Ein Ort der Sicherheit und Geborgenheit – das sollte eine Familie eigentlich für Kinder sein. Aber leider haben nicht alle das Glück, so aufzuwachsen. Wann man von einer dysfunktionalen Familie spricht – und an welchen Merkmalen wir sie erkennen können.
Was ist eine dysfunktionale Familie?
Laut Fachstelle Kinderschutz ist eine Familie im Idealfall ein geschützter Ort, von dem aus Kinder ohne größere Sorgen oder Angst die Welt entdecken können. Sie bekommen dort Berührung und bedingungslose Anteilnahme ihrer Eltern, Schutz und Fürsorge und die Erfüllung von Grundbedürfnissen wie Wohnen, Ernährung und Kleidung. Individuelle Wertvorstellungen werden in einer funktionierenden Familie vermittelt. Die Eltern fungieren als Vorbilder, loben ihre Kinder und üben sinnvolle Kritik. Sie ziehen gesunde Grenzen, die den Heranwachsenden auch im sozialen Umfeld Sicherheit geben.
Wenn diese Funktionen einer Familie komplett fehlen oder zumindest nicht ausreichend vorhanden sind (wie zum Beispiel auch bei der Parentifizierung), spricht man von einer dysfunktionalen Familie. In einer solchen gibt es oft schwerwiegende Probleme, Konflikte und oft auch gestörtes oder schädigendes Verhalten und im schlimmsten Fall Missbrauch.
Wie erkennt man eine dysfunktionale Familie?
Das Tückische an dysfunktionalen Familien? Oft wirken sie nach außen völlig normal. Auf den ersten Blick erkennt man sie nur selten. Besonders für kleinere Kinder ist es sehr schwer zu erkennen, dass ihre Familie anders ist als andere. Das begreifen sie oft erst im Laufe der Jahre und im Vergleich mit anderen Familien.
Welche Merkmale hat eine dysfunktionale Familie?
Folgende Defizite und Merkmale weisen auf eine dysfunktionale Familie hin:
- Es gibt starke Differenzen zwischen gefordertem und selbst gelebtem Verhalten der Eltern.
- Liebe, Zuwendung und Wertschätzung der Eltern sind an Bedingungen geknüpft ("Wenn-dann-Liebe").
- Häufig gibt es in dysfunktionalen Familien ein starkes Machtgefälle – also ein Elternteil ist autoritär und das andere abhängig und unterwürfig.
- In dysfunktionalen Familien gibt es keine Werte, Strukturen und Regeln bzw. sie wechseln ständig.
- Eltern in dysfunktionalen Familien sind oft nicht in der Lage, sich selbst emotional zu regulieren. Sie benutzen ihre Kinder, um sich selbst psychisch zu stabilisieren.
- In dysfunktionalen Familien herrscht häufig Spaltung, Verwirrung und Orientierungslosigkeit.
- Es gibt dort wenig bis keine verlässlichen Grenzen.
- In dysfunktionalen Familien wird unangemessen verbal und körperlich kommuniziert.
Welche Auswirkungen hat eine dysfunktionale Familie auf Kinder?
In dysfunktionalen Familien ist die Bindung zu den allernächsten Bezugspersonen nicht ausreichend vorhanden. Das kann, zum Teil auch schon früh, zu psychischen Störungen führen. Dazu zählen:
- Persönlichkeitsstörungen
- Angststörungen
- Depression
- Suchtverhalten
Die Muster aus der Kindheit können später im Leben dazu führen, dass Beziehungen nicht funktionieren bzw. die Muster übertragen werden. Wer in einer dysfunktionalen Familie aufwuchs, der meidet häufig Beziehungen ganz oder lässt sich emotional und räumlich nicht wirklich auf jemanden ein. Auch lieblose und gewaltvolle Beziehungen sind eine Folge von solchem Großwerden.
Wie bekommen dysfunktionale Familien Hilfe?
Die gute Nachricht: Es ist grundsätzlich möglich, die schädigenden Dynamiken in einer dysfunktionalen Familie dauerhaft zu verändern. Dazu muss den Eltern mit der Unterstützung von Psycholog*innen oder Familienberatungen geholfen werden, ihre Selbstregulation und Selbstwahrnehmung zu verbessern.
Dabei kann ein kritischer Blick auf die eigene Biografie genauso helfen, wie das Erlernen von gesunder Kommunikation und Interaktion untereinander und mit den Kindern. Auch Entlastung und Begleitung im Alltag, wie entsprechende Betreuungsangebote für die Kinder, kann förderlich sein.
Quellen: Fachstelle Kinderschutz, Lebensbrücke
Weil jedes einzige Kind zählt
Es gibt inzwischen einige wertvolle, niedrigschwellige Angebote für Familien, in denen es nicht rund läuft, wie etwa die gemeinnützige Goldkind-Stiftung.
Deren Gründer Jan Fischer hat es sich aufgrund persönlicher Erfahrungen in einer dysfunktionalen Familie zur Aufgabe gemacht, betroffenen Kindern und ihren Eltern kostenfrei fundiertes Wissen zum Thema sowie kompetente Unterstützung (z.B. in Form von Sprechstunden) anzubieten.
Ich kann euch auch den Podcast empfehlen. Hier kommen spannende Expert*innen aus Fachbereichen wie der Psychologie, Medizin und Pädagogik zu Wort.
Ein Erziehungsstil, der in einer dysfunktionalen Familie (noch) nicht praktiziert wird, ist "Gentle Parenting". Was das genau ist: