Wir alle merken im Leben mit Kindern immer wieder, wie wir an Grenzen stoßen. Und oft haben wir das Gefühl dass das unser individuelles Problem ist. Aber im Austausch mit anderen merken wir: Oft genug sind es strukturelle Ungerechtigekeiten, die unser Leben erschweren. Wir wollten von Content Creator*innen, Influencer*innen, Hebammen und Berater*innen die alle auch Eltern sind, wissen: Was brauchen Familien eigentlich von der Politik. Und wir würden auch gern von euch wissen: Was braucht ihr? Schreibt uns gern.
Wir wollen ernst genommen werden
Sabine Ponath schreibt über Familie, Politik und Nachhaltigkeit und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Kluge Gedanken findet ihr von ihr u.a. auf ihrem Instagramaccount “mum&still me”.
Ihre Forderung:
“Kinder, Jugendliche, Eltern, pflegende Angehörige: sie wollen nicht abgespeist werden mit Phrasen. Familien wollen ernst genommen werden.
Wir brauchen strukturelle Entlastung und Unterstützung für echte Vereinbarkeit. Eine Aufwertung von sozialen und Dienstleistungsberufen, in den besonders häufig Frauen arbeiten. Gleichberechtigung bei Eltern- und Pflegezeiten. Schluss mit dem Ehegattensplitting, Schluss mit Gender Pay und Care Gap. Qualitativ hochwertige Ganztagsbetreuung für die Kinder.
Laut WSI ist das Vertrauen vor allem von Müttern in den Pandemiejahren in die Politik massiv geschwunden. Mütter waren in den letzten Jahren besonders belastet, fühlten sich allein gelassen und ausgelaugt. Es liegt jetzt an der Politik, dieses Vertrauen zurück zu gewinnen.”
Bezahlt Carearbeit
Fabian Soethof ist Journalist, Blogger und Vater zweier Kinder. Er schreibt über Musik und Familienleben auf seinem Blog und bei Instagram unter “New Kid and the Blog“
Seine Forderung:
“Familien brauchen eine Lobby. Ohne sie und unbezahlte Carearbeit läuft der ganze große Laden Deutschlands nicht. Würden alle Eltern(-teile) diese Arbeit hinschmeißen, wären Wirtschaft und Politik auch aufgeschmissen. Tun sie aber nicht, weil es ja um ihre Kinder geht. Darf man das eigentlich schon Erpressung von Eltern nennen?”
Mutigere Familienpolitik
Sandra Runge ist Rechtsanwältin und Autorin. Sie hat zusammen mit Karline Wenzel das Buch “Glückwunsch zum Baby, Sie sind gefeuert” geschrieben, das sich mit Elterndiskriminierung in der Arbeitswelt beschäftigt. Mehr über Sandra findet ihr u.a. auf ihrem Instagram-Profil.
Ihre Forderung:
“Eltern und Kinder werden immer noch rechtlich, steuerlich und finanziell benachteiligt. Wir brauchen daher dringend eine mutigere Familienpolitik und vor allem neue rechtliche Rahmenbedingungen die Mütter und Väter vor Diskriminierungen schützen. Dazu gehört die Erweiterung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes um ein neues Diskriminierungsmerkmal „Fürsorgeleistung“, aber auch ein verlängerter Sonderkündigungsschutz nach der Elternzeit.”
Wir brauchen einen Paradigmenwechsel
Jana Friedrich ist Hebamme in Berlin und schreibt seit 10 Jahren den hebammenblog.de. Sie gibt Geburtsvorbereitungskurse – live und online zum Streamen und engagiert sich für eine gute Geburtskultur unter dem Hashtag #Birthesteem
Ihre Forderung:
“Dass die Geburt ein wichtiges Ereignis im Leben ist, mag eine Binsenweisheit sein. Tatsächlich beeinflusst aber die Art und Weise, wie Mutter und Kind diesen Tag erleben, die Familie für eine lange Zeit.
Um diesen Tag möglichst gut zu gestalten und zu begleiten, braucht es Hebammen. Genug Hebammen. Hebammen, die Zeit haben, die Familien so zu betreuen und zu begleiten, wie das jeweils gewünscht und gebraucht wird.
Dafür muss der Beruf der Hebamme attraktiv sein. Hebammentätigkeit war schon immer schlecht bezahlt, brachte enorm viel Verantwortung und schwierige Arbeitszeiten mit sich. Momentan kommt noch hinzu, dass im klinischen Setting meist mehr Arbeit anfällt, als für die dort angestellten Hebammen leistbar ist. Somit werden Hebammen weder den Familien noch ihren eigenen Ansprüchen gerecht.
