Das Gras ist auf der anderen Seite immer etwas grüner? Nun, in Neuseeland stimmt das definitiv. Immerhin ist die atemberaubende Natur Drehort für unzählige Filme. Aber Familien blicken auch wegen dieser neun Gründe neidvoll nach Neuseeland.
1. Zeit zum Trauern nach einer Fehlgeburt oder stillen Geburt
Familien brauchen Zeit um über den Verlust eines Babys hinweg zu kommen. Und in Neuseeland bekommen Eltern die jetzt auch: Eltern wird nach einer Fehlgeburt drei Tage bezahlter "Urlaub" gewährt, um zu trauern. Und zwar unabhängig davon, in welchem Stadium der Schwangerschaft die Eltern das Baby verloren haben.
In Deutschland gibt es nach einem solchen Erlebnis keinen besonderen Schutz. Nur wenn euer Kind still geboren wird oder die Fehlgeburt nach der 24. Woche geschieht, habt ihr Anrecht auf Mutterschutz. Erlebt ihr eine Fehlgeburt vor der 25. Woche, könnt ihr euch unter Umständen krankschreiben lassen. Ihr bekommt dann auch Unterstützung durch eine Hebamme. Euer Partner oder die Partnerin haben kein Anrecht auf Trauertage.
2. Modernes Verständnis von Familie
Familie hat viele verschiedene Gesichter. Auch wenn die klassische Mutter-Vater-Kind-Familie oft gelebt wird – Familien sind so viel vielfältiger. Neuseeland hat das im Blick und ein sehr modernes Konzept von Elternschaft. So können die oben genannten Trauertage beispielsweise von der Frau und ihrem Partner oder der Partnerin genommen werden. Die biologische Elternschaft spielt dabei ebenso wenig eine Rolle wie der Ehestatus.
3. Mütter im Amt
Regierungschefin Jacinda Ardern wurde während ihrer ersten Amtszeit Mutter und zeigte der Welt, wie gut Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingen kann, wenn man auch die Väter mit ins Boot holt. Dann natürlich machte sie auch klar: Allein geht es nicht. Und das können wir Eltern ja bestätigen.
Im letzten Jahr wurde die Regierungschefin mit großer Mehrheit wieder gewählt und wird so natürlich auch zum Vorbild vieler Frauen und Mädchen. Das Märchen von "ihr könnt alles haben" erzählt sie trotzdem nicht: Immer wieder berichtet Ardern auch davon, Kompromisse machen zu müssen.
Sie zeigt, dass vieles, aber eben nicht alles möglich ist. Und ab und zu berichtet sie von ihrem Alltag als Mutter, zum Beispiel davon, dass sie mit ihrer Tochter Neve tanzte, als Neuseeland coronafrei war. Oder sie zeigt den eher unperfekten Geburtstagskuchen, der ihre Tochter zum zweiten Geburtstag erfreuen sollte.
4. Schwangerschaftsabbrüche sind legal
Natürlich sind Schwangerschaftsabbrüche kein Grund für Familien, eine neue Heimat zu suchen. Aber wie die Gesellschaft mit Schwangerschaftsabbrüchen umgeht, zeigt auch, wie frauenfreundlich und inklusiv ein Land ist.
In Neuseeland wurde im März 2020 die seit 1977 bestehenden Regelung zu Abtreibungen aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Jetzt gelten sie als eine medizinische Leistung. Das ist für viele Frauen eine enorme Errungenschaft, von der wir in Deutschland weit entfernt sind. Denn, auch wenn das in der Praxis anders gehandhabt wird: Laut Paragraf 218 StGB sind Schwangerschaftsabbrüche bei uns nicht legal.
