Wenn Babys vor allem in den ersten Monaten exzessiv weinen und sich in ihren Schreiattacken kaum noch beruhigen lassen, spricht man von sogenannten 3-Monats-Koliken. Ob aber wirklich Bauchweh hinter dem heftigen Weinen steckt, was ihr tun könnt, um eurem Kleinen beizustehen und wann ihr das Schlimmste hinter euch habt.
Wie erkenne ich 3-Monats-Koliken?
Wenn euer ansonsten gesundes Baby vor allem am späten Nachmittag oder abends nach dem Füttern heftige Schreiattacken bekommt und sich über Stunden nicht beruhigen lässt, nennt man das umgangssprachlich "3-Monats-Koliken". Mediziner*innen sprechen davon, wenn das Schreien über drei Stunden täglich, mindestens dreimal wöchentlich und über eine Dauer von mehr als drei Wochen anhält.
Darum sind 3-Monats-Koliken ein Mythos
Die früher vertretene Meinung, dass dem Schreien wirklich Bauchschmerzen, also Koliken, zugrunde liegen, gilt heute weitgehend als widerlegt und der Begriff als irreführend. Denn inzwischen gehen Mediziner*innen davon aus, dass es sich stattdessen um eine sog. Regulationsstörung handelt, und ein harter Bauch und Blähungen die Folgen des Schreiens, nicht dessen Ursachen sind.
Was ist eine Regulationsstörung?
Keine Panik – "Regulationsstörung" klingt jetzt erstmal schlimmer als es in Wirklichkeit ist. Es bedeutet, dass das Baby die in diesem Alter normalerweise bereits vorhandene Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen, noch nicht ausgebildet hat. Die betroffenen Kinder sind sensibler und reagieren empfindlicher auf Umweltreize als Gleichaltrige. In aller Regel sind Regulationsstörungen aber harmlos und relativ häufig: Sie betreffen rund 15-25 % der Babys in den ersten drei Lebensmonaten.
Wichtig: Ihr als Eltern seid nicht "schuld" an der Regulationsstörung! Studien haben ergeben, dass Eltern von Kindern mit 3-Monats-Koliken nichts anders machen als Babys ohne die Störung.
Allerdings steht euch tatsächlich eine herausfordernde Zeit bevor. Deswegen ist es wichtig, dass ihr immer auf euch achtet und euch Hilfe holt, wenn ihr sie braucht. Hebamme und Kinderärztin sind die ersten Anlaufstellen. Außerdem gibt es Schreibabyambulanzen und Expert*innen für Schreibabys, die euch unterstützen können.
Was kann man gegen 3-Monats-Koliken machen?
Da die Ursachen für die sog. 3-Monats-Koliken nicht abschließend geklärt sind und sich vermutlich auch von Baby zu Baby unterscheiden, hilft nur: Ausprobieren, was eurem Kind Linderung verschafft und dem Kleinen Zeit geben. Mit den folgenden Tipps machen viele Eltern gute Erfahrungen:
- Ruhig bleiben: Eindeutig leichter gesagt als getan. Versucht trotzdem, Ruhe auszustrahlen, die überträgt sich auf euer Kind. Haltet euer Baby nah bei euch, gerne auf der Herzseite, und atmet tief und langsam.
- Reizarmes Umfeld: Lasst den Alltag möglichst ruhig angehen, überfordert euch nicht mit zu viel Besuch, sorgt für einen geregelten Ablauf und achtet darauf, dass euer Baby tagsüber nicht zu vielen Reizen ausgesetzt ist. Vor allem während des Fütterns empfiehlt sich eine ruhige Umgebung ohne Radio- und TV-Lärm.
- Babymassage: Haut-zu-Haut-Kontakt ist wunderbar fürs Baby – eine liebevolle Babymassage kann sogar noch mehr: Die wohldosierten Berührungen mit direktem Augenkontakt fördern die Bindung und das Verständnis fürs Kind und können ihm bei der Stressverarbeitung helfen. Durch gezielte Handgriffe bessern sich Bauchkrämpfe und Blähungen. Sie stimulieren die Verdauung und das Immunsystem und regen die Hautdurchblutung an.
- Koffein reduzieren: Koffein kann einen Einfluss auf Regulationsstörungen haben. Bei gestillten Kindern kann es daher helfen, wenn die Mama den Konsum von Koffein z. B. in Tee, Kaffee, Cola und Schokolade, reduziert.
- Schnuller: Möglicherweise möchte das Baby weitersaugen, auch wenn das Bäuchlein schon voll ist. Dann kann der "Beruhigungssauger" evtl. helfen.
- Pucken: In Untersuchungen ließ sich beobachten, dass Schreibabys durch die enge Wickeltechnik schneller beruhigt werden konnten und die Schreidauer insgesamt deutlich abnahm.
- Schaukeln: Vielen Babys tun schaukelnde Bewegungen gut, z. B. durch Tragen im Fliegergriff, in einer Federwiege oder im Tragetuch.
- Musik: Forschende der Universität Montreal haben herausgefunden, dass Musik Babys länger beruhigt als Sprache. Auch geht man davon aus, dass auch die emotionale Entwicklung gefördert und die Bindung gestärkt wird. Probiert also ruhig mal aus, eurem Kleinen etwas vorzusingen.
