Ein unerfüllter Kinderwunsch ist eine große emotionale Herausforderung für jede Partnerschaft. 25 bis 60 Prozent der Betroffenen berichten von psychischen Problemen – in schweren Fällen kann daraus eine klinische Depression entstehen. Welche Möglichkeiten du hast, wenn du eine Depression bei dir vermutest und wo du Hilfe findest.
- 1.So entsteht eine Depression bei unerfülltem Kinderwunsch
- 1.1.Wie Fruchtbarkeit und Psyche aufeinander einwirken
- 1.2.Anzeichen einer Depression
- 2.Depression bei unerfülltem Kinderwunsch: Das kannst du jetzt tun
- 2.1.Therapieplatz suchen: Das ist zu beachten
- 3.Depression bei einseitigem Kinderwunsch: So geht's jetzt weiter
- 4.Depressionen bei unerfülltem Kinderwunsch: Möglichkeiten für Solomütter
So entsteht eine Depression bei unerfülltem Kinderwunsch
Ein langfristiger, unerfüllter Kinderwunsch erzeugt oft ähnliche seelische Schmerzen, wie der Verlust eines geliebten Menschen. Viele Betroffenen ziehen sich zurück, leiden im Stillen. Einer kalifornischen Studie zufolge weisen 56 Prozent der Frauen und 32 Prozent der Männer, die sich in einer Kinderwunschbehandlung befinden, Symptome einer schweren Depression auf.
Jeder Mensch geht sehr unterschiedlich mit der Belastung um, die eine ist vielleicht wütend, zweifelt an sich selbst und dem Partner, der andere wird schlicht von Hoffnungslosigkeit und Trauer übermannt. In vielen Fällen ziehen sich betroffene Paare sozial, aber auch emotional von dem / der jeweils anderen zurück.
Während Männer in erster Linie von rein psychischem Leid betroffen sind, zum Beispiel bei Diagnosen wie Oligospermie oder OAT-Syndrom, die schwer zu verkraften sind, ist eine Kinderwunschbehandlung für die Frau auch physisch kräftezehrend. Besonders, wenn vielleicht eine große Anzahl erfolgloser Behandlungen oder sogar Fehlgeburten vorliegen und der Versuch, schwanger zu werden, sich über mehrere Jahre hinzieht.
Das hat natürlich Auswirkungen auf die Dynamik der Beziehung, was wiederum psychische Probleme zusätzlich fördern kann. Schnell befindet man sich in einem Teufelskreis, denn Stress kann die Fruchtbarkeit zusätzlich noch negativ beeinflussen.
Hinweis: Wenn du oder dein Partner / deine Partnerin gefährdet ist und ihr nicht weiter wisst, steht euch das Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe zur Verfügung. Ihr erreicht es unter 0800 / 33 44 533. In Notfällen, z. B. bei drängenden und konkreten Suizidgedanken zögert nicht, euch an die nächste psychiatrische Klinik zu wenden, oder den Notarzt unter der Telefonnummer 112.
Wie Fruchtbarkeit und Psyche aufeinander einwirken
Der Hormonhaushalt ist ein individueller, sensibler Kreislauf, der von Person zu Person unterschiedlich schnell aus dem Gleichgewicht geraten und eine Schwangerschaft dadurch erschweren kann. Ein stressiger Job, gesundheitliche Beschwerden, private Probleme und damit eben auch übermäßige Sorgen setzen Cortisol und CRH (Kortikotropin-freisetzendes Hormon, auf englisch Corticotropin-Releasing-Hormon) frei. Diese können die Reproduktionshormone der Frau unterdrücken und so einen Eisprung verhindern oder verzögern.
Anders als viele annehmen, ist aber nicht nur der weibliche Zyklus betroffen. Auch die männlichen Hormone können im dauerhaften Stresszustand durcheinander geraten. So können sich etwa die Anzahl und Qualität der Spermien verringern. Dies kann in einem Spermiogramm überprüft werden.
In sehr seltenen Fällen kann die Erektion auch vollkommen ausbleiben. Wird der Betroffene bereits mit Antidepressiva behandelt, können auch diese eine erektile Dysfunktion begünstigen. In diesem Fall ist es ratsam, den behandelnden Therapeuten bzw. die Therapeutin über den Kinderwunsch zu informieren und unter ärztlicher Aufsicht auf eine Alternative umzusteigen.
Übrigens: Auch auf die Fruchtbarkeit der Frau können sich Antidepressiva auswirken. Inzwischen gibt es Studien, die einen Zusammenhang zwischen spontanen Fehlgeburten und der Einnahme von Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) nahelegen.
