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Überforderte Kinder

Parentifizierung: Wenn Kinder die Eltern sind

Parentifizierung Elternrolle Überforderte Kinder
© Getty Images/Miljan Živković

Kinder haben ein Recht darauf, Kind zu sein. Das bedeutet, sie wollen und sollen von ihren Eltern umsorgt und geliebt werden. Sie sollen sich frei nach ihren Bedürfnissen entfalten und ihrem Alter entsprechend sorglos, spontan und lebhaft handeln können. Schaffen es Eltern aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht, ihren Kindern dies zu ermöglichen und drängen ihnen zu viel erwachsene Verantwortung auf, spricht man von Parentifizierung.

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Parentifizierung – was bedeutet das eigentlich genau?

Abgeleitet aus dem Lateinischen von „Parentes“ für „Eltern“ und „facere“ für „machen“, beschreibt der Begriff "Parentifizierung" die Übertragung der elterlichen Rolle und der damit verbundenen Aufgaben auf das Kind. Das Kind wird parentifiziert, aus ihm wird sozusagen ein Elternteil gemacht. Unterschieden werden muss hier zwischen den Formen einer instrumentellen und emotionalen, sowie einer adaptiven und destruktiven Form der Parentifizierung, wobei die adaptive Form durchaus positive Auswirkungen auf das Kind haben kann:

Instrumentelle Parenzifizierung

Das Kind muss beispielsweise seinem Alter nicht entsprechende Aufgaben übernehmen wie Putzen, Einkaufen oder Kochen oder die Pflege anderer Familienmitglieder, zum Beispiel das Baden jüngerer Geschwister (alles ohne elterliche Aufsicht, ohne zeitliche Begrenzung und ohne Lob)

Emotionale Parentifizierung

Das Kind wird in emotionale Konflikte zwischen den Eltern hineingezogen und soll zum Beispiel als Friedensstifter dienen. Möglich ist auch, dass das Kind als Partnerersatz fungiert und von ihm Liebe und Zuneigung auf dieser Elternebene eingefordert wird

Adaptive Parentifizierung

Das Kind übernimmt Aufgaben von Erwachsenen, ohne dass seine Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt werden (zum Beispiel die Spülmaschine einräumen, beim Baden helfen, im Supermarkt bezahlen). Es wird anerkannt und gelobt, die Übernahme ist zeitlich begrenzt und von Eltern begleitet. Diese Art der Parentifizierung wirkt sich nach heutigem Forschungsstand positiv auf das Selbstbewusstsein und die psychische Entwicklung des Kindes aus

Destruktive Parentifizierung

Das Kind muss Aufgaben übernehmen, die seine Entwicklungsfähigkeit einschränken (s. Beispiele instrumentelle und emotionale Parentifizierung). Dies wirkt sich destruktiv auf die psychische Entwicklung des Kindes aus

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Welche Folgen kann Parentifizierung haben?

Ist die Parentifizierung destruktiver Natur, kann das schlimme Folgen für die psychische Gesundheit des Kindes haben, die es sein Leben lang belasten können.

Beispiel für Parentifizierung im Alltag: Das Kind bekommt Aufgaben von den Eltern, die es eigentlich total überfordern. Es merkt, dass die Eltern (oder ein Elternteil) die Erwartung haben, dass es diese Aufgabe erfüllt, beispielsweise das Essen für die Geschwister kocht. Kinder wollen von ihren Eltern geliebt werden und werden versuchen, dem Wunsch der Eltern zu entsprechen, um diese Liebe zu bekommen. Außerdem verleiht ihnen die Ausführung der Aufgabe ein gewisses Machtgefühl.

Zu viel Verantwortung für ein Kind

Das Problem ist, dass destruktiv parentifizierte Kinder ständig zwischen einem Gefühl von Macht auf der einen Seite und Versagensängsten auf der anderen Seite leben. Das kann sie psychisch sehr belasten. Stell dir einmal vor, du hast ständig Angst, deine Eltern könnten dich nicht mehr lieben, wenn du ihnen nicht hilfst oder ihre Aufgaben nicht bewältigen kannst. Die große Verantwortung für das Wohlergehen deiner Eltern schmeichelt dir einerseits, gibt dir ein Machtgefühl. Andererseits verdrängt sie aber auch alles, was dir als Kind sonst wichtig wäre. Freunde treffen, spielen, unbesorgt sein – das alles tritt immer mehr in den Hintergrund.

Irgendwann wird dieses Verantwortungsgefühl dann so groß sein, dass es dich als Kind daran hindert, selbständig zu werden und ein selbst bestimmtes Leben zu führen. Wer nie gelernt hat, dass er auch ohne die Aufopferung und Fürsorge für andere etwas wert ist, wird sehr wahrscheinlich Probleme im Leben als Erwachsener bekommen.

Mögliche negative Folgen einer Parentifizierung:

  • Verhaltensauffälligkeiten, wie z.B. verminderter Spieltrieb, Verlust von Spontanität und Sorglosigkeit, wenig Interesse an sozialen Kontakten
  • Körperlichen Beschwerden
  • Geringes Selbstwertgefühl
  • Bindungsstörungen
  • Parentifizierung eigener Kinder
  • Depressionen
  • Angststörungen
  • Essstörungen
  • Drogenmissbrauch
  • Suizidtendenzen
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Betroffene Kinder leiden oft an:

  • Extrem übersteigerten Anforderungen an sich selbst
  • Ausgeprägtem, ungesunden Perfektionismus
  • Sozialer Isolation
  • Einsamkeit
  • Versagensängsten

Gründe für Parentifizierung: Wie kann es überhaupt soweit kommen?

Wächst das Kind in einem gesunden Umfeld auf, in dem ganz klar ist, wer Eltern und wer Kind ist, muss sich das Kind nicht mit Problemen und Aufgaben aus der Erwachsenenwelt beschäftigen. Es muss gegenüber den Eltern keine Stellung beziehen, zu wem es beispielsweise bei einem Streit der beiden hält und gerät so auch in keinen Loyalitätskonflikt.

Leider ist so ein gesundes Familienumfeld keine Selbstverständlichkeit, auch Eltern können in ihrer Kindheit Erfahrungen gemacht haben, die dazu führen, dass sie ihre Kinder parentifizieren. Ein ganz klassischer Fall ist, dass ein Elternteil in seinem ersten Lebensjahr keine sichere Bindung zu seinen engsten Bezugspersonen aufbauen konnte und darunter noch heute (unterbewusst) leidet. Man spricht hier von einer sogenannten Bindungsstörung. Hat diese Person dann selber Kinder, kann es passieren, dass sie versucht, diese in die Position einer verlässlichen Bindungsperson zu drängen.

Das Kind empfindet den Elternteil als bedürftig und tritt aus seiner kindlichen Rolle heraus, versucht Verantwortung für den Erwachsenen zu übernehmen und ihm zu helfen (oder wird dazu aufgefordert). Es kann auch sein, dass Eltern selbst in ihrer Kindheit parentifiziert wurden und dieses verzerrte Rollenbild später an ihre eigenen Kinder (unterbewusst) weitergeben.

Parentifizierung von Kindern kann auch auftreten, wenn Eltern sich in extrem beanspruchenden Situationen befinden, beispielsweise in einer Scheidung oder aber an einer schweren Krankheit leiden. Weitere Gründe können Drogenmissbrauch und -abhängigkeit sein oder auch psychische Störungen, die einem gesunden Eltern-Kind-Verhältnis im Weg stehen wie z. B. mütterlicher Narzissmus oder narzisstische Väter.

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Scheidungskinder leiden oft unter Parentifizierung

Am Beispiel der Scheidung kann man die Gefahr der Parentifizierung gut verdeutlichen: Die psychische Belastung eines Elternteils kann beim Kind zu Verlustängsten führen und dem Bedürfnis, Verantwortung für das Wohlergehen des Erwachsenen zu tragen. Eigene Wünsche stellt es zurück und hört auf, Kind zu sein.

Besonders schlimm ist es, wenn Eltern ihr Kind in Loyalitätskonflikte bringen und ihnen Wissen aufbürden, mit dem sie nicht umgehen können – sie so etwa Ex-Partner*innen ausspionieren lassen oder schlecht machen, indem sie von Affären berichten. Das Perfide: Auf Außenstehende wirkt so eine Eltern-Kind-Beziehung oft besonders harmonisch. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine gestörte, symbiotische Beziehung, die das Kind stark psychisch belastet und eigentlich einer Familientherapie bedarf.

Wege aus der Parentifizierung: Überwindung mit Hilfe einer Therapie

Eines ist ganz wichtig: Solltest du dich nach dem Lesen dieses Artikels selbst in der Rolle einer parentifizierten Person sehen oder aber das Gefühl haben, dein(e) Kind(er) zu parentifizieren, mach deiner Familie oder dir bitte keine Vorwürfe: Parentifizierung passiert in den allermeisten Fällen unterbewusst. Es ist aber wichtig, dass du die Problematik erkannt hast und dir professionelle Unterstützung suchst, bevor weiterer Schaden entsteht.

Die Beantwortung folgender Fragen mit „Ja“ kann ein Hinweis darauf sein, dass Parentifizierung in eurer Eltern-Kind-Konstellation eine Rolle spielt:

  • Muss dein Kind Aufgaben im Haushalt übernehmen, die nicht seinem Alter entsprechen und wird es bei diesen nicht begleitet und im Anschluss gelobt?
  • Tendierst du dazu, dein Kind bei Streit mit dem/der Partner*in auf deine Seite zu ziehen, um Halt zu finden? Machst du es zu deinem Verbündeten und weist es auf die Unzulänglichkeit deines/ deiner Partner*in hin?
  • Erwartest du von deinem Kind, dass es sich um dich kümmert, wenn du krank bist, dich pflegt und dafür eigene Wünsche zurückstellt?
  • Weihst du dein Kind in Probleme deiner Partnerschaft ein, bringst es in die Rolle eines Beraters und erwartest Zuneigung von ihm, die dir dein/e Partner*in nicht gibt?
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Das Produkt ist nicht mehr verfügbar. Zuletzt geprüft: 22.12.2024 06:53 Uhr

Wenn du das Gefühl hast, das ein oder andere hiervon könnte zutreffen und du denkst, dass du Hilfe brauchst, wende dich bitte an deine Hausärztin oder Hausarzt, sie werden dich bei Bedarf an eine Praxis für Psychotherapie überweisen. Du kannst dich aber auch z.B. über die „Weiße Liste“ direkt an eine*n Therapeut*in wenden.

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PsychotherapeutInnen können dir und deiner Familie helfen, indem sie

  • die Parentifizierung als solche erkennen und deutlich machen
  • Symptome benennen und so in Zusammenhang bringen
  • helfen, die Eltern- und Partnerrolle wieder strikt von der des Kindes zu unterscheiden

Bei einem akuten Notfall kannst du auch jederzeit die 0800-1110111 anrufen („TelefonSeelsorge“), dort hilft man dir schnell und unbürokratisch weiter.

Hinweis: Wenn ihr oder euer Kind gefährdet ist und ihr nicht weiter wisst, steht euch das Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe zur Verfügung. Ihr erreicht es unter 0800 / 33 44 533. In Notfällen, z. B. bei drängenden und konkreten Suizidgedanken zögert nicht, euch an die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter der Telefonnummer 112.

Quellen: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Ärzteblatt, parentifizierung.de, ARD Audiothek

Es gibt viele verschiedene Arten, Kinder zu erziehen. Sie alle eint die Liebe zum Kind. Wie man dem Kind hilft, erwachsen zu werden, kann sehr unterschiedlich aussehen. Das hängt davon ab, wie Eltern ihre Rolle definieren. Diese Erziehungsstile gibt es:

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