Babys wollen ihre Umwelt entdecken und möglichst viel ausprobieren. Und als Eltern solltet ihr den Freiraum dafür lassen. Doch nicht alles geht und darf. Wann und wie du deinem Baby erste Grenzen setzen kannst und Tipps zur sanften Erziehung.
Nach dem Stolz und der Freude über die ersten gekrabbelten Meter des Babys folgt bei vielen Eltern die Erkenntnis: Als das Kleine noch nicht mobil war, war das Beaufsichtigen ein bisschen leichter. Denn jetzt erreicht ihr Kleines zuvor Unerreichbares: Treppenabsätze, Blumentöpfe, Elektrogeräte, Tischdeckenzipfel – eben alles, was Mamas und Papas nervöses Herzklopfen bereitet, wenn der Spross in dessen Nähe kommt. Und spätestens jetzt fragen sich die meisten Eltern:
Ab wann kann man das Baby erziehen?
Im ersten halben Lebensjahr ist es noch nicht möglich, ein Baby zu erziehen, übrigens ebenso wenig wie es zu „verziehen“. Denn in diesem jungen Alter kann dein Baby entwicklungsbedingt noch gar nicht unterscheiden, was richtig und falsch ist oder was ja und nein bedeuten. Es kann bisher lediglich auf seine Bedürfnisse aufmerksam machen und ist darauf angewiesen, dass ihr als Eltern diese befriedigen. Mach dir also keine Sorgen, dass du dein Kind zu sehr verwöhnst, weil du es nicht lange schreien lassen möchtest.
Im Gegenteil, das schnelle Reagieren auf seine Signale stärkt das Urvertrauen und schafft eine sichere Bindung. Gib deinem Kind im ersten Halbjahr also ruhig so viel Aufmerksamkeit, Zuwendung, Nähe und Körperkontakt, wie es einfordert.
Erst in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres entwickeln Babys allmählich einen eigenen Willen und lernen, dass sie durch bestimmtes Verhalten konkrete Reaktionen provozieren können: „Intentional cry“ nennen es die Wissenschaftler beispielsweise, wenn Babys beginnen, durch zielgerichtetes Schreien die Handlungen der Eltern beeinflussen zu wollen. Frühestens jetzt wird ein Erziehen des Babys möglich: Wenn es seine Handlungen bewusst steuert, um damit etwas zu erreichen, müssen Eltern ihm beibringen, dass nicht immer alles nach seinem kleinen Köpfchen gehen kann.
Jetzt ist es an der Zeit dem Baby erste Grenzen zu setzen
Gegen Ende des 1. Lebensjahres kannst du von deinem Baby schon ein bisschen Geduld einfordern. Du musst nicht gleich springen, wenn es etwas von dir möchte, es kann jetzt durchaus mal kurz warten. In der Regel lernen Eltern schnell, ob wirklich etwas ist oder ob ihr Baby nur jammert. Dieses Quengeln darfst du nun auch mal kurz ohne schlechtes Gewissen ignorieren.
Und wie sieht es mit Verboten aus? Die ersten Verbote kannst du nun auch aussprechen, aber gehe davon aus, dass diese noch nicht gleich fruchten. Die Wörter „Ja“ und „Nein“ bekommen für Babys erst gegen Ende des ersten Lebensjahres überhaupt eine Bedeutung. Und bis sie anfangen, den Sinn von Regeln und Verboten zu erfassen, dauert es dann noch mindestens ein weiteres Jahr.
Liebevolles Grenzen setzen ist ein Fokus beim Erziehungs-Trend Gentle Parenting. Familie.de Redakteurin Jennifer Kober erklärt euch im Video, wie das klappt:
Nein, Baby!
Wie einem Baby ab dem zweiten Lebenshalbjahr also ein „Nein“ am eindringlichsten vermitteln? Wenn du deinem Krabbelkind etwas verbieten möchten, dann sag mit ernstem Gesicht „Nein!“ und nimm ihm den Gegenstand weg bzw. trage dein Kind aus der „Gefahrenzone“. Eventuell kannst du dein Verbot noch kurz begründen. Am besten lenkst du dein Baby dann direkt mit etwas anderem ab. Das ist im Krabbelalter die effektivste Lösung. Ansonsten solltest du noch die folgenden Dinge beachten:
- Weniger ist mehr: Ein „Nein“ wirkt eindrucksvoller, wenn es nicht so oft ausgesprochen wird. Lass dich nicht dazu hinreißen, es ständig zu wiederholen. Nutze es wirklich nur als Verbotswort, insbesondere dann, wenn es dem Schutz des Kindes dient, also bei gefährlichen Gegenständen und Situationen.
- Tonlage und Mimik nutzen: Bleib unbedingt konsequent. Ein „Nein“ ist ein ernstgemeintes Verbot, was sich auch in deiner Stimmlage und in der Mimik zeigen sollte. Vermeide es „Nein“ im Spaß zu sagen, womöglich noch während du lachst. Dann verliert das Verbotswort an Bedeutung.
- Die Gunst der Stunde: Verlass dich nicht darauf, dass sich dein Baby bzw. Kleinkind an Verbote hält, selbst wenn es diese offenbar verstanden hat. In einem unbeobachteten Moment kann die Neugier ganz schnell die Oberhand gewinnen.
- Lob wirkt besser als Strafe: Strafen bringen nichts, denn dein Baby kann Strafen noch nicht mit dem Fehlverhalten in Verbindung bringen. Besser als Strafen bei ungewünschtem Verhalten wirken Lob und liebevolle Zuwendung bei gewünschtem Verhalten.
- Vorbild sein: Sei ein Vorbild! Babys lernen durch Nachahmung. Lebe deinem Kind also vor, was du von ihm wünschst, insbesondere im Umgang mit anderen Menschen.
Das Wichtigste dabei ist: Bleib konsequent. Und unterstütz ein „Nein“ immer auch mit ernstem Gesicht und entsprechender Mimik und Gestik. So wird dein Baby schnell lernen, dass du es mit dem Verbot ernst meinst.
Wiederholungen machen Verbote für Babys verständlich
Aber selbst wenn Babys klar wird, was mit „Nein“ gemeint ist, heißt das nicht, dass sie sich auch daran halten. „Vor allem selbstbewusste Kinder haben oft viel Ausdauer und überprüfen immer wieder, was möglich ist und was nicht“, sagt Diplom-Familienberaterin Christine Kügerl. Dabei gehen stets prüfende Blicke zu Mama oder Papa. Es könnte ja sein, dass das Verbot heute nicht gilt.
„Es braucht viele Wiederholungen, bis ein Verbot selbstverständlich eingehalten wird“, so Kügerl. Dazu komme, dass Babys Erlaubnis und Verbot mit der jeweiligen Person verbinden, die sie ausspricht. Wenn bei Mama etwas verboten ist, heißt das für Babys nicht automatisch, dass es bei Papa ebenso ist. Bei Oma könnte sowieso alles anders sein, und wenn man ganz allein im Zimmer ist, erst recht. „Es dauert sehr lange, bis Kinder Regeln so verinnerlicht haben, dass sie sich auch daran halten, wenn niemand aufpasst“, sagt Kügerl.
Lieber wenige Regeln, dafür Konsequenz
Sich ständig zu wiederholen, ist ermüdend. Außerdem wäre es falsch, das Baby in seinem Entdeckerdrang mit einem Netz aus Verboten einzuengen. „Daher ist es für alle besser, wenn es in der Kleinkinderzeit nur einige wenige und wirklich notwendige Regeln gibt“, empfiehlt Kügerl. Eltern sollten sich daher genau überlegen, welche Regeln ihnen so wichtig sind, dass sie diese mit ihren Kindern trainieren wollen. Und wo sie bereit sind, Abstriche zu machen.
Während es bei einigen Dingen keine Diskussion geben sollte, zum Beispiel bei allem, was für das Baby gefährlich sein könnte, ist es bei anderen Situationen leichter, einen Kompromiss zu finden. So ist es für die meisten Eltern kein Drama, wenn ihr Kind an der alten Stereoanlage herumspielt oder der Küchentisch einige Kratzer mehr bekommt. Sorge einfach dafür, dass die Wohnung bzw. der erkrabbelbare Bereich deines Babys kindersicher sind, damit es sich bei seinen Erkundungstouren nicht verletzen kann.
Wichtig bei allen Kompromissen ist, dass alle Erwachsenen und großen Geschwister bereit sind, sie als Familienregeln zu akzeptieren. Denn Kindern fällt es leichter, sich innerhalb eines festen Regelgerüsts zu orientieren. Liebevoll gesetzte Grenzen geben Sicherheit.
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