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Op: ja oder nein?

Verkürztes Zungenbändchen beim Baby: Darum sollte eine Durchtrennung nicht überstürzt werden

Verkürztes Zungenbändchen Baby
© Getty Images/Chalabala

Stillschwierigkeiten werden manchmal auf ein verkürztes Zungenbändchen zurückgeführt. Welche Symptome darauf hindeuten, wann eine operative Durchtrennung in Betracht gezogen werden kann und wie das Stillen möglicherweise auch mit einem zu kurzen Zungenband gelingt.

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Ist ein verkürztes Zungenbändchen beim Baby schlimm?

Etwa 8 Prozent der Neugeborenen, darunter etwas mehr Jungen als Mädchen, kommen mit einem verkürzten Zungenbändchen (Ankyloglossie) zur Welt. Bei dieser "oralen Restriktion" unterscheidet man zwischen zwei Arten:

  1. Anteriores Zungenbändchen: Das Band setzt zu nah an der Zungenspitze an und ist daher zu straff. Die Zunge sieht beim Herausstrecken eingekerbt oder herzförmig aus.
  2. Posteriores Zungenbändchen: Davon spricht man, wenn das Zungenbändchen zwar weit genug hinten sitzt, aber zu straff oder zu dick ist. Die Zunge kann sich nicht uneingeschränkt bewegen.
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Allerdings tun sich Mediziner*innen mit der Klassifizierung, wie eine "normale" Zunge auszusehen hat, schwer, so dass "Fehlbildungen" oft nicht eindeutig sind.

Nicht jedes Kind mit einem außergewöhnlichen Bändchen hat Probleme. Doch bei einigen kommt es durch das verkürzte Zungenband zu Beeinträchtigungen.

Das können sein:

  • Probleme beim Stillen: Das Stillen dauert länger, ist ineffektiver und für die Mama nicht selten schmerzhaft. Auch bei der Einführung der Beikost können durch verkürzte Zungenbändchen Beeinträchtigungen entstehen. Die betroffenen Kinder können die Nahrung mit der Zunge im Mund nicht richtig bewegen und lehnen daher z. B. feste Konsistenzen ab, würgen oder verschlucken sich öfter.
  • Zahnfehlstellungen: Durch ein zu kurzes Zungenbändchen können Zähne und Kiefer verformt und im Lauf des Lebens Nacken-, Rücken- oder Kopfschmerzen verursacht werden.
  • Höhere Infektneigung: Wenn das Zungenband sehr kurz ist, kann das dazu führen, dass das Kind regelmäßig durch den offenen Mund atmet (chronische Mundatmung). Hierdurch kommt es öfter zu Atemwegsinfektionen und Mittelohrentzündungen und auch das Risiko für Karies, Kieferfehlstellungen und Zahnfleischentzündungen scheint erhöht zu sein.
  • Ausspracheprobleme: Ein sehr kurzes Zungenband steht in Verdacht, zu Schwierigkeiten beim Sprechen, z. B. lispeln, zu führen. Allerdings ist die Studienlage dazu dünn – anscheinend sind nur wenige Kinder betroffen.

Wie erkenne ich ein zu kurzes Zungenbändchen beim Baby?

Es gibt bestimmte Merkmale im Verhalten und in der Optik, die auf ein verkürztes Zungenbändchen bei deinem Baby hinweisen. Dies sind häufige Symptome:

  • Die Zunge hat eine besondere Form.
  • Kinder mit einem fehlgebildeten Zungenbändchen haben oft einen hohen, schmalen Gaumen.
  • Die Zunge bleibt meistens im Mund und reicht nicht über die Lippen hinaus, was für effektives Saugen notwendig wäre.
  • Das Baby "verliert" die Brust oft, rutscht ab und man kann ein Klicken oder Schnalzen hören.
  • Das Kleine schafft es nicht, über einen längeren Zeitraum zu saugen, lässt oft los. Stattdessen versucht es, die Brust ersatzweise mit den Lippen zu halten.
  • Die Milch läuft vermehrt aus dem Mund heraus, das Baby bekommt Blähungen oder Schluckauf.
  • Das Kind ist angestrengt, unruhig und quengelig oder schläft immer wieder ein.
  • Das Baby bekommt nicht genügend Muttermilch. Obwohl es lange Stillmahlzeiten gibt, verliert es an Gewicht bzw. nimmt nicht genug zu. Unerwünschter Nebeneffekt: Die Milchbildung der Mutter reduziert sich, da sie nicht ausreichend angeregt wird.
  • Die Mama hat Schmerzen beim Stillen, wunde Brustwarzen und/oder leidet an Milchstau oder Brustentzündung.
  • Die Brustwarzen sind nach dem Stillen "lippenstiftförmig" verformt.
  • Wenn das Baby aus der Flasche gefüttert wird: Das Kleine trinkt schlecht, kann das Saugvakuum nicht aufrecht erhalten, ihm läuft Milch aus den Mundwinkeln, Flasche sitzt nicht fest im Mund.
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Wichtig: Bei Weitem nicht immer ist das Zungenbändchen der Grund für Stillschwierigkeiten. Bemerkst du eines oder mehrere dieser Symptome, wende dich an deine Hebamme oder eine Stillberaterin. Sie kann euch beim Stillen beobachten und helfen, andere Ursachen für Stillprobleme, zum Beispiel falsches Anlegen, Saugverwirrung, zu wenig oder zu viel Milch, auszuschließen. Manchmal, wenn auch selten, hängen Probleme beim Stillen auch mit einem fehlgebildeten Lippenbändchen zusammen.

