Eine alleinerziehende Mutter wird gerade in den Medien oft als Klischee dargestellt. Dabei ist die Kleinstfamilie einfach nur eine weitere Familienform, in der ein Elternteil mit Kind(ern) zusammenlebt. Wir haben mit Frauen gesprochen, die dieses Familienmodell leben.
Alleinerziehende Mutter ist Teil der Familienwelt
Ausgebrannt, nervlich am Ende und arm, so werden alleinerziehende Mütter oft porträtiert. Dass es unter ihnen auch Frauen in Führungspositionen gibt, glückliche Mütter, die überhaupt nicht auf der Suche nach einer Partnerin oder einem Partner sind, das wird allzu oft ausgeblendet. Ebenfalls oft unerwähnt bleibt, dass alleinerziehende Mütter keine kleine Gruppe sind. Laut Statistischem Bundesamt leben 2,2 Millionen Frauen mit ihren Kindern in der Kleinstfamlie, 407.000 Väter leben ebenfalls dieses Modell.
Welche Unterstützung bekommt eine alleinerziehende Mutter?
Gar nicht so wenig Familien, und doch muss die alleinerziehende Mutter, Journalistin und Buchautorin Christine Finke feststellen, dass „wir als Familienform überhaupt nicht mitgedacht werden. Sei es bei den Familieneintritten im Schwimmbad, im Steuersystem, bei der politischen Beteiligung, auch auf dem Wohnungsmarkt (man könnte ganz wunderbar Alleinerziehenden-Cluster-Wohnen bauen, wo die Eltern sich gegenseitig unterstützen könnten, so eine Art WG mit eigenen Bädern/Küchen)."
Alle Familien brauchen Unterstützung
Annette, alleinerziehende Mutter von zwei Teenagern, wünscht sich, dass die Politik aufmerksamer auf die Belange von Alleinerziehenden reagiert. Ihr Plan wären Veränderungen, die allen Familien zugute kommen: „Steuerliche Entlastung (Familiensplitting!), Betreuungssituation, Ausbildung / Schule, Arbeitsmarkt, Wohnungssuche, 30-Stunden-Woche bei Vollzeitgehalt. Alles, was für Familien gut wäre, denn Alleinerziehende sind Familien, sie werden nur noch krasser von strukturellen Ungerechtigkeiten getroffen."
Wohnungssuche als alleinerziehende Mutter
Die Wohnungssuche war auch für Yvonne*, alleinerziehende Mutter eines Teenagers, schwierig, „da viele Vorurteile über Alleinerziehende in den Köpfen vorhanden sind. Ich wurde einmal bei der Bewerbung um eine Wohnung bei einer Wohnungsbaugenossenschaft gefragt, als ich sagte, ich würde mit meinem Sohn alleine in die Wohnung ziehen, ob dann die Miete vom Jobcenter kommt. Ich versuche, über solche Diskriminierungen meistens eher zu lachen, aber dennoch arbeitet es in einem…."
Welche Steuerklasse hat eine alleinerziehende Mutter?
„Das Steuerrecht ist hochgradig diskriminierend gegenüber Frauen", sagt Yvonne. „Steuerklasse III gibt es, wenn zwei Erwachsene, die beide arbeiten könnten, nur eine Person arbeiten lassen. Ich [als Alleinerziehende] bekomme keine Steuerklasse III, obwohl ich eine größere Wohnung benötige als ein Ehepaar, Kosten für Betreuung habe, Schule, Spielsachen, Klamotten usw. Zudem habe ich höhere Versicherungskosten, damit mein Kind abgesichert ist, falls mir etwas passieren sollte."
Probleme alleinerziehender Mütter
Strukturelle Ungerechtigkeiten wie Probleme in den Betreuungssituationen und im Steuerrecht treffen gerade alleinerziehende Mütter. Denn hier kann nicht immer jemand kurzfristig einspringen und das Kind abholen, wenn es im Job etwas länger dauert. Familien mit zwei Elternteilen können das oft besser arrangieren.
„Unabhängig von meiner privilegierten Situation ist es natürlich ebenso ungerecht, dass Alleinerziehende, die nicht viel verdienen bzw. auf ALG II angewiesen sind, von den Behörden ebenso behandelt werden wie jemand, der nicht arbeitswillig ist oder arbeitsfähig ist", berichtet Yvonne.
Muss eine alleinerziehende Mutter immer da sein?
Was alle alleinerziehenden Mütter stresst, ist die permanente Verfügbarkeit, dieses immer da sein müssen, erklärt Kim*. „24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Keine Papa-Wochenenden zum Luft holen, keine Spontanbesuche bei Oma, da 400 km Weg vor uns liegen." Es fehlt an Entlastungsmöglichkeiten für Alleinerziehende.
„Ich wünsche mir von Freunden, Lehrern, Erziehern, Ärzten, Vermietern, Ämtern und Politikern, dass sie selbstverständlich immer mitdenken, dass es auch Familien mit einem Elternteil gibt", sagt Annette.
Womit hat eine alleinerziehende Mutter zu kämpfen?
In allen Interviews, die wir für diesen Artikel geführt haben, gab es, so unterschiedlich die Mütter auch sein mögen, eine Übereinstimmung. Alle alleinerziehenden Mütter hatten damit zu kämpfen, sich nicht aufteilen zu können. Man ist, sagt Annette, „immer allein, mit allem allein, und gleichzeitig nie allein. Jeder Urlaub, jeder Großeinkauf, jede Krankheit, jeder Geburtstag, jedes Weihnachtsfest, jeder Filmabend, jeder Geschwisterstreit, jeder Freibadausflug, jedes Problem und jedes Lachen, egal ob‘s von den Kindern oder mir ist: Du macht alles alleine."
"Ich hätte manchmal gern jemanden, der mir den Rücken frei hält, wenn ich nachmittags dringend an den Schreibtisch muss. Oder wenn ich Haushalt erledige. Jemanden, der mir den ganzen lästigen Kram abnimmt, damit ich mit dem Kind was Cooles machen kann. Oder zum Arzt muss. Neulich fiel mir auf, dass ich seit 2 Jahren nicht beim Zahnarzt war."
Kim, eine alleinerziehende Mutter
Muss eine alleinerziehende Mutter sich absprechen?
Mira* hat auch mit der fehlenden Anerkennung zu kämpfen. „Ich will weder in den Himmel gehoben noch nicht beachtet werden. Jede Familien- und Lebensform hat sicher ihre ganz eigenen Anstrengungen, aber die Form, erst mal allein für alles zuständig zu sein und sich trotzdem wegen des gemeinsamen Sorgerechts dann doch wieder ständig rückversichern oder absprechen zu müssen, hat schon eine ganze Vielzahl an Anstrengungen."
Welche Belastungen hat eine alleinerziehende Mutter?
Wenn alle Familien ein Dorf brauchen, um ihre Kinder groß zu ziehen, dann bräuchten viele Alleinerziehende vielleicht sogar eine Kleinstadt. Kim berichtet, dass sie vor allem darunter leidet, keine Kraft zu haben, „weil ich platt bin vom Tag, während das agile Kind mit mir spielen will. Immer ruhig zu bleiben und nicht abgeben zu können", das belastet die alleinerziehende Mutter sehr.
"Gegenüber meinem Sohn war die größte Herausforderung, seinen Bedürfnissen gerecht zu werden, auch wenn manchmal die Energie nicht da war. Außerdem war es häufig schwierig für ihn, dass wir nur zu Zweit sind und er daher kein Korrektiv hat (und ich auch nicht), wenn wir streiten oder etwas nicht läuft. Er konnte nie zum anderen Elternteil oder einem Geschwisterkind gehen, um sich über Ungerechtigkeit zu beschweren. Oder bei jemand anderem Trost bekommen, wenn er nicht zu mir kommen wollte.
Yvonne, alleinerziehende Mutter
Alleinerziehende sind Teil der Familienwelt
Christine Finke sorgt sich, dass Alleinerziehende nach wie vor als etwas ganz besonders betrachtet werden. „Es muss in die Köpfe rein, dass alleinerziehend zu sein eine ziemlich normale und weit verbreitete Familienform ist, und dass wir nicht alle gescheiterte Existenzen sind, sondern im Gegenteil Eltern, die Verantwortung übernehmen und manchmal sogar übermenschlich viel stemmen. Das muss honoriert werden, auch finanziell. Da hat die Politik eine Menge Hebel, und trotzdem passiert so wenig. Was natürlich auch daran liegt, dass Alleinerziehende meist gar keine Zeit haben, sich politisch zu engagieren und ihre Interessen zu vertreten."
Alleinerziehend bedeutet oft auch allein entscheiden
Es ist vor allem die alleinige Verantwortung für die Kinder und das gemeinsame Familienleben, dass einige Mütter in unseren Interviews bei all der Schwere, die das mit sich bringt, als etwas positives hervorheben. Kim sagt, dass ihr die Selbstbestimmtheit bei der Erziehung ihrer Kinder am besten gefällt.
„Ich kann entscheiden, welchen Erziehungsstil ich wähle. Um mich herum sehe ich ständig Paare, die sich wegen irgendwelcher vorhandenen oder nicht vorhandenen Absprachen streiten. Glücklicherweise bleibt mir das erspart. Natürlich spreche ich mich auch mit meiner Tochter ab, aber eben auf einer ganz anderen Ebene. Schwer war die Entscheidung: Welche Kita, welche Schule? Da hätte ich wirklich gern jemanden gehabt, der genauso für mein Kind Verantwortung trägt wie ich. Ich habe mich aber am Ende richtig entschieden. Das Kind war und ist glücklich und ich bin es auch."
Muss eine alleinerziehende Mutter sich absprechen?
Yvonne findet gut, dass die Ansagen nur von ihr kommen. Es gibt „eine Linie in meinem Handeln, was für meinen Sohn vielleicht klarer und einfacher ist. Ich sehe bei Freunden, wie schwierig es für manche Kinder ist, wenn die Eltern nicht eine Linie fahren oder sich sogar gegeneinander ausspielen lassen. Ich habe das Gefühl, dass mein Sohn deutlich selbständiger ist als andere Kinder in seinem Alter. Er kann sich sehr gut organisieren."
Das Leben alleine mit Kindern hat keine Vorteile im Gegensatz zum Leben in einer glücklichen Paarbeziehung mit Kindern. Wenn die Beziehung aber unglücklich und nicht zu retten ist, ist es besser, getrennte Eltern zu sein.
Annette, alleinerziehende Mutter
Wie werden Alleinerziehende in den Medien dargestellt?
Neben den strukturellen Problemen ist aber für viele Alleinerziehende vor allem die Darstellung in den Medien ein großes Problem. „Es gibt da zwei Typen, die in den Medien gerne bedient werden: Entweder die sogenannte 'RTL 2 Alleinerziehende', eine kettenrauchende, arbeitslose Mutter, die in einem Messie-Haushalt lebt und schon sehr jung ein Kind bekommen hat. Die möchte ich eigentlich nicht mehr sehen, weil sie einfach nur ein Klischee bedient, das in den wenigsten Fällen der Wirklichkeit entspricht. Genauso wenig sind Alleinerziehende aber Superheldinnen, die alles gut gelaunt wuppen", sagt Christine Finke.
Welche Probleme hat einen alleinerziehende Mutter?
Auch Mira ärgert sich, „dass Alleinerziehende immer als defizitär dargestellt werden, so als ob wir keine Familie wären, nur weil hier keine zweite erziehungsberechtigte Person mit am Tisch sitzt."
Woran denkt ihr, wenn ihr an alleinerziehend denkt? Annette findet schon den Begriff stigmatisierend, „ich sage meist, ich bin alleine mit den Kindern. Das Klischee der Alleinerziehenden ist Überforderung, Burn-out, Hartz 4, Erziehungsprobleme. Das ist tatsächlich oft so, das ist aber nicht Ursache, sondern Folge des allein Erziehens, begründet in der falschen Politik und strukturellen Ungerechtigkeit".
Wie ist die alleinerziehende Mutter?
Wir brauchen eine breitere Berichterstattung über das Leben der Kleinstfamilie, „denn Alleinerziehende sind genauso divers wie Paarfamilien. Es gibt eine große Bandbreite, und es gibt ganz viele Grautöne, nicht nur schwarz und weiß", sagt Christine Finke.
Die Journalistin und Buchautorin setzt sich dafür ein, dass „die hohe Armutsgefährdung, die hohe Belastung und auch die gesundheitlichen Folgen von jahrelangem Stress" nicht aus dem Blick geraten. Diese Themen kommen oft zu kurz, hier müsste, so Finke, „genauer hingesehen und differenzierter berichtet" werden.
*Einige Namen haben wir auf Wunsch der interviewten Mütter geändert.
Meine Meinung
Ich fand in diesen Interviews interessant, dass die meisten Mütter gern anonym bleiben wollten. Das zeigt recht deutlich, wie viel Stigmatisierung alleinerziehende Mütter immer noch erfahren. Wie sehr das Bild von „die bekommt das nicht hin / ist selbst Schuld" immer noch in vielen Köpfen verankert ist.
Umso dankbarer bin ich, dass all die Frauen sich Zeit genommen haben für meine Fragen. Dieser Artikel ist hoffentlich ein weiterer, wichtiger Schritt in die Richtung, Alleinerziehende als einen normalen Teil der Familienkonstellation anzuerkennen, bei all den Herausforderungen, die damit einhergehen.
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