Anja Caspary hatte, wie jährlich über 70.000 Frauen in Deutschland, Brustkrebs. Wir haben mit der Journalistin über ihre Erkrankung, ihre Mastektomie und ihren Lebenswillen gesprochen.
"Man denkt immer, man ist nicht betroffen. Das ist ja auch gut, dass man so denkt, sonst hätte man gar kein leichtes Leben." Das sagt Anja Caspary und spricht damit aus, was viele von uns in Bezug auf Brustkrebs. Weil die Krankheit in Deutschland statistisch betrachtet zwar jede achte Frau betrifft, aber wir selbst ganz sicher nicht diese Frau sind.
Anja Caspary: Leben mit Brustkrebs
Anja Caspary berichtet in ihrem Buch "In meinem Herzen steckt ein Speer" (u. a. für 10,99 € bei Amazon) sehr lebensnah über ihre Brustkrebserkrankung. Und auch über ihre Ungläubigkeit, als die Krankheit bei einer Mammografie bei ihr entdeckt wurde.
Ich habe doch meine Kinder lange gestillt, ich kriege doch keinen Brustkrebs. Es gibt ja Kriterien, die einem sagen, ob man das bekommt. Aber nichts rettet einen davor. Das war mir aber natürlich vorher auch nicht klar.
Anja Caspary
Mythen rund um Brustkrebs
Krebs ist immer ungerecht, denn niemand kann etwas dafür, wenn sie oder er daran erkrankt. Und trotzdem halten sich viele Gerüchte hartnäckig. Anja Caspary will mit ihrem Buch einen Teil dazu beitragen, dass diese nicht länger verbreitet werden. So sind Frauen nicht Schuld am Brustkrebs, nur weil sie vielleicht nicht immer laut ihre Meinung sagen. Denn das wird oft behauptet, Frauen, die Sorgen und Probleme in sich hinein fressen, statt sie auszusprechen, bekämen Krebs.
Die Mythen sind: Wenn man sportlich ist und schlank, seine Kinder lange gestillt hat, nicht die Pille nimmt und es keinen Brustkrebs in der Familie gibt, dann denkt man, es kann einem gar nichts passieren. Ich habe einen Gentest gemacht, der negativ war. Und dann hatte ich Brustkrebs in beiden Brüsten.
Anja Caspary
An Brustkrebs stirbt man nicht (immer)
Ein weiteres Gerücht: An Krebs stirbt man. "Krebs ist ja auch so ein Schreckenswort", sagt Anja Caspary. "Wenn man da vorher keine Berührung mit hatte, dann verbindet man Krebs mit Tod, mit Sterben. Und mit Haareausfallen und dann ist man ganz krank und dann ist man tot. Aber das muss ja gar nicht so sein."
Man ist doch Herr der Lage und kann sich auch informieren. Aber man wird auch unter Druck gesetzt. Der Arzt sagt dann "schnell operieren" und da geht man dann auch mit, weil man denkt "nur schnell weg mit dem Krebs". Aber der wächst ja langsam, der kommt nicht über Nacht. Da hat man auch zwei Wochen Zeit, um da für sich zu überlegen, was man machen möchte. "
Anja Caspary
Freiwillige Mastektomie
Anja Caspary ist selbst das beste Beispiel dafür. Sie hat nach der Diagnose Brustkrebs für sich die Entscheidung getroffen: Ich möchte eine Mastektomie. Sie ließ sich also beide Brüste entfernen, auch wenn das laut ärztlichem Rat gar nicht nötig gewesen wäre. Natürlich hatte sie Angst, dass der Brustkrebs schon gestreut hätte und sie Metastasen im Körper hat. Aber: "Die Empfehlung war, die Brust zu erhalten und dann Bestrahlung. In der Operation wurde festgestellt, dass keine Metastasen vorhanden waren". Caspary wollte die Mastektomie trotzdem.
Es war bei mir nicht empfohlen, es sollte die Brust erhalten werden, der Knoten raus operiert und Bestrahlung. In der OP gucken sie dann, ob die Lymphknoten befallen sind. Wenn die befallen sind, dann heißt es, dass in der Lymphe, die durch den ganzen Körper fließt, Krebszellen durch den Körper wandern und an ein Organ andocken. Dann kommt immer auch eine Chemo. Das ist die klassische Empfehlung.
Anja Caspary
Brustkrebs: Manchmal fühlen Frauen sich entmündigt
Anja Caspary hatte sich überlegt, welchen Weg sie gehen möchte. "Dass man sich die Brüste abnehmen kann, wird überhaupt nicht erzählt, nur bei ganz entzündlichen Varianten. Aber mir war klar, ich will auf keinen Fall eine Bestrahlung. Ich wollte meinem Körper das ersparen. Die Bestrahlung macht nämlich Folgeschäden an Haut-, Lungen-, und Herzgewebe und ist wiederum selbst krebserregend. Deswegen wollte ich eine gesündere Version wählen."
