Schon Babys können in Rage geraten, wenn etwas nicht so läuft, wie es soll. Woher kommen Trotz und Wut bei kleinen Wüterichen? Und welche Strategien helfen?
Wenn Babys trotzig sind
Gehören die Wutausbrüche, die Babys im ersten Lebensjahr haben, überhaupt schon zur Trotzphase? Die Antwort lautet Jein. Die eigentliche Trotzphase beginnt zwar meist erst gegen Ende des zweiten Lebensjahres und erreicht mit drei, vier Jahren ihren Höhepunkt. Klassisch hier: Das schreiende, tobende Kind, das sich im Supermarkt auf den Boden wirft, weil es unbedingt einen Kaugummi haben will und durch nichts zu beruhigen und abzulenken ist. Aber: Trotzreaktionen sind häufig auch schon bei sehr viel jüngeren Kindern zu beobachten.
Trotz- und Wutreaktionen beginnen, wenn der eigene Wille des Kindes erwacht. Trotz und Wut sind dabei nicht immer ganz klar voneinander zu trennen. Eine typische Trotzreaktion im ersten Lebensjahr: Die kleine Mia hat Mamas Handy entdeckt, krabbelt freudig darauf zu und will gerade zugreifen. Aber kaum hat Mama Mias Plan durchschaut, kommt ein deutliches „Nein“ - und das Handy ist weg. Mias Reaktion: Empörtes Geschrei, sie wirft sich auf den Boden, trommelt mit den Fäusten und donnert ihren Kopf auf den Fußboden. Ganz klar: Hier hat schon jemand seinen eigenen Kopf! Und wenn der anders soll als er will, ist die Enttäuschung groß. Gepaart mit Unverständnis und Frust.
Was ist Trotz? Und was hat mit Trotz nichts zu tun?
Große Gefühle sind von Anfang an in jedem von uns angelegt: Neben der Wut auch die unbeschwerte Freude, ebenso der Trotz und auch die wunschlose Zufriedenheit. Gerade die Wut aber ist es, die Eltern frühzeitig auf eine harte Probe stellen kann. Wichtig dabei: Die ersten „großen Gefühle“ sind nicht identisch mit Jammern und Klagen, wenn die Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden: Ein Baby, das bei Hunger nicht gleich gefüttert, bei Müdigkeit nicht auf den Arm genommen und bei einem „Aua“ nicht getröstet wird, ballt die Fäustchen und brüllt. Aber nicht vor Wut, sondern aus reinem Selbsterhaltungstrieb.
Gründe, weshalb Babys trotzig reagieren können
- Das Bedürfnis, etwas haben zu wollen: Dies ist eine der typischen Situationen, in der Babys und Kleinkinder wütend werden können: Das nicht erfüllte Bedürfnis nach einer Puppe, einem Spielzeug, einem Keks oder auch Mamas Schutz und Trost.
- Babys haben kein Zeitgefühl: Babys und Kleinkinder haben noch kein Zeitgefühl. Sie kennen die Vergangenheit nur vage und können die Zukunft nicht abschätzen. Umso mehr spielt sich ihr ganzes Empfinden im Hier und Jetzt ab. Und das kann sehr wütend machen: Wenn hier und jetzt etwas nicht so ist, wie es gefälligst zu sein hat. Und zwar augenblicklich.
- Das Streben nach Autonomie: Der Wunsch, etwas allein zu schaffen, funktioniert im Kopf des Babys prima, in der motorischen Umsetzung aber leider noch gar nicht. Das Ergebnis: Frust und Wut aus einer Situation der Überforderung.
- Verbote: Schon im Alter von zwölf bis 18 Monaten werden Verbote nicht immer akzeptiert. Die Folge: Wut - und Trotz. Typische Entstehungsgeschichte: Am Esstisch, ein Messer unverhofft in Reichweite. Der Reiz ist groß, danach zu greifen und es zu untersuchen, vor allem die blitzende, scharfe Klinge. Und wenn der gerade erworbene Schatz dem Baby dann wieder weggenommen wird, ist die Wut groß. Eigentlich verständlich, oder?
Für Eltern ist die Trotzphase eine anstrengende Phase. Für das Baby übrigens auch. Ein kleiner Trost für alle, deren Nerven gerade blank liegen, weil die heftigen Ausbrüche ihres Babys Kraft und Nerven kosten: Für das Baby ist die Trotzphase ein ganz wesentlicher Schritt in der Entwicklung vom Baby zu einer eigenen Persönlichkeit. Wutanfälle sind ganz normal – und werden von nun an eine ganze Weile zum Leben mit Kind dazugehören.
Trotzphase: Strategien bei trotzigen Babys
Es gibt also zahlreiche Gründe, die aus den niedlichen Lieblingen kleine Wüteriche machen können - dann helfen euch diese Strategien:
- Geht es ums Habenwollen, ist die Lösung recht einfach: Entweder, ihr erfüllt den Wunsch eures Babys und geben ihm die Puppe, den Ball, den Keks oder die ersehnte Geborgenheit. Oder ihr lenkt die Aufmerksamkeit des Babys auf etwas anderes. Das klassische Ablenkungsmanöver ist gerade bei den Kleinsten erfolgversprechender als der Versuch einer logischen Erklärung, warum etwas nicht ausgehändigt oder geleistet werden kann.
- Reagiert auf Wut niemals mit Wut: Unsere Kinder sehen in uns Vorbilder - auch dann, wenn sie gerade ziemlich aus dem Häuschen sind. Wenn wir mit Wut reagieren, machen wir uns zum Spiegel der kindlichen Hilflosigkeit und geben ein entlarvend unsouveränes Bild ab, aus dem der Nachwuchs keinerlei konstruktive Lösung ableiten kann. So verunsichern wir, anstatt zu helfen. Schlichtes Ignorieren ist ebenso untauglich - und löst eher noch Verzweiflung aus.
- Der richtige Ansatz ist das Gegenteil von Ignoranz: Wer auf sein wütendes Baby eingeht, geduldig mit ihm redet, tröstet, hilft und Lösungen aufzeigt, ist in doppelter Hinsicht gutes Vorbild: Zum einen als praktischer Helfer, der aus dem Dilemma den Weg weist, zum anderen als Beispielgeber für gutes zwischenmenschliches Verhalten, das auf Verständnis und Einfühlsamkeit gründet - wenn im Kleinen die Familie, im Großen die Gesellschaft funktionieren soll. Dafür ist es wichtig, zu erkennen, dass es das Baby nicht „böse“ meint und uns auch nicht ärgern will.
- Und doch sollte klar sein, dass es in der Erziehung eine Hierarchie gibt: Setzt Grenzen, wo sie unvermeidlich sind, formuliert sie deutlich und seid konsequent - mindestens überall dort, wo sich das Kind durch die eigene Wut selbst in Gefahr bringen würde.
- Wenn keine Gefahr besteht, schadet es auch nicht, wenn Kinder ihre Wut loswerden dürfen. Lasst das kleine Wutmonster also ruhig mal toben, bis die Wut draußen ist. Dann nehmt es einfach ohne große Worte in den Arm und lasst es spüren, dass ihr es lieb habt.
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