Was tun bei verkürztem Zungenband?

Vermutet eure Hebamme tatsächlich ein verkürztes Zungenbändchen, solltet ihr eure Kinderärztin aufsuchen. Sie schaut sich das Band genau an und bespricht mit euch, wie es weiter gehen kann.

Wann muss ein verkürztes Zungenbändchen durchtrennt werden?

Wenn das Zungenbändchen tatsächlich fehlgebildet zu sein scheint und ernstzunehmende Probleme macht, wird euch eure Ärztin zu einem chirurgischen Eingriff, der Frenotomie, beraten. Keine Angst – der minimal-invasive Eingriff gilt als risikoarm, dauert höchstens eine Minute und es kommt nur sehr selten zu Komplikationen.

Dabei wird das Zungenband von einer Kieferchirurgin, einem spezialisierten Zahn- oder HNO-Arzt oder in der Kinderklinik mit einem kleinen Schnitt per Skalpell, Schere oder Laser durchtrennt. Anschließend wird es so vernäht, dass die Zunge genug Spiel hat, also herausgestreckt und nach oben Richtung Gaumen bewegt werden kann.

Ein leichtfertiges Durchtrennen des Zungenbändchens wird zunehmend kritisch gesehen, da die Wirksamkeit der Maßnahme wissenschaftlich nicht eindeutig bewiesen ist. Expert*innen raten, zuvor z. B. auch Physiotherapeut*innen, Logopäd*innen oder Osteopath*innen die Situation beurteilen zu lassen, um z. B. Verspannungen, Asymmetrien, geringe Muskelspannung und Gaumenspalten als Ursachen für eine verminderte Zungenbeweglichkeit auszuschließen. Lasst euch also gut beraten und holt euch Zweit- und ggf. Drittmeinungen ein, bevor ihr euch entscheidet.

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Wie läuft das Durchtrennen des Zungenbändchens ab?

Viele Ärztinnen und Ärzte raten zu einer frühen Frenotomie, optimalerweise im Rahmen der U2 zwischen dem zweiten und fünften Lebenstag. Zu diesem Zeitpunkt ist das Zungenband noch sehr dünn und die Wundheilung gilt als relativ unproblematisch.

Es wird davon ausgegangen, dass das Kind nur wenig Schmerzen empfindet, da sich im Zungenbändchen keine Nerven befinden. Neugeborene werden für den Eingriff daher nicht betäubt, erst bei Babys ab dem 4. Monat wird zu einer lokalen Betäubung geraten. Eine Vollnarkose wird nur in Ausnahmefällen eingesetzt. Für die OP wird das Baby normalerweise gepuckt und der Kopf zusätzlich fixiert.

Vor allem wenn das Zungenband nur am vorderen Teil (anterior) durchtrennt wird (lineare Inzision), kommen Komplikationen sehr selten vor und es entsteht auch keine Wunde. Als riskanter gilt eine sog. tiefe Inzision, bei der eine Durchtrennung inklusive des hinteren (posterioren) Teils erfolgt. Dabei ergibt sich eine rautenförmige Wunde unter der Zunge und es kommt häufiger zu Blutungen, Infektionen, Nervenverletzungen und Hämatomen.

Was sollten wir nach der Zungenbändchen-OP beachten?

Nach dem Eingriff ist es wichtig, dass du dein Baby sofort an die Brust legst, um die Schmerzen zu lindern, es zu beruhigen und die Beweglichkeit der Zunge zu fördern. Wenn zuvor lokal betäubt wurde, kann es vorkommen, dass das Stillen erschwert ist.

Sei bitte nicht enttäuscht, wenn das Stillen nach dem Durchtrennen des Zungenbändchens nicht gleich (besser) klappt. Das Baby muss sich an die neue Beweglichkeit gewöhnen und die Zunge ist ein Muskel, der erst trainiert werden muss. Manchmal müsst ihr also ein paar Wochen Geduld haben und üben, üben, üben... Und leider gibt es keine Garantie dafür, dass eine Frenotomie die Stillprobleme wirklich lösen kann.

