Die DDR existierte von 1949 bis 1990 und hat die Bewohner*innen dieses Landes natürlich sehr geprägt. Das wird nicht nur nach wie vor erforscht und aufgearbeitet, sondern auch literarisch betrachtet. Seit dem Ende der DDR sind hunderte Romane erschienen, die sich mit dem Leben in der DDR auseinandersetzen.
Wir stellen euch hier 14 Romane über die DDR vor, die wirklich lesenswert sind. Teilt uns gern auch eure Favoriten mit.
#1 Charlotte Gneuß: Gittersee
Karin, 16, fristet ein eher trostloses Leben in Gittersee, einem Dresdner Vorort. Sie geht zur Schule, passt auf ihre kleine Schwester auf, versucht ihrer Oma aus dem Weg zu gehen und nicht mit Mutter und Vater aneinanderzugeraten. Denn die bestimmen letztlich, wie viel Zeit sie mit ihrem Freund Paul verbringen kann.
Dann aber bricht Paul zu einem Ausflug aus, von dem er nicht zurückkommt. Statt Paul stehen zwei Uniformierte vor der Tür und stellen Nachforschungen an: Wusste Karin wirklich nichts von Pauls Fluchtplänen? Und wie soll ihr Leben jetzt weitergehen, wo sie unter Generalverdacht steht?
Charlotte Gneuß fängt nicht nur die Atmosphäre der damaligen Zeit sehr gut ein, ihre Geschichte, die so ja durchaus passiert sein kann, entwickelt einen ganz eigenen Sog, obwohl eigentlich so wenig passiert.
#2 Jenny Erpenbeck: Kairos
Ende der achtziger Jahre begegnen sich in Ostberlin die 19-jährige Katharina und Hans, ein verheirateter Mann Mitte 50. Über Jahre kommen sie nicht voneinander los, während um sie herum die DDR erst untergeht und dann der Neuanfang in der BRD gewagt werden muss.
Jenny Erpenbecks Roman wurde mit dem International Booker Prize ausgezeichnet. Die Autorin schreibt über die Abgründe vom Glück, ein Alltagszustand für viele DDR-Bürger*innen. Die Grenzen auszuloten zwischen Hass und Hoffnung, zwischen Wahrheit und Lüge, das war ein steter Kampf für viele Bewohner*innen. Jenny Erpenbeck setzt dieser Anstregnung mit ihrem Buch auch ein Denkmal.
#3 Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts
"In Zeiten des abnehmenden Lichts" umspannt mehr als 50 Jahre Geschichte, das Leben in der DDR steht dabei aber im Mittelpunkt. Die Großeltern kommen aus dem mexikanischen Exil zurück nach Deutschland, sie sind glühende Verehrer des Kommunismus und sehen ihre Chance für ein besseres Deutschland gekommen. Der Sohn kehrt aus der Sowjetunion zurück, mit seiner russischen Frau und Erinnerungen an die Unmenschlichkeit im Lager.
Dem Enkel bleibt die triste Realität in der DDR. Er beschließt zu fliehen, an dem Tag, an dem der 90. Geburtstag des Patriachen begangen werden soll. Dieser Roman führt über Mexiko und Sibirien in die DDR und ihren Alltag. Eugen Ruges Roman wurde mit dem Alfred-Döblin-Preis, dem Aspekte-Literaturpreis und dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
Wenn ihr Lust auf den Film zu Buch habt, ihr könnt diesen u.a. bei Amazon Prime streamen.
#4 Julia Franck: Rücken an Rücken
Ella und Thomas wachsen im Ostberlin Ende der 50er Jahre bei der Bildhauerin Käthe aus. Die jüdische Kommunistin hat die NS-Zeit überlebt und sich entschieden, hoffnungsvoll dem sozialistischen Deutschland zuzuwenden. Während sie das tut, übersieht sie die Einsamkeit von Ella und Thomas, die in dieser Welt ihre ganz eigenen Kämpfe austragen müssen. Käthe schützt ihre Kinder nicht, sie vernachlässigt sie. Sie möchte keine Mutter sein und zwingt ihre Kinder damit, nach Auswegen aus ihrer kalten, lieblosen Welt zu suchen. Mit fatalem Ausgang.
Das Buch ist teilweise bereits antiquarisch für kleines Geld erhältlich, es lohnt ein Blick u.a. bei Medimops.
#5 Ingo Schulze: Neue Leben
Der Roman von Ingo Schulze spielt in den Wendejahren in der ostdeutschen Provinz. Enrico Türmer wendet der Kunst den Rücken zu und beginnt für eine neu gegründete Zeitung zu schreiben. Eigentlich nur, weil er mehr Routine in seinem Leben wünscht. Doch dann entwickelt er ungeahnte Aufstiegsphantasien, entdeckt den Kapitalismus für sich und wendet seinem alten Ich den Rücken zu. Ist ein neues Leben möglich?
Auch diesen Roman könnt ihr für kleines Geld gebraucht erwerben, u.a. bei Medimops.
#6 Klaus Kordon: Krokodil im Nacken
Dieser Roman, erstmals vor über zehn Jahren erschienen, könnte ein Jugendroman sein. Aber ich fand ihn auch als Erwachsene spannend zu lesen und habe ihn bereits mehrfach an Freund*innen verschenkt, die Wurzeln im Westen Deutschlands haben.
Die Geschichte um die Familie Lenz, in deren Fokus Vater Manfred in Zelle 102 im Stasi-Gefängnis Berlin Hohenschönhausen sitzt und über sein Leben nachdenkt, ist unglaublich eindringlich und schmerzhaft. Und so lesenswert. Mein Tipp: Sucht nach einer antiquarischen, älteren Auflage, u.a. bei Medimops.
#7 Der Turm
Krankenschwester Anne und Chirurg Richard sind sich unsicher. Sollen Sie sich anpassen an dieses System, dass sie so viel hinterfragen lässt, ihnen so vieles zeigt, mit dem sie nicht einverstanden sein können. Oder sollen sie aufbegehren und riskieren, alles zu verlieren? Sollen sie ausreisen, fliehen, oder sich ihre eigene kleine Insel schaffen, in der sie möglichst wenig Berührungspunkte mit dem Alltag der DDR zu tun haben?
In Uwe Tellkamps "Der Turm" werden mehrere Lebensläufe von DDR-Bürger*innen nachgezeichnet, in alle ihrer Zerrissenheit, in ihrem Suchen nach ihrem Platz im Leben.
#8 Judith Zander: Dinge, die wir heute sagten
In Bresekow, einem Dorf in Vorpommern, stirbt Frau Hanseke. Ihre Tochter Ingrid macht sich von Irland aus auf den Weg zur Beerdigung. Dieser Besuch verändert etwas im Dorf. Denn die Bewohner*innen beginnen zu sprechen, über heute, über damals.
Dieser Roman spielt nur in Rückblenden in der DDR, lässt aber drei Generationen zu Wort kommen und bietet damit einen großen Rundumblick.
#9 Nadia Budde: Such dir was aus, aber beeil dich
Eine typische Kindheit in der DDR beschreibt Nadia Budde in ihrer Graphic Novel, die nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Jugendliche durchaus spannend ist. Das Buch kann als Anregung dienen, ins Gespräch zu kommen über Veränderungen, oder auch als Erinnerungshilfe für vielleicht schon verschüttet geglaubte DDR-Kindheitserinnerungen.
#10 Lutz Seiler: Kruso
Edgar flieht nach Hiddensee. Er muss raus aus diesem Leben, das ihn zu verschlucken droht und wird Abwäscher im Klausner, einer Kneipe hoch über dem Meer. Mit der Zeit entspinnt sich eine Freundschaft zwischen Edgar und Alexander Krusowitsch, Kruso genannt. Ed fühlt sich angekommen in seinem neuen Leben, bis der Herbst 89 alles ins Wanken bringt.
Surrealer Sog
„Kruso“ arbeitet mit historischen Elementen, zieht einen beim Lesen aber weniger durch die nur im Hintergrund anklingenden Fakten als durch die unglaublich dichte Sprache in einen surrealen Sog hinein. Die Beschreibungen lassen sich beinahe schon mit den eigenen Sinnen erleben, sodass die Schilderungen vor allem aus der Abwaschküche bei mir einen körperlich absolut realen Ekel erzeugt haben. Keine leichte Kost also, aber definitiv lesenswert.
#11 Titus Müller: Die fremde Spionin
Ria ist zehn Jahre alt, als ihre Welt von jetzt auf gleich aus den Fugen gerät. Ihre Eltern werden von der Stasi abgeholt, sie wird von ihrer Schwester getrennt und in einer Adoptivfamilie untergebracht. Zunächst verläuft ihr Leben fortan in ruhigeren Bahnen, bis der BND sie als Informantin rekrutiert. Ria will sich an der DDR rächen und ihre Schwester wiederfinden.
Band 1 von 3 aus der "Die Spionin" - Reihe beginnt am Anfang der DDR, sodass ihr der Geschichte über lange Zeit folgen könnt.
#12 Sabine Michel & Dörte Grimm: Es ist einmal
Kein Roman im klassischen Sinne, aber dennoch spannend, wie das Leben eben ist: Eine Zusammenfassung von Gesprächen zwischen Großeltern und ihren Enkelkindern, die alle nach 1982 zur Welt gekommen sind. Es geht darum, wie die einen ihr Leben in der DDR erlebt haben und wie die Enkelgeneration da heute drauf blickt.
#13 Hendrik Bolz: Nullerjahre
Ein bisschen aus der Reihe und dann wieder nicht fällt der Roman "Nullerjahre" von Hendrik Bolz. Es geht um die Nachwendezeit in den Plattenbauten von Stralsund, um junge Erwachsene, die nach ihrem Weg im Leben suchen. Und es geht hart zur Sache, es geht um die Baseballschlägerjahre, um Springerstiefel, einen Rechtsruck in Teilen Ostdeutschlands.
Der Roman wirkt, schon allein durch seine drastische Sprache und das Thema lange nach. Vielleicht sogar am meisten bei denen, die genau das nach dem Zusammenbruch der DDR in ihrer Jugend selbst miterlebt haben und sich für eine Seite entscheiden mussten.
#14 Sabine Rennefanz: Kosakenberg
Auch Sabine Rennefanz "Kosakenberg" spielt in der Nachwendezeit. Denn Kathleen hat es geschafft, sie lebt als Grafikerin in London. In Kosakenberg, einem Ort in Brandenburg, ist es ihr schon vor Jahren zu klein geworden. Als sie ihre Mutter nun in der alten Heimat besucht, wird sie mit dem Dorfleben der ostdeutschen Provinz konfrontiert: Männer, die geblieben und Frauen, die gegangen sind. Und Eier, immer gehts um die verdammten Eier.