Anzeichen einer Depression
Was also tun, wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt, die Beziehung leidet und du auch noch fürchtest, von einer Depression betroffen zu sein? Du erkennst die Erkrankung an folgenden Anzeichen:
- Schlafstörungen
- ständige Erschöpfung und Energiemangel
- verstärkte Reizbarkeit
- anhaltende Interessen- und Lustlosigkeit
- wiederkehrende, unspezifische Schmerzen
- Appetitlosigkeit oder emotionales Essen
- lähmende Angst
- sozialer Rückzug
Natürlich heißt das nicht, dass jede*r mit Insomnia sofort depressiv ist. Oft treten verschiedene Merkmale in Kombinationen miteinander auf. Manchmal bringen auch Familienmitglieder, Bekannte oder dein*e Partner*in ein verändertes Verhalten der betroffenen Person zur Sprache, etwa auffällige Traurigkeit oder Isolierung. Das kann übergriffig wirken, äußert normalerweise jedoch schlicht ehrliche Sorge und kann die Person im besten Fall dazu bringen, ihr Wohlbefinden ernsthaft und aufrichtig zu hinterfragen.
Wir brauchen einander
Eine Depression ist eine (zum Teil schwere) Erkrankung, für die sich niemand schämen braucht und die in jedem Fall ernst genommen werden sollte. Fühl dich also nicht schuldig und versuche auch nicht, dir einzureden, dass alles in Ordnung ist. Ist es nicht. Und das ist okay.
Der erste Schritt ist oftmals, zu akzeptieren, dass es uns nicht gut geht und wir Hilfe brauchen. Klar könnten wir uns vielleicht auch selbst da durch kämpfen – aber damit fügen wir uns und anderen langfristig oft nur mehr Schaden zu. Glaub mir, ich spreche da aus Erfahrung.
Auch, wenn du Anzeichen einer Depression, aber noch keine Diagnose hast, kann eine therapeutische Behandlung dir gut tun. Klinische Depressionen entwickeln sich meist schleichend und können viele Gesichter haben. Solltest du dich mental über einen längeren Zeitraum nicht gut fühlen, zögere bitte nicht, dir professionelle Hilfe zu suchen. Das ist keine Schwäche sondern ein Zeichen der Selbstliebe und des Respekts für deinen Körper und Geist.
Depressionen entstehen aus unterschiedlichen Gründen und oft ist nicht immer ganz klar, worin genau die Ursache liegt. Ärzte und Wissenschaftlerinnen nehmen an, es handle sich um ein Zusammenspiel aus körperlichen und sogenannten psychosozialen Faktoren.
Körperliche Aspekte sind schlicht Risikofaktoren, die die Chance, an einer Depression zu erkranken, erhöhen, beispielsweise genetische Veranlagung, Alkoholkonsum oder Herz-Kreislauf- sowie Krebserkrankungen, bei denen es zu Veränderungen im Gehirn kommt.
Unter psychosozialen Faktoren versteht die Forschung meist traumatische Ereignisse wie Verluste – dazu zählt übrigens auch der unerwartete Verlust eines lieb gewonnenen Jobs –, erlebte Gewalt oder Missbrauch. Auch gestörte Beziehungen zu den Eltern, eine belastende Partnerschaft, Einsamkeit, der (unfreiwillige) Wechsel des Wohnorts oder dauerhafter Stress im Beruf können Depressionen hervorrufen, besonders, wenn mehrere dieser Faktoren in Kombination miteinander auftreten.
Depression bei unerfülltem Kinderwunsch: Das kannst du jetzt tun
Entsteht die Depression durch einen unerfüllten Kinderwunsch und die belastenden Erfahrungen auf der Reise zum Familientraum, ist der Trigger klar. Ob, wann und wie heftig du an einer Depression erkrankst, hängt dann wiederum von anderen (eventuelle traumatischen) Lebenserfahrungen sowie genetischen Faktoren ab.
Es kann also sein, dass du und dein Partner / deine Partnerin schon unzählige Arztbesuche, verschiedene Diagnosen und mehrere fehlgeschlagene künstliche Befruchtungen hinter euch habt, bevor sich eine Depression entwickelt. Vielleicht habt ihr die Kinderwunschklinik bereits ein paar Mal gewechselt, habt große Geldsummen investiert und wart sogar schon im Ausland, um euch spezialisierte Hilfe zu suchen.
Genauso kann es sein, dass ihr erst seit wenigen Monaten versucht, schwanger zu werden und du dank wiederkehrender Enttäuschungen sehr schnell erste Symptome einer Depression bei dir erkennst. Alle Menschen empfinden Schmerz und Belastung auf einem individuellen Level, du solltest dich hier also nicht mit anderen vergleichen. Dein Leid ist in jedem Fall angemessen und einer Behandlung würdig.
Meine Kollegin hat mit Kinderwunsch-Betreuerin Katrin von Fertilly gesprochen. In diesem Video erfährst du, wie du den emotionalen Weg der Kinderwunschbehandlung meistern kannst und welche Hilfen du bekommst:
Therapieplatz suchen: Das ist zu beachten
Sich aktiv Hilfe zu suchen kann schwierig sein, denn die Erkrankung kommt mit physischen Problemen, die bei leichten Erschöpfungssymptomen beginnen und damit enden können, dass Betroffene überhaupt nicht mehr in der Lage sind, ihren Alltag zu bestreiten.
Such dir daher zuerst eine emotionale Unterstützung, eine Person, der du dein Leid anvertraust und die über deine Gefühle Bescheid weiß. Das muss auch nicht der Partner bzw. die Partnerin sein. Eine gute Freundin, ein Freund oder ein Familienmitglied kann dir beistehen, dich zum Arzt begleiten und dich bei der Suche nach einer Therapeutin unterstützen. Es gibt auch zahlreiche Selbsthilfegruppen und Online-Plattformen, in denen du dich mit anderen Betroffenen austauschen kannst.
Online-Plattformen:
Online-Telefonseelsorge: 0 800 111 0 111 oder 0 800 111 0 222
Hier Beratungsstelle bei ProFamilia finden.
Am schnellsten kommst du meist zu einem Therapieplatz, wenn du dir von deinem Hausarzt bzw. deiner Hausärztin eine Überweisung schreiben lässt. Benötigst du umgehend therapeutische Hilfe, kann er oder sie dir einen Dringlichkeitscode ausstellen. Der ist aber nicht zwingend notwendig. Bei Fragen kannst du dich auch erst einmal an deine Krankenkasse wenden, eine Überweisung zum Facharzt ist in den meisten Fällen jedoch trotzdem nötig.
Viele Krankenkassen bieten dir eine Übersicht an Kliniken, Ärztehäusern und selbstständigen, registrierten Therapeutinnen. Mit deiner Überweisung musst du dich dort leider meist durchklingeln, bis dir jemand einen freien Platz bieten kann. Ohne Dringlichkeitscode kann es oft zu Wartezeiten von mehren Monaten kommen, auch deshalb ist es ratsam, sich zügig Hilfe zu suchen, und nicht zu warten, bis sich die Symptome verschlimmern.
Der Weg ist steinig & schwer
Sich zur Therapie anzumelden ist oft deutlich leichter gesagt als getan. Viele Psychologinnen und Psychologen sind vollkommen überlastet und haben einfach keine Kapazitäten, um noch weitere Patientinnen oder Patienten aufzunehmen.
Dazu kommt noch, dass der erste freie Platz nicht unbedingt auch der richtige für dich ist. Fühlst du dich nicht sicher, unverstanden oder hast das Gefühl, dich nur schwer öffnen zu können, möchte ich dir einen Wechsel ans Herz legen. Auch ich war eine Zeit lang bei einer Psychotherapeutin, bei der ich mich überhaupt nicht wohlgefühlt habe. Eine effektive Behandlung ist dann sehr schwierig und kann sich im schlimmsten Fall kontraproduktiv auswirken.
Heute benutze ich BetterHelp, eine Plattform für Online-Therapie aus Kalifornien, die mittlerweile mehr als 35.000 Therapeutinnen und Therapeuten aus aller Welt unter Vertrag hat. Dort kannst du leicht persönliche Präferenzen setzen (etwa Geschlecht oder religiöse Zugehörigkeit) und jederzeit deinen Therapeuten bzw. deine Therapeutin wechseln. Die meisten Krankenkassen übernehmen jedoch keine Kosten für Online-Therapie, es sei denn, du erhältst dort eine klinische Diagnose mit entsprechenden, anerkannten Dokumenten.
Heutzutage gibt es zahlreiche Möglichkeiten, schwanger zu werden, weswegen viele Paare mit etwas Geduld am Ende oft doch noch an ihrem Ziel ankommen. Allerdings ist das leider nicht immer der Fall, manchmal fehlt der Zusammenhalt in der Partnerschaft – oder auch einfach die finanziellen Mittel. Selbst mit Zuschüssen von Staat und Krankenkassen ist eine Kinderwunschbehandlung sehr teuer. Auch das ist natürlich ein belastender Faktor und für viele Menschen eine potenzielle Quelle großer Angst.