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Eine einfache Durchtrennung heilt meist schon innerhalb von 24 Stunden ab. Um Schmerzen zu lindern, solltest du häufig stillen, gerne "bergauf", da diese Positionen die Beweglichkeit der Zunge fördern. Ein toller Trick sind auch in Scheibchen eingefrorene Muttermilch, die ihr unter die Zunge legen könnt. Sie helfen gegen Schmerzen und kühlen die beanspruchte Partie. Eure Kinderärztin kann euch zusätzlich für Babys geeignete Schmerzmittel verschreiben.

Nach einer tiefen Inzision ist Stillen ebenso wichtig, um die Beweglichkeit der Zunge zu fördern. Zusätzlich raten manche Ärzte zu einem aktiven Wundmanagement zur Dehnung und damit die Wundränder nicht verkleben. Diese Behandlung wird in der Fachwelt allerdings kontrovers diskutiert und z. T. als traumatisch sowohl für das Kind als auch für die Eltern eingestuft. Lasst euch also auch dabei gut beraten und holt euch ggf. eine Zweitmeinung ein.

Auch "Körperarbeit" ist wichtig: So soll es sich positiv auf die Zungenbeweglichkeit auswirken, das Baby regelmäßig in die Bauchlage zu bringen. Auch berichten viele Eltern im Nachgang einer Frenotomie von positiven Erfahrungen mit Osteopathie, Physiotherapie und/oder Logopädie. Eine ganzheitliche Betrachtung macht in jedem Fall Sinn.

Stillen und Muttermilch als Schmerzmittel? Aber ja! Welche erstaunlichen Fähigkeiten Muttermilch sonst noch hat, siehst du in unserem Video:

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Können wir trotzdem stillen, wenn mein Baby ein verkürztes Zungenbändchen hat?

Ganz wichtig: In vielen Fällen ist Stillen auch mit einer Ankyloglossie problemlos möglich! Wenn ihr aber Schwierigkeiten habt, könnt ihr diese Techniken mal ausprobieren:

  • "Back-Lying": Beim "zurückgelehnten Stillen“ robbt das Kind auf dem Bauch der liegenden Mutter zur Brust ("Breast Crawl") und kann hier selbst andocken.
  • Hoppe-Reiter-Sitz: Mit verkürztem Zungenbändchen funktioniert diese Position oft ganz gut und sie eignet sich auch für das sog. "asymmetrische Anlegen". Wichtig dabei: Die Nase (nicht der Mund) ist auf Höhe der Brustwarze, das Baby muss den Kopf also etwas in den Nacken legen und den Mund weit öffnen, um die Brust zu erfassen. Gleichzeitig die Brust leicht zusammendrücken – wie wenn man in ein Sandwich beißen möchte.
  • Stillhütchen: Vorübergehend können sie ggf. dabei helfen, mit verkürztem Zungenband zu stillen. Vor allem, wenn Schlupf-, Flach- oder Hohlwarzen das Andocken noch schwieriger machen.
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Um zu vermeiden, dass die Milchbildung durch das ineffektive Stillen nachlässt, kannst du nach den Stillmahlzeiten ggf. zusätzlich abpumpen. Lass dir bei allen Fragen zum Stillen immer gerne von deiner Hebamme helfen oder frag eine Stillberaterin.

FAQ

Wo sitzt das Zungenbändchen?

Das Zungenbändchen (Frenulum linguae) sitzt unterhalb der Zunge und verbindet den beweglichen Muskel mit dem Mundboden. Das kleine Häutchen gibt der Zunge Halt, Flexibilität und den Spielraum, den sie im Mund benötigt, um ihre Aufgaben optimal zu erfüllen. Dazu gehören Saugen, Essen, Trinken, Schlucken und Sprechen. Gerade für ein Neugeborenes ist die perfekte Funktion der Zunge wichtig, denn nur so kann es beim Stillen ausreichend Muttermilch trinken.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Frenotomie?

Wenn das Durchtrennen des Lippenbändchens medizinisch notwendig ist, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten dafür. Allerdings nur, wenn das Band mit Schere oder Skalpell durchtrennt wird. Die Kosten für die tendenziell blutungsärmere Durchtrennung per Laser (ca. 200-400 €) werden nicht getragen.

Wir recherchieren mit großer Sorgfalt und nutzen nur vertrauenswürdige Quellen. Die Ratschläge und Informationen in diesem Artikel ersetzen keine medizinische Betreuung durch entsprechendes Fachpersonal. Bitte wendet euch bei gesundheitlichen Fragen und Beschwerden an eure Ärztinnen, Hebammen oder Apotheker*innen, damit sie euch individuell weiterhelfen können.

Quellen: Kinder- und Jugendärzte im Netz, Lungenärzte im Netz

Still-Quiz: Was weißt du über Muttermilch und das Stillen?

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