- Weißes Rauschen: Durch den konstanten White Noise fühlen sich viele Babys sicher und geborgen, da er sie an den Geräuschpegel im Mutterleib erinnert. Gleichzeitig wird Reizüberflutung entgegengewirkt, da für das Baby ungewohnte, fremde Umgebungsgeräusche, z. B. Verkehrslärm oder auch lärmende Geschwister oder Nachbarn, abgemildert werden.
- Wärme: Manche Babys lassen sich durch ein warmes Bad oder ein Kirschkernkissen beruhigen.
- Bäuchlein beruhigen: Wenn ihr die Vermutung habt, dass euer Baby aber doch Bauchschmerzen hat, probiert gerne die Tipps unserer Kollegin Maike Mauer aus.
Wichtig: Prüft immer auch, ob es andere Gründe geben könnte, warum das Baby weint. Lasst Krankheiten wie das KiSS-Syndrom, Mittelohrentzündung und eine Milcheiweißallergie ärztlich ausschließen. Checkt auch, ob die Windel voll ist oder das Baby aus einem anderen erkennbaren Grund Schmerzen hat. Braucht es Zuwendung? Liegt es an diesen Gründen, könnt ihr entsprechend handeln und euer Baby beruhigt sich wieder.
Gibt es Medikamente gegen 3-Monats-Koliken?
Als Folge des exzessiven Schreiens können Verdauungsprobleme auftreten. In Absprache mit eurer Kinderärztin könnt ihr dann folgende Medikamente ausprobieren. Eine garantierte Wirksamkeit gibt es aber nicht:
- Antischaummittel: Die angerührte Milch in der Flasche darf nicht zu schaumig sein, wenn sie gefüttert wird. Bewährt hat sich Simeticon, z. B. in sab simplex oder Lefax.
- Probiotika: Probiotische Tropfen wie BiGaia können zum Aufbau einer ausgewogenen Darmflora beitragen. Die Wirksamkeit von Probiotika bei 3-Monats-Koliken wurde in Studien nachgewiesen.
- Anticholinergika: Dieser Wirkstoff hemmt die Darmtätigkeit und kann daher ggf. helfen, hat jedoch unerwünschte Nebenwirkungen, weswegen er kaum noch empfohlen wird.
- Homöopathie: Die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel ist wissenschaftlich nicht bewiesen. Trotzdem haben viele Eltern gute Erfahrungen damit gemacht, z. B. mit Kümmelzäpfchen.
Vorsicht bei Fenchel: Die europäische Arzneimittelagentur EMU rät von Fencheltee oder -extrakt entgegen früherer Empfehlungen ab. Der enthaltene Stoff Estragol kann für unter Vierjährige gefährlich sein.
Eine Mutter muss doch wissen, was ihrem Baby fehlt? Warum der angeborene Mutterinstinkt ein Mythos ist, erfahrt ihr im Video:
Wann sollte ich mit dem Baby zum Arzt, weil es 3-Monats-Koliken hat?
Die 3-Monats-Koliken sind ungefährlich fürs Baby, solange es ausreichend trinkt und sich gut entwickelt. Bei diesen Symptomen solltet ihr allerdings zum Kinderarzt:
- das Baby nimmt nicht genug an Gewicht zu
- es trinkt nicht ausreichend
- das Schreien klingt plötzlich anders
- das Schreien hält über drei Stunden an
- zum Schreien kommen andere Beschwerden (Fieber, Durchfall, Erbrechen, Verstopfung) hinzu
Wo bekomme ich Hilfe für ein Schreibaby?
Ewiges Schreien geht an die Substanz, das wird niemand abstreiten. Lass dich aber niemals dazu hinreißen, das Kind zu schütteln! Nicht nur ein bisschen, nicht nur ganz kurz! Das Schütteltrauma ist immer noch eine der häufigsten Todesursachen bei Säuglingen. Wenn du merkst, dass du die Nerven verlierst, lege dein Kind an einem sicheren Ort ab und verlasse den Raum, um dich zu beruhigen und neue Kraft zu sammeln. Scheue dich nicht, angebotene Hilfe anzunehmen und dein Kind in Schreiphasen auch mal an den Partner oder die Partnerin, die (Schwieger-)Eltern oder hilfsbereite Freund*innen abzugeben. Professionelle Hilfe bei Schreibabys bieten die Schreiambulanzen.
FAQ zu 3-Monats-Koliken
Wann sind die 3-Monats-Koliken am schlimmsten?
Wann sind die 3-Monats-Koliken vorbei?
Wie lange dauern 3-Monats-Koliken?
Werden die 3-Monats-Koliken zum Ende hin schlimmer?
Wir recherchieren mit großer Sorgfalt und nutzen nur vertrauenswürdige Quellen. Die Ratschläge und Informationen in diesem Artikel ersetzen keine medizinische Betreuung durch entsprechendes Fachpersonal. Bitte wendet euch bei gesundheitlichen Fragen und Beschwerden an eure Ärztinnen und Ärzte, Hebammen oder Apotheker*innen, damit sie euch individuell weiterhelfen können.
Quellen: AOK, DocCheck Flexikon, Apotheken.de