Ein internationales Wissenschaftsteam, das fünf Jahre lang den Windelinhalt von 647 dänischen Babys untersucht hat, konnte eine erstaunliche Entdeckung vermelden: Der Babykot enthielt über 10.000 verschiedene Vieren-Arten – die meisten davon waren zuvor unbekannt gewesen.
Viren haben – vor allem seit COVID-19 – einen echt miesen Ruf. Was vielen Menschen jedoch nicht bewusst ist: Die überwiegende Mehrheit der Viren macht weder Menschen noch Tiere krank. Die meisten sind sogenannte Bakteriophagen. Sie machen einen Großteil des menschlichen Mikrobioms aus im Darm – und infizieren ausschließlich Bakterien. Tatsächlich waren etwa 90% der Viren, die in den Windeln der dänischen Babys gefunden wurden, solche Bakterienkiller.
Insgesamt fanden die Forschenden aus Dänemark, Kanada und Frankreich 10.000 Arten verschiedener Virenarten. Und weil es eine ganz schön langweilige Lektüre wäre, alle gefundenen Viren in einer großen Tabelle aufzulisten, gruppierten die Forschenden sie in der neuen Studie in Virusfamilien und -orden zu einem "Atlas der Vielfalt der DNA-Viren im Darm von Säuglingen". Sie fanden 248 Familien, von denen nur 16 bisher bekannt waren. Wer's genau wissen will, kann direkt selber mal reinschauen: Hier findet ihr eine interaktive Version des Atlas.
Wertschätzung für Stuhlproben
248-16=232! So viele neue Virusfamilien gab es am Ende der Studie neu zu taufen. Gar nicht so einfach! Die Forschenden benannten die 232 neu identifizierten Virusfamilien netterweise nach den Kindern, die an der Studie teilgenommen hatten, wie zum Beispiel Sylvesterviridae, Rigmorviridae und Tristanviridae.
Beim Vergleich mit dem Virom gesunder Erwachsener stellten die Forschenden fest, dass nur etwa 800 der 10.000 Viren zuvor entdeckt worden waren. Das bedeutet, dass wenn Babys geboren werden und die ersten Bakteriophagen ihren Verdauungstrakt besiedeln, ihre "Baby-Bakteriophagen" nach und nach durch "Erwachsenen-Bakteriophagen" ersetzt werden.
Dieser Austausch könnte teilweise mit den Bakterien zusammenhängen, die die Viren befallen. Die sogenannten Bifidobacterium-Arten (die wir aus der Milchpulverwerbung kennen) zum Beispiel sind für die Gesundheit von Säuglingen sehr wichtig, denn sie helfen bei der Verdauung von Muttermilch. Es klingt logisch, dass die Viren, die Bifidobakterien infizieren, eher bei Babys als bei Erwachsenen zu finden sind.
Klugscheißer-Wissen für Eltern
1. Jeder Mensch hat sein ganz persönliches Set an Bakteriophagen und anderen Viren im Darm – vergleichbar mit dem Fingerabdruck. Als Identifikationsmittel für Handy und iPad ist das Darm-Mikrobiom aber deutlich ungeeigneter.
2. Das Darm-Virom ist nicht nur einzigartig, es bleibt bei Erwachsenen auch über das ganze Leben stabil, was bedeutet, dass man im Alter das gleiche Set an Viren mit sich trägt wie mit 20.
3. Direkt nach der Geburt ist dieses Virom im Darm allerdings sehr unterschiedlich von dem eines Erwachsenen und stabilisiert sich erst nach einigen Jahren.
Kacken für die Wissenschaft
Dass eine Ladung dänische Babywindeln reicht, um 10.000 neue Virusarten und viele unbekannte Virusfamilien zu finden, zeigt, dass wir wirklich noch sehr wenig über Viren wissen. Aber die Wissenschaft tastet sich ran – Windel für Windel. Und zum Glück geht der Nachschub an Forschungsmaterial so schnell nicht aus.
Quellen: Sciencealert, theconversation.com
Viren, die wie Babys heißen sind die eine Sache. Babys, die wie 'das Leben' heißen, das andere. Die schönsten davon hier im Video: