Der Deutsche Buchpreis (dbp) wird seit 2005 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergeben und zeichnet den besten Roman des Jahres aus. Unterstützt wird er unter anderem von Deutsche Welle, Deutschlandfunk, Deutsche Bank Stiftung und der Frankfurter Buchmesse. Ausgezeichnet wird der erste Platz zudem mit 25.000 Euro, alle anderen Nominierten erhalten 2.500 Euro. Am 14. Oktober 2024 wurde die finale Gewinnerin gekürt.
Die Jury hat gewählt: Der diesjährige Deutsche Buchpreis geht an Martina Hefter mit ihrem Roman: "Hey guten Morgen, wie geht es dir?". Im Folgenden stellen wir ihn und alle anderen Nominierten einmal genauer vor. Jedes einzelne Werk ist definitiv ein paar gute Lesestunden wert!
Platz 1
Martina Hefter: "Hey guten Morgen, wie geht es dir?"
Juno ist sehr beschäftigt in ihrem Alltag – und besorgt um ihren schwerkranken Mann Jupiter. Tagsüber pflegt sie ihn mit Hingabe, außerdem ist sie Künstlerin, Tänzerin sowie Schauspielerin im Theater. Doch nachts, da flüchtet sie sich ins Internet – und schreibt mit Männern, die Frauen um ihr Geld betrügen wollen.
Juno kennt ihre Spielchen. Also spielt sie Spielchen mit ihnen. Sie flüchtet sich in eine Online-Welt, in der sie ihr echtes Leben vollkommen vergessen und sagen kann, was sie will. Ohne Konsequenzen. Doch das ändert sich als sie Benu kennenlernt, der sich nicht von ihr täuschen lässt.
Ein Buch wie ein Seiltanz. Aber solange Martina Hefter erzählt, kann nichts passieren.
Shortlist
Maren Kames: "Hasenprosa"
Hasenprosa ist schwer zu beschreiben und muss selbst gefühlt werden. Lasst also einfach den Klappentext auf euch wirken, denn der allein ist schon "sturzoffen wie ein Kindheitssommer":
"Wenn das alles gewesen ist, ziehe ich aus!, ruft da eine und macht sich in ihren Meilenstiefeln, ihren Reisesocken davon. Auf der Rückbank: ein Hase. Es geht einmal quer durch die Zeit, die Zeitalter und hinaus, ins knalldunkle All. Im Strichflieger durch den Himmel und die Erinnerung: an zwei Großmütter, eine helle, eine dunkle, eine heile, eine wunde. Einen Großvater, seine furchigen Hände. Einen Bruder und seinen Baum. An rasende Träume, krumme Märchen und einen Purple Rain."
Was für eine Explosion an Stimme, Sound und Welt. Das hat mich richtig glücklich gemacht."
Shortlist
Clemens Meyer: "Die Projektoren"
Schonungslos, rasant und verworren (auf eine gute Weise): Das ist "Die Projektoren" von Clemens Meyer.
Ein ehemaliger Partisan erlebt im Velebit-Gebirge den Dreh der Winnetou-Filme. Später wird der Ort zum Schlachtfeld der brutalen Jugoslawischen Kriege. Währenddessen werden bei einer Konferenz in Leipzig die rätselhaften Texte eines ehemaligen Klinik-Patienten diskutiert, der auf geheimnisvolle Weise spurlos verschwand. Was verbindet ihn mit dem Weltreisenden Dr. May, der in der Vergangenheit ebenfalls als Patient die Klinik betrat?
Shortlist
Ronya Othmann: Vierundsiebzig
"Ich habe immer gedacht, dass es das Ende ist, wenn der Himmel auf die Erde fällt. Am 3. August 2014 ist der Himmel nicht auf die Erde gefallen, aber trotzdem war es das Ende."
Vierundsiebzig beschreibt den vierundsiebzigsten Genozid der Welt, verübt 2014 in Shingal von Kämpfern des I.S. In ihrem zweiten Roman findet Ronya Othmann Worte für das Unaussprechliche, für eine Reise an die Fronten, in die Camps, deutsche Gerichtssäle und Wohnzimmer der Verbliebenen, bis zu einem Dorf in der Türkei, in dem heute keine Menschenseele mehr zu finden ist.
Vierundsiebzig ist vieles in einem – Autobiographie, Biographie, Reiseliteratur und Geschichtsschreibung in Echtzeit – und dennoch ein organisches Ganzes. Ein literarischer Befreiungsschlag.
Shortlist
Markus Thielemann: "Von Norden rollt ein Donner"
Der "Anti-Heimatroman" von Markus Thielemann ist so gar nicht das, was man zunächst erwartet. Politisch, fesselnd, fast schon gespenstisch beschreibt er den Fall einer ehemals idyllischen Provinz.
Jannes ist 19 Jahre alt. Tagtäglich treibt er mit seiner Familie die Schafe auf der Lüneburger Heide – bis der Wolf zurückkommt und die Anspannung im Dorf zu eskalieren droht.
Shortlist
Iris Wolff: "Lichtungen"
"Du hättest zurücksehen müssen, dachte er, allein um zu wissen, ob sie sich nach dir umgewandt hat."
Lev ist über Wochen an sein Bett gefesselt – und so wird Kato, ausgerechnet die von allen gemiedene Kato, zu ihm geschickt, um ihm die Hausaufgaben zu bringen. Zwischen den beiden entsteht eine zeitlose Freundschaft, die ihnen im kommunistischen Rumänien Halt gibt. Erst durch die Aufhebung der europäischen Grenzen wird ihre Verbindung auf eine harte Probe gestellt.
"Lichtungen" ist der rührende Roman einer bewegenden Freundschaft. Ausgezeichnet wurde er bereits mit dem Uwe-Johnson-Preis.
Die folgenden Titel standen auf der Longlist und sind definitiv einen Blick wert. Sie haben es nur nicht in die engere, finale Auswahl geschafft.
Longlist
Nora Bossong: "Reichskanzlerplatz"
Nora Bossongs "Reichskanzlerplatz" erzählt die intensive Lebensgeschichte zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – vor der Kulisse des Nationalsozialismus.
Hans ist in Hellmut verliebt, aber er muss seine Homosexualität verbergen, also beginnt er eine Affäre mit dessen junger Stiefmutter Magda. Diese will zunächst nur ihrer Ehe entfliehen, doch dann lernt sie niemand anderen als Joseph Goebbels kennen und tritt der NSDAP bei. Als sie dann auch noch mit ihren Kindern in der Wochenschau auftritt, gerät Hans in echte Gefahr ...
Ein furchtloser Roman über Mittäterschaft und darüber, wie aus dem kleinen Bösen das große Böse wächst. Kann man denn über das ›Dritte Reich‹ erzählen? Die Frage wird oft gestellt, nicht zu Unrecht. Nora Bossong beantwortet sie mit diesem großartigen Buch, indem sie es tut – vielschichtig, besonnen und erbarmungslos.
Longlist
Zora del Buono: "Seinetwegen"
Zora del Buono beschreibt in ihrem Roman "Seinetwegen" ihre eigene Lebensgeschichte: Die Geschichte einer langen Suche, die mehr Fragen aufwirft, als sie jemals beantwortet.
Sie war 8 Monate alt, als ihr Vater bei einem Autounfall verunglückte und wuchs stattdessen mit einer "Leerstelle" auf. Sechzig Jahre später beschließt sie, den geheimnisvollen E.T. ausfindig zu machen und zur Rede zu stellen – die Person, die Schuld am Tod ihres Vaters trägt.
Longlist
Franz Friedrich: "Die Passagierin"
"Von einem Ort, der die Zukunft hätte sein sollen"
Durch eine Zeitreise kehrt Heather in das Sanatorium Kolchis zurück, dorthin, wo sie als Teenagerin evakuiert wurde. Wie viele anderen leidet auch sie an sogenannten "Phantomerinnerungen" – und vor allem an der Einsamkeit, die Kolchis in ihrem Herzen hinterlassen hat.
Aber als sie Jahre später dorthin zurückkehrt, ist alles ganz anders. Die Anlage ist verfallen, die Bewohner*innen leben in ihrer eigenen Welt. Nur Matthias wird für Heather zu einem Begleiter – und einem Vertrauten, der sich weigert, die Vergangenheit zu akzeptieren.
Longlist
Timon Karl Kaleyta: "Heilung"
Ein Mann kann nicht mehr schlafen und muss um seine Ehe, seinen Status, ja, sein Leben fürchten. Bis seine Frau ihn in eine mysteriöse Klinik schickt, die seiner Vergangenheit auf den Grund gehen soll.
Der dort praktizierende Doktor Tinkel scheint ihm geradezu in die Seele blicken zu können – also flieht der Mann verängstigt zu einem Freund, den er noch aus Kindertagen kennt. Doch schon bald wird er erkennen, wie weit er gehen muss, um endlich von seiner Schlaflosigkeit und seiner eigenen Geschichte geheilt zu werden ...
Die schönste Bergklinik der Literatur seit dem Zauberberg, mysteriöse Schlaflosigkeit und eine abenteuerliche Erstverschlimmerung. Beim Lesen beginnt die Heilung aber schon auf Seite 1. Ganz herrlich!
Longlist
Michael Köhlmeier: "Das Philosophenschiff"
"Das Philosophenschiff" ist der direkte Nachfolger von "Zwei Herren am Strand". Die Architektin Anouk Perleman-Jacob feiert ihren 100. Geburtstag und lädt dazu einen Schriftsteller ein, der ihre Lebensgeschichte erzählen soll. Und genau das hat Michael Köhlmeier erstklassig getan.
Als junge Frau wird Anouk Perleman-Jacob mit ihrer Familie und anderen Intellektuellen auf Lenins Befehl hin ins Exil deportiert – auf einem der sogenannten "Philosophenschiffe". Nach fünf langen Tagen und Nächten auf dem Meer geschieht jedoch das Unfassbare: Ein weiterer Passagier wird mit an Bord geholt. Und es ist niemand Geringeres als Lenin selbst.
longlist
Daniela Krien: "Mein drittes Leben"
"Mein drittes Leben" von Daniela Krien ist ein weiterer Kandidat auf der Longlist, brandneu, dramatisch und tiefsinnig.
Linda verliert ihre einzige Tochter bei einem tragischen Unfall. Nur wenige Sekunden der Unachtsamkeit entschieden über ihr Leben. Und auch Linda selbst wäre fast gefallen, aus Trauer und Verzweiflung. Doch sie hat die Hündin Kaja, ihren Garten, so viel Mitgefühl und so viel Kraft, die sie zu sich selbst zurückbringen.
Longlist
André Kubiczek: "Nostalgia"
Auf einfühlsame und vertraute Weise erzählt André Kubiczek die Geschichte seiner Herkunft und dem Versuch seiner laotischen Mutter, in der DDR Fuß zu fassen.
Eigentlich ist Andrés Leben ganz schön mit zwölf Jahren, solange sich alle vertragen, solange sein behinderter Bruder nicht wütend wird und seine Mutter nicht wieder krank. "Ein etwas anderes Bild vom Leben in der DDR – aus der Perspektive einer binationalen Familie, die im Alltag anzukommen versucht."
longlist
Ulla Lenze: "Das Wohlbefinden"
Vom Kaiserreich bis in die Gegenwart: "Das Wohlbefinden" ist ein empfindungsintensives Porträt dreier extravaganter Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Anna Brenner ist Fabrikarbeiterin in einer Lungenheilanstalt vor den Toren Berlins Anfang des 20. Jahrhunderts. Dort begegnet ihr Johanna Schellmann, eine spirituelle Schriftstellerin, die in der hellsichtigen Anna eine Schlüsselrolle ihres literarischen Schaffens sieht. Erst Johannas Urenkelin Vanessa gelingt es jedoch, die Verstrickungen der beiden Frauen ans Tageslicht zu bringen.
Longlist
Max Oravin: "Toni & Toni"
Toni und Toni standen kurz vor ihrem großen Durchbruch als Tänzerpaar. Doch ein nächtlicher Unfall nach der Generalprobe stellt ihr (gemeinsames) Leben auf den Kopf. Und auf eine harte Belastungsprobe. Während die ausgebildete Tänzerin Toni in eine tiefe Depression stürzt und zu selbstverletzenden Angewohnheiten der Vergangenheit zurückkehrt, entwickelt Erzähler Toni eine Obsession für die buddhistische Lehre sowie japanische Schriftzeichen.
Von stillen, beinahe meditativen Schilderungen bis hin zum rauschhaften Ausbruch fängt dieser imposante Debütroman die Leidenschaft, Ekstase und die tiefsitzenden Zerrissenheiten von Toni und Toni ein.
Longlist
Mithu Sanyal: "Antichristie"
Aberwitzig und klug vereint Mithu Sanyal auf liebevolle Art und Weise die ganze Welt in ihrem Roman.
Es ist 2022 und die Queen ist verstorben. Durga, Tochter eines Inders und internationale Drehbuchautorin durchbricht die Linien der Trauernden. An einem überbritischen Agatha-Christie-Krimi soll sie mitarbeiten, doch dann ist es plötzlich 1906 und die erste Bombe fliegt. "Antichristie" beschäftigt sich mit der Kolonialpolitik. Und der Gewalt, die in uns allen steckt.
Longlist
Stefanie Sargnagel: "Iowa"
Schonungslos ehrlich und doch sympathisch erzählt Stefanie Sargnagel in ihrem neuesten Roman "Iowa: "Ein Ausflug nach Amerika" von dem Leben in der US-amerikanischen Provinz.
Eher widerwillig zunächst macht sie sich in die USA auf, wo sie in einer Kleinstadt mit knapp 8.000 Bewohner*innen kreatives Schreiben unterrichten soll. Dabei begleitet sie die ikonische Musiklegende Christiane Rösinger.
"Iowa" ist mehr als nur eine Erzählung von übergewichtigen, aber lieben Menschen, gigantischen Supermärkten und traditionellen Geschlechterrollen. Es ist die Geschichte einer wunderbaren Freundschaft zwischen zwei wunderbaren Frauen.
Longlist
Dana von Suffrin: "Nochmal von vorne"
Rosas Familiengeschichte besteht aus Vielem. Aus gelungenen und vergeblichen Fluchten, aus enttäuschten Hoffnungen und ewigen Sehnsüchten, vor allem aber besteht sie aus dem Wunsch, irgendwo heimisch zu sein.
Als ihr Vater stirbt, wühlt das längst vergessen geglaubte Erinnerungen auf, Erinnerungen, die Rosa lieber hätte ruhen lassen. Vor allem an ihre verschwundene Schwester, mit der sie doch aus gutem Grund gebrochen hatte. Oder?
Longlist
Ruth-Maria Thomas: "Die schönste Version"
"Die schönste Version", erzählt von der bedrückenden Liebesgeschichte zwischen Jella und Yannick. Als schließlich alles in die Brüche geht, sitzt Jella wieder in ihrem alten Zimmer und fragt sich nur eines: Wie konnte es so weit kommen? Und sie erinnert sich. An ihre Kindheit in der Lausitz. Ihre besten Freundinnen. Und an Yannicks Hände, die sich plötzlich um ihren Hals schlossen.
Dieser Roman ist jetzt schon eines meiner Highlights 2024. Ein Muss für uns und wirklich jeden Mann, der ansatzweise verstehen möchte, wie das Aufwachsen als Frau im Patriarchat uns kaputtmachen kann.
Doris Wirth: "Findet mich"
Erwin, Mitte 50, bricht aus dem endlosen Trott seines Alltags aus. Adieu zur Familie, zur Krawatte und zum Feierabendbier. Er flüchtet sich in die Natur, wo er seinen einstigen Abenteuergeist wiederentdeckt und schon bald als vermisst gilt.
"Findet mich" zeichnet nicht nur das Bild eines psychotischen Mannes und dessen Familie, es erzählt auch von den Begrenzungen unserer Gesellschaft – und von radikaler Selbstdefinition.