Wir brauchen mehr Planstellen in den Kliniken, damit eine 1 zu 1 Versorgung – wie längst in den geburtshilflichen Leitlinien empfohlen – und somit eine gute und individuelle Betreuung, auch nur ansatzweise möglich wird.
Wir brauchen eine bessere Bezahlung, sowohl im klinischen als auch im freiberuflichen Bereich, damit Hebammen im Beruf bleiben und dieser auch für junge Menschen attraktiv bleibt.
Wir brauchen aber vor allem eine Anerkennung dieser wichtigen Zeit im Leben, die sich in politischen Maßnahmen niederschlägt. Wir brauchen mehr als Klatschen, schöne Worte und Merci-Schokolade. Ich wünsche mir einen Paradigmenwechsel – für uns alle.”
Macht uns sichtbar
Anna Mendel ist Autorin, Speakerin und Texterin. Sie schreibt vor allem über Antirassismus, pflegende Elternschaft und Bodyneutrality. Mehr von ihr findet ihr u.a. auf ihrer Website oder bei Instagram auf ihrem Profil “annamendel.official“
Ihre Forderung:
“Als Mutter of Color von drei Kindern, von denen zwei behindert sind, fühle ich mich übermäßig sichtbar und gleichzeitig unsichtbar. In der Öffentlichkeit werden wir angestarrt. Nicht nur unser Aussehen, sondern auch das Verhalten unserer Kinder wird sehr, sehr genau beobachtet. Im System hingegen fühle ich mich unsichtbar. Falle ich wegen Krankheit aus, gibt es keinen Notfallplan, keine Gelder, die es uns ermöglichen, unsere Kinder mit Pflegegrad trotzdem gut zu versorgen. Inklusion ist Schall und Rauch. Und jede Bemühung um ein besseres Leben für meine Kinder und uns alle kann mit einem einfachen „Antrag abgelehnt“ unsichtbar gemacht werden. Ich hab es satt.”
Wir brauchen eine Kindergrundsicherung
Christine Finke ist Journalistin, Autorin und Stadträtin in Konstanz. Sie schreibt viel, aber nicht ausschließlich, über die Situation Alleinerziehender, Autismus aus Elternsicht, Familienpoltik und Feminismus.
Mehr von ihr findet ihr auf ihrem Blog oder bei Twitter unter “Mama arbeitet“.
Ihre Forderung:
“Vor lauter Krieg und Krisen darf auf gar keinen Fall die Kindergrundsicherung – und zwar in angemessener Höhe, nicht als umbenanntes Kindergeld! – auf die lange Bank geschoben werden. Kinder sind immer noch ein Armutsfaktor in Deutschland, das darf nicht sein. Damit zusammen hängt natürlich auch Elterndiskriminierung, die viele Familien auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt benachteiligt; Elternschaft muss dringend als Diskriminierungsmerkmal gesetzlich verankert werden. Und schließlich die Kinderrechte, die ins Grundgesetz sollen. Das ist längst überfällig!”
Eine verlässliche Kinderbetreuung
Birk Grüling ist Wissenschaftsjournalist, Papa, Autor von Büchern für Große & Kleine und schreibt auch für familie.de. Seine journalistische Arbeit nimmt Kinder genauso in den Blick wie Erwachsene. Birks Texte findet ihr auf torial, seine Bücher im Buchhandel und seine familie.de-Artikel in Birks Autorenprofil.
Seine Forderung:
“Eltern brauchen – nicht erst seit heute – eine verlässliche Kinderbetreuung. Und damit meine ich eine Kinderbetreuung, bei der es nicht (nur) darum geht, Kinder zu verwahren und Erwachsenen Erwerbsarbeit zu ermöglichen. Kinderbetreuung, egal ob nun in Kita oder Nachmittagsbereich der Schule, muss pädagogisch hochwertig sein und Kindern neue Perspektiven und Entwicklungschancen eröffnen, kurz ein wichtiger Bildungsort sein. Doch genau dafür braucht es Investitionen – in die Ausbildung und Bezahlung von Fachkräften und in die Ausstattung von Kitas und Schulen. Ausgaben dafür sollten mindestens genauso wichtig und umfangreich sein wie für die Rettung von Konzernen und die Bundeswehr.”