Sind die Gründe für die ausbleibende Schwangerschaft rein medizinisch, könntet ihr über eine Adoption oder Pflegschaft nachdenken. Aber auch dabei warten einige Hürden auf euch. Wird der (bisher unerfüllte) Kinderwunsch von einer Depression überschattet, macht es das zusätzlich schwieriger, denn physische Energie und mentale Belastbarkeit sind dabei grundsätzlich eingeschränkt. Zudem ist ein psychologisches Gutachten notwendig, um ein Baby oder Kind zu adoptieren.
Eine Paartherapie kann ebenfalls helfen, wenn der kraftraubende Weg zur Schwangerschaft eure Beziehung zu stark belastet und ihr euch voneinander entfernt. Sie bietet euch nicht nur professionellen Rat und einen neutralen Raum, um euch auszusprechen, sondern eben auch die Möglichkeit, das Erlebte zu verarbeiten, Frust, Wut und Trauer mit der Zeit loszulassen und zurück in die Beziehung, ins Leben zu finden.
Achtung: Entdeckst du schwerwiegende Symptome einer Depression bei dir oder hast vielleicht sogar schon eine klinische Diagnose, ist eine Paartherapie nicht die richtige Anlaufstelle. Sie kann eine Psychotherapie ergänzen, aber nicht ersetzen!
Es gibt noch mehr Alternativen für Online-Therapie:
Nicht selten bieten auch selbstständige Therapeutinnen und Therapeuten Online-Beratung an. Erkundige dich bei deiner Krankenkasse nach Therapieportalen! Hier kannst du selbst auf die Suche gehen:
Depression bei einseitigem Kinderwunsch: So geht's jetzt weiter
Sprichst du deinen Kinderwunsch immer wieder an und stößt dabei auf taube Ohren oder erntest Protest und Zurückweisung, kann das ganz besonders herzzerreißend sein. Und auf lange Sicht leiden meist trotzdem beide Parteien – nicht nur die, die sich Kinder wünscht. Auch ein einseitiger Kinderwunsch kann also eine Depression oder andere psychiatrische Symptome hervorrufen.
Grundsätzlich gilt: Redet miteinander! Auch hier kann eine Paartherapie nützlich sein, allerdings gibt es keinen Kompromiss beim Schwangerwerden. Könnt ihr euch nicht einigen (und dabei müssen wirklich beide Seiten zu der Entscheidung stehen), ist eine Trennung manchmal leider unumgänglich. Wann sie sinnvoll ist, wie du damit umgehst und was du sonst noch tun kannst, erfährst du hier:
Depressionen bei unerfülltem Kinderwunsch: Möglichkeiten für Solomütter
Auch Singles können natürlich unter einem unerfüllten Kinderwunsch leiden und eine Depression entwickeln. Sei es nach einer Trennung bei einseitigem Kinderwunsch, aufgrund einer Partnerschaft, die während den Strapazen einer langjährigen, erfolglosen Kinderwunschbehandlung in die Brüche gegangen ist oder weil der Richtige einfach noch nicht aufgetaucht ist.
Zum Glück haben auch Solomamas heutzutage reichlich Optionen, um ohne Partner schwanger zu werden, etwa durch eine Samenspende. Entdeckst du jedoch während der Kinderwunschbehandlung Anzeichen ernster psychischer Probleme, ist es auch hier wichtig, sich möglichst schnell Hilfe zu holen.
Als Solomami doppelt wichtig: Such dir so viel Unterstützung wie du kannst! Umgib dich mit Freunden und Freundinnen, Familienmitgliedern und sprich mit Menschen, die ähnliches durch gemacht haben. Du bist nicht allein!
Quellen: De Berardis D., Mazza M., Marini S., et al.: "Psychopathology, emotional aspects and psychological counselling in infertility: a review" (Clinical Therapeutics, 2014); Pasch LA., Holley SR., Bleil ME., Shehab D., Katz PP., Adler NE.: "Addressing the needs of fertility treatment patients and their partners: are they informed of and do they receive mental health services?" (Fertility and Sterility, 2016); AOK: Depressionen: Woher kommen sie und wie lassen sie sich behandeln?; Familienportal: Staatliche Leistungen für Familien; Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: "Langzeitgabe von Antidepressiva. Informationen für Patientinnen / Patienten und Angehörige"; Kinderwunschzentrum Erlangen: Seelenschmerz bei unerfülltem Kinderwunsch – der schmale Grat zur Depression; Universitätsklinikum Bonn: Psychisches Befinden bei ungewollter Kinderlosigkeit und Kinderwunschbehandlung. Eine Information für Betroffene und Angehörige; LIMES Schlosskliniken: Unerfüllter Kinderwunsch – Eine Gefahr für die psychische Gesundheit