Allem vorweg: Stillen ist wundervoll. Auch wir bei familie.de sind große Still-Fans, schließlich kann es enorme Vorzüge für Mama und Kind haben. Einer aber, den wir von gut meinenden Stimmen immer mal wieder hören, stimmt einfach nicht: Stillen ist nicht kostenlos.
Klar, Muttermilch kostet eigentlich nichts – schließlich produziert sie unser Körper von selbst. Theoretisch müssen stillende Familien also für Babymahlzeiten nichts bezahlen, so wie das bei teurer Säuglingsnahrung der Fall ist. Aber auch, um Babys mit der Brust füttern zu können, kann für Familien einiges an Produkten und Behandlungen hinzukommen. Das sind Kosten, die für Eltern genauso selbstverständlich dazugehören, aber die gesellschaftlich weniger sichtbar sind als die Flaschenmilch im Warenkorb. Aber wie teuer ist es denn, zu stillen? Leider gibt es kaum Statistiken zu dem Thema. Wir haben uns deshalb 8 Dinge angesehen, die in der Stillzeit Geld kosten – und wie viel wir im Schnitt dafür ausgeben.
Natürlich braucht nicht jeder alles und manche Stillmama braucht vielleicht gar nichts davon. Deshalb schwanken die Kosten fürs Stillen ganz individuell von ein paar Euro bis über hundert Euro (wenn z. B. eine IBCLC-Stillberatung nötig ist).
#1 Mamas erhöhter Nährstoffbedarf
Die Muttermilchproduktion verlangt dem Körper einiges ab und der Kalorienbedarf ist in der Stillzeit um bis zu einem Viertel erhöht. Um gleichzeitig dem erhöhten Nährstoffbedarf gerecht zu werden, setzen viele Mamas auf Stillvitamine und Eisensaft. Bei günstigen Drogerie-Produkten kommt man so auf ca. 10 € pro Monat, Markenprodukte kosten schnell über 40 €. Vegetarische und vegane Mamas nehmen dazu zusätzlich oft Vitamin B-12 ein – für rund 3 € im Monat.
#2 Erstausstattung
Besonders für die ersten Tage und Wochen der Stillzeit brauchen Mütter jede Unterstützung, die sie bekommen können – auch in Form von Hilfsmitteln. Denn nicht immer klappt es gleich perfekt mit dem Stillen. Brustwarzensalbe (je nach Marke 5-15 €), Kühlkompressen (ab 7 €) und Heilwolle (ca. 4 €) stecken in fast jeder Kliniktasche. Dazu kommen können Stillhütchen (ab 6 €), Brustwarzenschoner (25 - 40 €) und der Klassiker: Stilltee (ab 4 € pro Packung).
Natürlich kann man zum Kühlen auch einfache Kühlpads nutzen, aber gerade bei wunden Brustwarzen sind die speziellen Teile oft angenehmer. Brustwarzenschoner, sogenannte Still-Donuts, lassen sich übrigens auch prima selber basteln. Frag mal deine Hebamme danach.
#3 Alltägliche Stillausrüstung
Was, man braucht noch mehr Ausrüstung zum Stillen?! Klar, denn Stillbrüste laufen in den unangenehmsten Situationen aus. Deshalb tragen die meisten Mamas Stilleinlagen – entweder zum Wegwerfen (ab 12 € für 100 Stück) oder zum Wiederverwenden (5 - 25 € je nach Art und Anzahl). Nicht nur, weil gestillte Babys viel spucken sondern auch, weil die Brust nachts oft ausläuft, ist ein Maxipack Spucktücher (13 bis 20 €) essenziell.
Und nicht zu vergessen, unser Kindle und Netflix-Abo (Kleiner Scherz, aber ja, gerade bei nächtlichen Stillsessions halten sich viele Mamas mit Serienmarathons und tollen Büchern über Wasser).
#4 Stillkleidung
Die meisten stillenden Mamas haben mehrere Still-BHs, Still- Shirts, Still-Kleider und Still-Nachthemden im Schrank. Ok, theoretisch geht es auch ohne: Das T-Shirt ist schnell hochgeschoben, der normale BH lässt sich umklappen. Aber in der Praxis sieht es anders aus. Öffentliches Stillen funktioniert gerade in der Anfangszeit mit Stillkleidung besonders schnell und diskret. Und dann sind da all die Mamas, die in der Stillzeit wieder arbeiten: Jede, die schon einmal am Arbeitsplatz abgepumpt hat, weiß, dass es mit Stillkleidung viel einfacher geht.
Viele Stillmamas haben mehrere BHs und ein paar Kleidungsstücke zu Hause. Selbst, wenn wir nur einen Still-BH kaufen: Unter 15 € sind sie kaum zu haben, die meisten bequemen kosten sogar ca. 30 €. Auch die günstigsten Still-Tops und Shirts fangen bei 10 € an, schöne Oberteile und Kleider fürs Office kommen aber schnell auf 50 € oder mehr. Optional sind dann noch Stillnachthemd (ab 10 €), Stillkleider (ab 20 €) und Stillpullover (ab 15 €).
#5 Milchpumpen und Co.