Reformiert die Mutterschutzfrist vor der Entbindung!
Inga Sarrazin ist Zwillingsmama, Bloggerin und Elternberaterin. Mehr über sie findet ihr auf “Es sind 2 – das Zwillingsportal“
Ihre Forderung:
“Mit Zwillingen oder Mehrlingen schwanger zu sein, sie zu gebären und die ersten Wochen und Monate zu (über)leben, bringt für Frauen sehr viele physische und psychische Herausforderungen mit sich. Zudem werden mehr als 60 % der Zwillinge vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren, wobei ca. 12 % vor der 32. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen.
Zum Schutz der physischen und psychischen Gesundheit der (werdenden) Mütter und Kinder, sollte aus meiner Sicht die Mutterschutzfrist vor der Entbindung für werdende Zwillings- und Mehrlingseltern reformiert und den Herausforderungen angepasst werden. Denkbar wäre z.B. eine Mutterschutzfrist von zehn Wochen vor der Geburt.
Um zusätzlich den Herausforderungen der ersten Wochen gerecht zu werden, sollte die unterstützende Mütterpflege und Haushaltshilfe, entsprechend des § 38 des V. Sozialgesetzbuches, Zwillings- und Mehrlingseltern automatisch zustehen und der bürokratische Aufwand der Beantragung auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. Für einen gesunden Start ins Leben als Zwillings- und Mehrlingseltern.”
Dringend finanzielle Entlastung
Nathalie Klüver ist Autorin, Bloggerin bei “Ganz normale Mama” und Journalistin. Sie hat gerade ein Buch veröffentlicht, das sich mit der Frage beschäftigt, ob Deutschland ein kinderfeindliches Land ist und Ideen forumliert, was sich zum Wohle von Familien ändern muss. Ihr findet sie u.a. bei Instagram unter “Nathalie Kluever“.
Ihre Forderung:
“Die vergangenen zwei Jahre haben Eltern und Kinder überproportional belastet, nicht nur die Lockdowns mit ihren Kindergarten- und Schulschliessungen, auch die Ungewissheit, wie es weitergeht, die Quarantäne, die jederzeit anstehen konnte und der Wegfall vieler Angebote für Kinder wie Kindertheater, Sportveranstaltungen oder Musikunterricht.
Diese Ungewissheit ist immer noch nicht aufgelöst – und zu ihr gesellt sich nun auch eine große finanzielle Unsicherheit. Viele Familien geraten durch die steigenden Kosten in große Bedrängnis, die durch die Entlastungspakete nicht genügend gemildert werden.
Wir brauchen dringend mehr finanzielle Entlastung für Familien, die über eine Kindergelderhöhung hinaus geht und eine gesicherte und gut ausgebaute Kinderbetreuung.”
Kinder sollten nicht in Armut leben
AikO ist ein Pseudonym. Die Frau, die sich dahinter versteckt, ist alleinerziehend und wie sie selbst sagt: “finanziell, aber nicht sozial schwach”. Sie hat den Hashtag #IchbinArmutsbetroffen auf Twitter ins Leben gerufen. Sie ist dort anonym unterwegs, weswegen wir sie hier auch nicht zeigen. Folgen könnt ihr AikO auf Twitter unter dem Handle “Finkulasa“.
Ihre Forderung:
“Wir brauchen eine armutsfeste Kindergrundsicherung, VOR 2024, welche nicht auf Grundsicherungsgelder angerechnet wird.
Eine realistische Angleichung der BuT Leistungen, mit einbeziehen der Kosten für Hin und Rückfahrten, besonderer Kleidung etc. und definitiv der Erhöhung der Freigrenzen. Gerade für Familien, die kurz überm Satz sind, denen durch Kita/Ogs Kosten aber einfach viel Geld fehlt. Kinder sollten nicht in Armut leben müssen. Niemensch sollte das.”
Vaterschaftsurlaub
Marco Krahl ist Journalist und Podcaster. Er weiß, was Väter umtreibt, denn der Redaktionsleiter von Men´s Health Dad und stellvertretende Chefredakteur von Men´s Health spricht viel mit ihnen. Natürlich auch für seinen Echte Papas Podcast den ihr überall, wo es Podcasts gibt, hören und abonnieren könnt.
Seine Forderung:
“Was brauchen Familien in diesen Zeiten von der Politik? Eigentlich weiß die Politik das sehr genau! Denn als die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz Ende letzten Jahres antrat, war eine der ersten Amtshandlungen seiner frisch gebackenen Bundesfamilienministerin Anne Spiegel, einen zweiwöchigen Väterurlaub nach Geburt des Kindes anzukündigen.
„Wir wollen es stärker unterstützen, wenn Paare die Kinderbetreuung als gleichberechtigte Aufgabe begreifen“, begründete die grüne Familienpolitikerin damals die Pläne ihres Ministeriums. Richtig und wichtig, wie ich finde! Denn schon die Einführung von Elterngeld- und Elternzeit im Jahre 2007 hat gezeigt, dass es Impulse aus der Politik braucht, damit sich in unserer Gesellschaft etwas ändert.
Zurück zum Väterurlaub: Dass der in Deutschland eingeführt wird, ist meiner Meinung nach allerhöchste Eisenbahn, unter anderem auch deshalb, weil eine bereits im Jahr 2019 beschlossene EU-Vereinbarkeitsrichtlinie in allen Ländern zehn Tage bezahlten Vaterschaftsurlaub vorsieht. Das Problem an der Sache: Anne Spiegel trat schon nach fünf Monaten von ihrem Amt zurück und ihre Nachfolgerin Lisa Paus hält sich seitdem bei den Plänen ihrer Vorgängerin bedeckt – und das trotz eines Vertragsverletzungsverfahrens, das die Brüsseler Behörde inzwischen gegen die Bundesregierung eingeleitet hat. Denn die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie hätte eigentlich bis August 2022 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Es ist also gar nicht die Frage, was Familien von der Politik brauchen. Die Frage ist vielmehr, wann die Politik ihren Worten Taten folgen lässt.”
Familien brauchen Berechenbarkeit
Inke Hummel ist Familienberaterin bei sAchtsam Hummel und Autorin von Elternratgebern und Kinderbüchern. Viele ihrer Bücher wurden zu Bestsellern weil sie die Sorgen und Nöte von Familien in den Mittelpunkt stellen und ohne erhobenen Zeigefinger Hilfestellungen anbieten. Inke findet ihr auch auf Twitter und Instagram.
Ihre Forderung:
Berechenbarkeit. In den vergangenen Jahren haben Eltern und Kinder sehr darunter gelitten, dass Regeln und Aussagen so wechselhaft waren. Manches davon ging schwerlich anders. Aber ich habe in den Beratungen gespürt, wie sehr das alle verunsichert hat. Ängste sind ein riesiges Thema geworden und durch die aktuelle Weltlage ist das weiterhin so. Also wünsche ich mir für meine Klienten mehr Berechenbarkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit.
Familien brauchen Sichtbarkeit
Katharina aus Berlin und Lisa aus dem Bergischen schreiben bei “StadtLandMama“seit vielen Jahren über das Leben als Mütter. Die beiden Journalistinnen geben aber auch vielen anderen Familien eine Bühne und zeigen wie vielfältig Familienleben heutzutage ist. Außerdem schreiben siei sehr erfolgreich Bücher, für Eltern und seit neustem auch für Kinder. Ihre rege Facebook-Community ist für viele eine tägliche Unterstützung im trubeligen Alltag.
Ihre Forderungen:
“Familien brauchen vor allem erstmal Sichtbarkeit, bzw. Mitgedacht- und Gesehenwerden. Familien brauchen auf jeden Fall ein dauerhaft funktionierendes Sicherheitsnetz, das sie auffängt und niemanden ins Bodenlose krachen lässt.”
Mehr Kassensitze für Psychotherapeut*innen
Lena Kuhlmann ist approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit tiefenpsychologischem Schwerpunkt. Sie schreibt seit 2016 Artikel rund um Psyche und Psychotherapie um gegen die Stigmatisierung psychisch Kranker anzuarbeiten. Mehr über Lena findet ihr u.a. auf ihrem Instagram-Account “Freudmich“.
Ihre Forderung:
“Ich fordere mehr Kassensitze für PsychotherapeutInnen, damit wir gesetzlich versicherten Kindern und Jugendlichen mit seelischen Erkrankungen schnell adäquate Hilfe anbieten können. Die aktuelle durchschnittliche Wartezeit von ca. 6 Monaten auf einen Therapieplatz ist nicht hinnehmbar.”
Video: 10 Dinge die alle Eltern kennen
Wir freuen uns auf eure Nachricht wo ihr Unterstützung von der Familienpoltik braucht. Während ihr darüber nachdenkt, haben wir hier weitere Leseempfehlungen für euch: