bringt. Übt aber bitte keinen Druck aus und überfordert euer Kind nicht.
Wenn ihr euch für eine kindgerechte Förderung der Motorik interessiert, empfehlen wir euch das Buch "Lasst mir Zeit" von Emmi Pikler. Die Kinderärztin vertritt darin den Ansatz, dass es nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich sei, ein Kind in der motorischen Entwicklung voranzutreiben.
Woran erkennen wir, dass die motorische Entwicklung unseres Kindes verzögert ist?
Bei den kinderärztlichen U-Untersuchungen wird die motorische Entwicklung eures Kindes von Anfang an genau beobachtet. Sollte tatsächlich Förderbedarf bestehen, werdet ihr also rechtzeitig angesprochen. In den allermeisten Fällen gibt es keinen Grund zur Sorge, wenn euer Kind in der motorischen Entwicklung etwas langsamer ist als andere. Kinder, die motorisch vorpreschen, hinken oftmals beim Spracherwerb ein wenig hinterher, während kleine "Sprachgenies" oft etwas später krabbeln oder laufen lernen. Der*die Kinderärzt*in kennt Übungen, die die Motorik eures Kindes fördern können.
Manchmal kann aber eine Verzögerung in der motorischen Entwicklung doch eine Krankheit oder ein Handicap des Kindes ans Licht bringen. Dann gibt es fachliche Unterstützung wie Physiotherapie, die eurem Kleinen helfen und auch Spätfolgen vermeiden oder zumindest verringern kann. Wenn ihr euch Sorgen macht, sprecht auf jeden Fall mit eurem*r Kinderärzt*in.
Auch bei den U8- und U9-Untersuchungen und bei der Schulaufnahmeuntersuchung werden die motorischen Fähigkeiten eures Kindes nochmal genau gecheckt.
Warum ist die motorische Entwicklung so wichtig?
Die motorische Entwicklung von Kindern hängt unmittelbar mit den folgenden wichtigen Fähigkeiten zusammen:
- Gleichgewicht
- Beweglichkeit
- Kraft
- Kondition
- Koordination
- Reaktionsfähigkeit
- Schnelligkeit
Die motorische Entwicklung ist dabei nicht nur wichtig, damit das Kind sich irgendwann fortbewegen und sein Leben meistern kann. Sogar schon für das gesunde Heranreifen der Organe, der Muskeln und der Sinne ist Motorik unverzichtbar. Hinzu kommt, dass vor allem in den ersten Lebensjahren die motorische, soziale und persönliche Entwicklung von Kindern stark zusammenhängen. So wirkt sich eine gute motorische Entwicklung auch positiv auf das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen der Kids aus. Sie trauen sich mehr zu, was in der Schule sogar zu besseren Lernerfolgen führen kann.
Quellen: Deutsches Jugendinstitut, Bayerisches Staatsinstitut für Frühpädagogik, Staatsministerium für Kultus, Freistaat Sachsen, Amboss, KiTa Fachtexte
Beim Laufenlernen ist es superwichtig, dass Kinder Schuhe tragen, die ihnen wirklich passen und sie in der natürlichen Bewegung unterstützen. In unserem Video seht ihr, worauf ihr beim Schuhkauf mit Kleinkindern achten solltet:
Bildquelle: Getty Images/Kalinovskiy