Eine Milchpumpe ist beim Stillen kein absolutes Muss, gehört aber für drei Viertel der stillenden Mütter (Studie von Medela) zum Alltag dazu. So kann der nicht-stillende Elternteil einige Mahlzeiten übernehmen, wenn der stillende nicht im Haus ist oder eine Pause braucht. Aber auch z. B. Frühchen-Eltern, bei den unterschiedlichsten Stillproblemen und stillende Working Mums sind auf Abpumpen angewiesen. Wenn Mama eine medizinische Behandlung braucht, die eine Stillpause erfordert, hilft ein Vorrat im Kühlschrank oft über die Auszeit hinweg – und regelmäßiges Pumpen hält die Milchbildung aufrecht, bis Baby wieder trinken kann.
Wenn ein Milchstau oder eine Mastitis kurzzeitiges Abpumpen erforderlich machen, kann die Milchpumpe oft ärztlich verschrieben werden – aber nur für kurze Zeit. In allen anderen Fällen und auch bei anhaltenden Problemen kommt man um die Anschaffung einer eigenen kaum herum. Handpumpen kosten dabei 8-30 €, elektrische Pumpen reichen von 25 € bis 180 €, manche besonders intelligente Doppelpumpen sogar bis über 500 €.
Übrigens ist auch eine Milchpumpe auf Rezept nicht ganz kostenlos - auch in diesem Fall müsst ihr auf eigene Kosten ein Pump-Set, welches auf die geliehene Pumpe aufgesteckt wird, kaufen. Kosten: ca. 30 €.
#6 Muttermilch-Aufbewahrung
Mamas, die abpumpen, benötigen neben Fläschchen fürs Baby (ab 5 € pro Stück) Behälter zum Aufbewahren. Beliebt sind Milchbecher und Muttermilchbeutel (ca. 7 €), die sich einfrieren lassen. Aber auch viele Mamas, die keine Milchpumpe verwenden, benötigen die Aufbewahrung. Z. B. wenn sie bei einem Milchüberschuss, einer Brustentzündung oder beim Abstillen Milch ausstreichen.
#7 Milchstau
Man wünscht ihn keiner Mama, aber er ist leider gerade im Wochenbett und in den ersten sechs Monaten der Stillzeit ziemlich häufig: Der Milchstau. Ist ein Milchkanal z. B. durch ein Milchbläschen blockiert, kann er sich leicht entzünden und die Brust wird hart und heiß. Unbehandelt kommt es so schnell zu einer Mastitis, die für die Stillzeit ein echter Notfall sein kann. Deshalb brauchen Stillmamas eine solide Grundausstattung zur Vorbeugung: Kühlpads (ca. 10 €) und Kirschkernkissen (ca. 4 €) helfen bei ersten Beschwerden. Dazu kommen Hausmittel wie Quark oder Kohlwickel, Retterspitz und Co.
#8 Stillberatung und Behandlungen
Bei vielen Stillproblemen können die Hebammen in der Geburtsklinik und im Wochenbett helfen. Aber oft ist es wichtig, bestimmte Anlaufschwierigkeiten direkt mit einer qualifizierten Stillberaterin zu klären, bevor sich die Probleme verfestigen. Deshalb ist jede Behandlung (ca. 70 €/ Stunde), die man als Stillmama bekommen kann, auch unbezahlbar. Viele Babys mit Stillproblemen profitieren auch von einer oder mehreren Behandlungen beim Osteopathen, denn schon kleinste Verspannungen oder z. B. Nackenprobleme können extreme Schwierigkeiten beim Trinken bedeuten. Meist muss die Behandlung privat bezahlt werden und kostet bis zu 80 €, in vielen Fällen übernimmt die Krankenkasse aber einen Teil.
Achtung: Kinderärzte und Frauenärzte geben auch gerne mal kostenlose Tipps zum Thema Stillen und Beikost. Aber nicht immer die richtigen. Wir haben 15 Ratschläge von Ärzten aufgedeckt, die stillende Mamas lieber nicht befolgend sollten.
Fazit: So viel geben Mütter fürs Stillen aus
Jede Stillbeziehung und jede Stillzeit ist individuell. Wenn sie ganz ohne Schwierigkeiten und mit minimalistischer Ausrüstung abläuft, kann sie vergleichsweise wenig und sogar unter 100 € kosten. An unserer Aufstellung seht ihr aber deutlich: Der Großteil der Mütter dürfte mehrere Hundert Euro ausgeben, schließlich können kleinere und größere Stillprobleme sehr häufig und unverhofft auftreten. Und über 75 % aller Stillmamas, nämlich Working Mums und alle, die regelmäßig abpumpen, sind auf eine noch teurere Ausrüstung angewiesen, um ihren Alltag zu bestreiten.
Weshalb ist uns das so wichtig?
Stillen kostet also nicht nichts. Die Babyzeit ist eine wunderschöne, aber auch körperlich und emotional anstrengende Zeit für alle Mamas – egal, ob sie stillen oder nicht. So ein Satz wie: "Stillen ist ja kostenlos" ist schnell gesagt und oft sogar gut gemeint. Aber er hilft niemandem weiter, sondern baut Druck und Erwartungshaltungen auf, die Eltern gerade im Wochenbett unnötige Zeit und Energie kosten. Denn Stillen klappt selten auf Anhieb und ist schon gar nicht kostenlos – und das ist völlig normal so. Wir alle investieren alles, was wir haben, in das Wohlergehen unserer Kinder – das kann auch laut und deutlich so gesagt werden.
Das Leben mit Baby bringt jede Menge wundervolle und anstrengende Veränderungen und Challenges mit sich:
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