Es wäre nach wie vor rechtens, wenn Frauen gegen ihren Willen zum Austragen einer Schwangerschaft gezwungen werden. Es droht sogar eine Gefängnisstrafe, wenn eine Schwangere ihre Schwangerschaft eigenständig beendet. Wenn sich Frauen beraten lassen und eine mindestens dreitägige Bedenkzeit zwischen Beratung und Abbruch einhalten, wird der Abbruch nicht geahndet. Das ist aber längst nicht das Gleiche wie die Regelungen, die in Neuseeland getroffen wurden.
5. Vier-Tage-Woche
Es gibt keine offizielle Regelung, aber die Regierungschefin Jacinda Ardern hatte bereits 2020 angeregt, über eine Vier-Tage-Woche oder mindestens flexiblere Arbeitszeitmodelle nachzudenken. Letztlich sei diese Entscheidung eine, die die Unternehmen treffen müssten, aber Ardern würde solche Ideen durchaus befürworten.
Einige Unternehmen haben die 4-Tage-Woche schon eingeführt, in Deutschland steht das noch nicht zur Debatte. Dabei würden auch Familien von einer solchen Regelung profitieren, weil reduzierte Arbeitszeit für alle mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen würde. Wir könnten uns mehr auf unsere Kinder konzentrieren, gleichzeitig aber auch beide Karrieren im Job anstreben.
6. Inklusion wird großgeschrieben
"Es ist nie zu früh oder zu spät, eine inklusivere Nation zu sein.“ Das sagte Jacinda Ardern vor kurzem, anlässlich des zweiten Jahrestags der tödlichen Anschläge in Christchurch. Ein Mann hatte während des Freitagsgebet in zwei Moscheen 51 Menschen erschossen. Ardern hatte seinerzeit immer wieder dazu aufgerufen, über die Opfer zu sprechen, statt über den Täter.
Die Regierungschefin macht sich stark für ein diverses und inklusives Neuseeland, tritt immer wieder in den Dialog mit verschiedenen Menschen und sieht kulturelle Vielfalt als das, was sie ist. Eine Bereicherung für uns alle.
7. Wahlrecht für alle
Als erstes Land der Welt führte Neuseeland bereits 1893 (und damit 25 Jahre vor Deutschland) das Wahlrecht für alle ein. Da gerade politische Mühlen langsam mahlen, ist auch Neuseeland nicht das Land, in dem nur Milch und Honig fließt. Auch hier gibt es Kinderarmut oder Gewalt in der Familie. Aber wo immer Frauen an Regierungsentscheidungen auf allen Ebenen beteiligt sind, stehen Kinder und Frauen auch mehr im Fokus.
8. Kinder sind wichtig
Besonders während der Corona-Pandemie zeigte sich, dass die Regierungschefin Kinder im Blick hat. Mehrfach wandte sie sich in Ansprachen an sie. Sie ließ die Kleinen wissen, dass die Zahnfee, der Osterhase und der Weihnachtsmann auch weiterhin zu ihnen kommen dürfen, immerhin seien die ja systemrelevant. Solche Ansprachen brauchen Kinder, denn natürlich wollen auch sie sich in diesen herausfordernden Zeiten gesehen fühlen.
9. Mentale Gesundheit ist ein Thema
Die Zeiten sind herausfordernd und unsere mentale Gesundheit kann leiden. Im Gegensatz zu den Regierungschefs in Deutschland macht die Premierministerin Ardern das zum Thema. Sie rät immer wieder zum Ausruhen und Innehalten. Auf Instagram und Facebook meldet sie sich regelmäßig (auch mal unperfekt) live zu Wort und rät: "Till then, rest up everyone" - "Bis dann, ruht euch alle aus".
Meine Fazit
Werde ich jetzt direkt mit meiner Familie nach Neuseeland auswandern? Eher nicht. Ginge aktuell aber eh nicht und der Weg ist für jemanden mit Flugangst auch ziemlich weit.
Mir ist auch bewusst, dass Neuseeland nicht das Land ist, in dem alles glatt läuft, natürlich gibt es auch hier Probleme. Aber dennoch sehe ich, dass sich hier etwas tut. Und das finde ich begrüßenswert.
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