Eine Mastektomie ist nach wie vor ein Tabuthema. Das erlebt Caspary, seit ihr Buch auf dem Markt ist und sich Frauen bei ihr melden. Was die erzählen, ist schockierend. "Viele Frauen erzählen mir, dass sie um eine Mastektomie gebeten haben und ihnen gesagt wurde: Das machen wir hier nicht. Wir sind ein zertifiziertes brusterhaltendes Krankenhaus. Das ist doch Wahnsinn, oder? Das ist doch voll entmündigend!"
Dass mich das optisch total verändert, war mir klar. Aber es war mir egal. Für mich stand im Vordergrund immer, dass ich gesund sein will.
Kein Zeitdruck
"Ich hätte mich immer dafür entschieden", sagt Caspary, "die vergifteten Taschen abzunehmen. Das bereue ich auch gar nicht. Aber es wäre schön gewesen, wenn mir jemand gesagt hätte: Noch drei Wochen Warten macht jetzt keinen Unterschied"
Buchtipps von Anja Caspary
Druck von Ärzten
Der Druck, unter den Patientinnen gesetzt werden sich schnell zu entscheiden, ist enorm. Und jede erkrankte Frau hat Ängste. Aber denen sollte Raum gegeben werden. Auf ihre Brüste zu verzichten, war trotzdem keine leichte Entscheidung. "Ich mochte meine Brüste, auch mein Mann mochte die. Aber ich werde keine Kinder mehr stillen, sie haben für mich keine Funktion."
"Ich will, dass du lebst!"
"Ich will, dass du gesund bist und lebst. Ob da nun Brüste sind oder nicht, ist mir egal. Hauptsache, du lebst!", sagte ihr Mann Hagen, als Caspary ihm ihren Entschluss mitteilte. Und leben tut sie. Sie geht nach wie vor in die Sauna, macht FKK. Und da merkt sie, dass es für andere ein Thema ist, die fehlenden Brüste.
Viele schauen schockiert weg. Aber es liegt an mir, wie die Leute reagieren. Wenn sie beschämt weg gucken, dann mache ich auch mal einen Spruch. Wenn ich entspannt bin, für mich ist das nicht peinlich und ich finde es gar nicht schlimm, dann sind die anderen erleichtert und dann reden wir darüber.
Anja Caspary
Starkes Foto
Anja Caspary fühlt sich heute wohl in ihrer Haut und macht sich stark für andere Frauen. Deswegen gibt es nicht nur auf dem Cover ein Foto von ihr, dass die fehlenden Brüste erahnen lässt. Im Buch selbst gibt es noch ein ganz starkes Foto, dass sie mit freiem Oberkörper zeigt. Der Anblick ist ungewöhnlich, wir alle sind im Alltag nicht mit solchen Bildern konfrontiert. Und deswegen ist es so wichtig, dass Caspary so mutig war, das Foto zu veröffentlichen und dieses unbedingt lesenswerte Buch zu schreiben, in dem neben Brustkrebs auch der Tod ihres Mannes Hagen und die große Liebe der Beiden eine Rolle spielt.
Wir alle brauchen starke Vorbilder, auch im Bereich Brustkrebs. Anja Caspary ist einen Weg gegangen, der vielleicht nicht für jede Frau infrage kommt. Aber sie hilft mit ihrem Buch dabei, dass das Thema Brustkrebs zugänglicher für uns alle wird und wir uns darüber austauschen, was Erkrankte brauchen.
Und es ist obendrein auch noch eine gute Erinnerung an die eigene Vorsorge. Denn Anja Casparys Diagnose war ein Zufallsbefund bei einem Mammografie-Screening, zu dem jede Frau ab 50 Jahren in Deutschland eingeladen wird. "Ich kann wirklich nur empfehlen, dahin zu gehen", sagt Anja Caspary.
Wichtige Aufklärung
Das Interview mit Anja Caspary war berührend und lustig. Weil da soviel Lebenslust ist, trotz allem, was sie erlebt hat. Das Foto hat mich besonders berührt. Weil ich eine ganz starke Frau sehe, die ihren Weg gegangen ist. Und weil ich es mutig und großartig finde, dass sie sich zeigt, wie sie ist.
Brustkrebs ist nichts, was peinlich ist und versteckt werden muss. Den Appell von Anja, dass Frauen mehr Zeit für Entscheidungen gegeben werden muss, den finde ich sehr wichtig. Ich hoffe, dass die vielen, vielen Ärztinnen und Ärzte, die Großartiges leisten, nicht vergessen, dass hinter jeder Diagnose immer auch ein Mensch steht.
Ihr wollt mehr über die Symptome von Brustkrebs erfahren? Unser Video hilft: