Eine Mutter, die ihr 3-jähriges Kind in der Öffentlichkeit stillt, wird häufig noch schräg angeschaut. Fotografin Jade Beall widmet stillenden Müttern seit Jahren ein Fotoprojekt und zeigt auch sich selbst beim Stillen ihres Sohnes. Mit ihren wunderschönen Aufnahmen kämpft sie gegen Vorurteile und möchte das Tabu des Langzeitstillens brechen.
Das Wunder des Stillens
Die amerikanische Body-Positivity-Fotografin Jade Beall fing nach der Geburt ihres Sohnes 2012 an, Frauen beim Stillen fotografisch zu porträtieren. Mittlerweile hat sie über die Jahre zahlreiche großartige Stillfotos von den unterschiedlichsten Frauen überall auf Welt gesammelt und teilt diese immer noch regelmäßig auf Facebook.
Damit möchte sie zeigen, wie stark Frauen sind, die ganz besondere Beziehung zu ihren Kindern und dass Stillen das Normalste auf der Welt ist. Für Fotos von Frauen, die vor allem ältere Kinder stillen, erhält sie immer noch viele kritische und negative Kommentare. Das zeigt, dass Langzeitstillen immer noch nicht gesellschaftlich akzeptiert, sondern stark umstritten ist.
Ich habe mich schon Monate nach der Geburt meines Sohnes im Jahr 2012 in die Stillfotografie verliebt. Ich wurde besessen davon, als ich merkte, wie wenig ich mich zu diesem Zeitpunkt selbst gesehen hatte. Diese 10 Fotos sind von schönen, mutigen Müttern, mit denen ich das Privileg hatte, im Laufe der Jahre zusammenzuarbeiten. Vielen Dank, vielen Dank, vielen Dank.
Jade Beall
"Es gibt immer einen Kerl, der meint, er wüsste besser als ich, was ich mit meinem Körper tun sollte"
Jade selbst ist Mutter eines Sohnes und einer kleinen Tochter. Als sie kürzlich die Bilder nochmal teilte, auf denen sie ihren 4-Jährigen Sohn stillte, bekam sie wiederholt negative und übergriffige Kommentare und E-Mails. Zum einen von Männern, die ihr mitteilten, sie solle ihrem Sohn mit vier doch etwas zu essen geben. Zum anderen von einer Frau, die ihr sogar den Tod wünschte. Stillfotos scheinen einen sensiblen Nerv bei einigen Leuten zu treffen und wirklich ein Tabu zu brechen. Denn Stillen ist ja weltweit kulturell ganz unterschiedlich bewertet, in manchen Ländern ist es ganz normal, dass Kinder auch über das Säuglingsalter hinaus gestillt werden. Doch in der westlichen Welt galt es vor allem mit Aufkommen der Säuglingsnahrung eher als verpönt.
Doch Jade erhält glücklicher Weise auch viel Zuspruch von Frauen, die selbst lange gestillt haben und dafür sogar von der eigenen Familie angefeindet wurden. Die Fotografin trägt mit ihren Fotos ihren Teil zu einer gesellschaftlichen Debatte bei, die aus einem eigentlich privaten Vorgang ein öffentliches Thema macht.
Worum geht es eigentlich in der Stillkritik?
Warum sich einige Menschen derart von stillenden Frauen provoziert fühlen, kann viele Gründe haben. Dabei ernten vor allem jene Frauen schräge Blicke, die ein Kind über den ersten Geburtstag hinaus die Brust geben. Aus ärztlicher Sicht ist das vollkommen okay und hat für ein Kind keinerlei negative Auswirkungen – im Gegenteil. Meistens dient das Stillen dann ja nicht mehr der grundsätzlichen Ernährung, sondern ist Trost- und Ruheort. Wenn das Kind es möchte und die Frau noch Milch hat, spricht also gesundheitlich nichts dagegen.
Es ist wohl eher das öffentlich machen dieses Vorgangs, das viele so stört. Sie fühlen sich davon aus vielen ethischen Gründen provoziert, die vielleicht nicht immer genau zu bestimmen sind. Manche sehen darin vielleicht auch eine sexuelle Komponente, wo gar keine ist. Doch hat man dann das Recht, eine Frau dafür derart anzugreifen, wenn sie entscheidet, in der Öffentlichkeit ihr 4-Jähriges zu stillen? Sicherlich kommt es auch immer darauf an, wo das geschieht. Es gibt Mittel und Wege sich beim Stillen zu bedecken. Doch ob man diese nutzen will, bleibt doch jeder Frau selbst überlassen.
Jede Mutter sollte es handhaben, wie sie sich wohlfühlt
Jede Mutter hat ihre eigene Meinung zum Stillen in der Öffentlichkeit. Manche fühlen sich dabei total wohl und haben kein Problem, auch ältere Kinder überall zu stillen. Andere wiederum bedecken sich lieber und möchten ihre Privatsphäre wahren. Beide Varianten sollte man akzeptieren. Wider andere Mütter können nicht stillen oder haben sich bewusst dagegen entschieden. Auch dies ist okay, denn es ist unsere ureigene private Entscheidung. Das Stillthema sollte nicht als idealisierte Scheindebatte geführt werden, doch es wird immer noch vielerorts sehr emotional diskutiert bzw. werden Stillende wie Nicht-Stillende Mütter teilweise ver- und beurteilt. Dabei geht es letztlich doch immer um das Wohl des Kindes und der Mutter.
Persönliche Wahl
Jade leistet mit ihrem Fotoprojekt einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Wahrnehmung von Stillen und zeigt damit, dass es das Normalste der Welt ist. Dass sich einige von ihren Fotos provoziert fühlen, zeigt nur, dass diese Debatte offen geführt werden muss, da es hier scheinbar noch so viel Diskussionsbedarf gibt. Ich bin dafür, dass jede Mutter selbst entscheidet bzw. wählt, ob, wann und wie lange sie ihr Kind stillt. Solange es den beiden gut dabei geht, ist doch alles in Ordnung. Ich halte es für sehr unangebracht und übergriffig, dass man Künstlerinnen wie Jade, die diese persönliche Wahl öffentlich machen, derartige Kommentare sendet.
Bildquelle: © Jade Beall