Spielsachen, Bücher, Schlüssel, Spülbürste, ja, sogar Schuhe – bei meiner Tochter landet alles im Mund, was weniger als einen Meter über dem Boden zu finden ist. Als sie ein Baby war, wusste ich - ganz klar: Orale Phase. Aber warum nehmen Babys eigentlich alles in den Mund? Wie lange dauert diese Phase denn bitte noch und wie steht es um die Hygiene?
Orale Phase: Warum nimmt mein Baby alles in den Mund?
Etwa ab einem Alter von drei Monaten schafft es dein Baby allmählich, seine Bewegungen gezielter zu steuern. Es kann nun die Hände und Finger bewusst zum Mund führen, um an ihnen zu saugen. Außerdem beginnt es schon jetzt damit, Gegenstände, die es zu greifen bekommt, zum Mund zu führen. Im Alter von ungefähr fünf Monaten klappt das schon ganz gut und gezielt. Im Mund angekommen werden die interessanten Objekte dann ausgiebig abgeleckt, angenuckelt und bekaut.
Die Erklärung für dieses Verhalten ist ganz einfach: In diesem Alter ist der Tastsinn über den Mund weitaus besser entwickelt, als der Sehsinn. Dank der vielen sensiblen Nervenenden im Mundraum kann sich dein Baby durch das Ertasten eines Gegenstandes mit Lippen, Zunge und Gaumen ein Bild von ihm machen. Dabei untersucht es seine Beschaffenheit, seine Konsistenz, den Widerstand beim Kauen und natürlich auch den Geschmack.
Dinge mit dem Mund entdecken: wichtig für Babys Entwicklung
Mal ganz abgesehen davon, dass es die Kleinen natürlich furchtbar spannend finden, alles Unbekannte genauestens zu untersuchen, ist das In-den-Mund-Nehmen auch für die motorische Entwicklung sehr wichtig. Indem sich dein Baby immer wieder etwas zum Mund führt, übt es sich nämlich im Greifen und in der Hand-Auge-Koordination.
Anfangs klemmt es sich die Dinge noch zwischen Daumen und Handfläche. Etwa ab dem 9. Monat können Babys die Bewegungen ihrer Fingerchen so gut koordinieren, dass sie Gegenstände mit Daumen und Zeigefinger - dem sogenannten Pinzettengriff zielsicher zum Mund führen können.
Zusätzlich zur Hand-Auge-Koordination und der Feinmotorik trainiert dein Kleines beim Lutschen und Kauen auch die Beweglichkeit von Zunge, Lippen und Kiefer – die perfekte Vorbereitung um schon bald feste Nahrung zu kauen und das Sprechen zu lernen.
Orale Phase: Safety first!
Biete deinem Baby immer wieder neue spannende Dinge zum Untersuchen an, bevorzugt solche mit lebhaften Oberflächen wie Rillen oder Löchern. Hauptsache, man kann es mit kleinen Fingerchen gut greifen. Altersgerechtes Babyspielzeug ist häufig schon mit verschiedenen Materialien ausgestattet, die die Kleinen ohne Bedenken in den Mund nehmen können. Bei „Erwachsenden-Dingen“, wie zum Beispiel einer sauberen Haarbürste, achte darauf, dass sich keine Kleinteile davon lösen und verschluckt werden könnten.
Überhaupt ist Kindersicherheit spätestens dann ein wichtiges Thema, wenn dein Baby krabbeln kann. Verschluckbare Kleinteile, und dazu zählen auch bestimmte Nahrungsmittel wie Süßigkeiten, Nüsse oder Weintrauben, sollten für dein Baby ebenso wenig erreichbar sein, wie scharfe, spitze oder sonst wie gefährliche Gegenstände.
VORSICHT gilt insbesondere auch für Arzneimittel: Bunte Pillen haben verlockende Ähnlichkeit mit Bonbons. Der Verzehr von Putz- und Reinigungsmitteln, Zigaretten, Alkohol, giftigen Pflanzen und Pilzen kann ebenfalls schwere Folgen haben. Daher checke den Krabbelbereich deines Babys lieber einmal mehr auf gefährliche Dinge, die es in die Finger und damit auch in den Mund kriegen könnte.
Außerdem empfiehlt es sich auch außerhalb der oralen Phase, die Nummer vom Giftnotruf im Handy gespeichert zu haben.
Wie lange dauert die orale Phase?
Die Lust, erst einmal in jedes neu entdeckte Objekt hineinzubeißen, lässt noch lange nicht nach, wenn dein Kind durch die Wohnung krabbelt – und natürlich erst recht nicht, wenn es mit am Esstisch sitzt. Dazu gehört, dass Brei, Brot oder Obst nicht ohne Kleckern ins Mündchen wandern – und wieder heraus und wieder hinein. Du kennst das bestimmt. Lasse dein Kind diesen Entdeckerdrang ausleben :) Denn wenn nicht beim Essen nach Herzenslust mit den Händen UND dem Mund untersucht werden darf, wann dann?
Ein Hoch hat die orale Phase in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres. Auch, weil dann die ersten Zähnchen wachsen und das Herumkauen etwas Linderung bei Schmerzen verschafft. Sogar im zweiten Lebensjahr untersuchen Kinder neue Dinge gern mal mit dem Mund.
Selbst Mütter von Vierjährigen verstehen manchmal die Welt nicht mehr, wenn ihr Sprössling gedankenverloren an der Scheibe im Bus oder am Rolltreppen-Geländer im Einkaufscenter leckt. Dabei haben sie ihnen schon hundertmal gesagt, dass das alles andere als gesund sei.
Doch auch die nicht mehr ganz so kleinen Kids gehen hier ja nur ihrem natürlichen Entdeckertrieb nach. Noch etwa bis zum fünften Lebensjahr können Kinder mit Mund und Zunge die Beschaffenheit eines Materials besser erforschen als mit ihren Händen. Dein Kind ist also nicht komisch, verkehrt oder "noch ein Baby" wenn es selbst im Kindergartenalter Dinge in den Mund stecken, die dort eigentlich nicht hingehören.
Alles in den Mund stecken: Ist das nicht unhygienisch?
Babys Umgebung muss sauber sein – aber nicht steril. Die meisten Keime, mit denen dein Kind in Berührung kommt, stärken seine Abwehrkräfte. Inzwischen führen Wissenschaftler die hierzulande deutliche Zunahme an allergischen Erkrankungen unter anderem auf übertriebene Hygiene zurück.
In Maßen aufgenommen, hat harmloser Schmutz insofern eine heilsame Wirkung, als dass auch den Neugierigsten wenige Kostproben genügen. Ob Mamas Stöckelschuhe oder das Spielzeug im Sandkasten allerdings zum Ablecken herhalten sollte, bleibt Ansichtssache. Nur so viel: Es kommt nach solchen Kontakten erstaunlich selten zu einer ernsthaften Erkrankung.