In der ersten Zeit nach der Geburt haben die wenigsten von uns Lust, gleich wieder Sex zu haben – schließlich hat die Rückbildung Vorrang. Und schon der Schlafmangel ist Grund genug, dass wir mit neuem Baby einfach andere Prioritäten setzen. Aber nach einigen Monaten fragen sich die meisten Eltern, ob sie nicht schon längst wieder Sex haben *sollten*. Na klar, wenn ihr beide Lust habt! Wenn nicht, ist das aber auch kein Drama und oft sogar ein gutes Zeichen, wie eine US-Studie jetzt belegt.
Ein langweiliges – oder nicht-existentes – Sexleben wird oft mit Problemen in einer Beziehung gleichgesetzt. Und auch auf frischgebackenen Eltern liegt viel gesellschaftlicher Druck, zügig wieder zu ihrem Sexleben vor der Schwangerschaft zurückzukehren. So entsteht schnell Panik, wenn unsere Babys einige Monate alt sind, unsere Libido (oder die des Partners / der Partnerin) aber weiterhin im Keller ist. Kein Sex bedeutet eine Krise in der Partnerschaft, oder? Und was ist, wenn wir nicht nur keine Zeit und Lust haben, sondern manchmal überhaupt nicht daran denken?
Neue Eltern – neue Prioritäten
Neu-Eltern machen einen riesigen Umbruch in ihrer Beziehung durch: die körperliche Veränderung durch Schwangerschaft und Geburt, Stress durch Schlafmangel und Erziehungsfragen, die neue Dynamik durch den Familienzuwachs und die neuen Rollen als Eltern, in die wir uns alle erst einfinden müssen. Bei all den Spannungen sehen wir schnell unsere geringe Lust aufeinander als Zeichen, dass etwas nicht stimmt – und dramatisieren es in unseren müdigkeitsgeplagten Köpfen vielleicht sogar als "Anfang vom Ende".
Wir haben gute Neuigkeiten: Es ist nicht nur völlig "normal", wenn Eltern weniger Sex haben als früher. Gerade in den ersten 12 Monaten nach der Geburt trifft das auf die Mehrheit der Paare zu. Und einer weiteren Studie zufolge kann das sogar ein gutes Zeichen sein. Denn laut den Wissenschaftler*innen des University of Nebraska Department of Psychology and Center for Brain, Biology and Behavior haben besonders glückliche Paare den wenigsten Sex nach der Schwangerschaft.
Studie: Was macht eine gesunde Beziehung aus?
Die Wissenschaftler*innen hatten die nahe liegende Vermutung, dass sich die Prioritäten in unserer Liebesbeziehung ändern, wenn wir Eltern werden. Und wir Sex somit aus ganz natürlichen Gründen weiter hinten anstellen als vorher. Also haben sie in einer Studie überprüft, ob glückliche Paare automatisch weniger Sex haben, nachdem sie eine Familie gegründet haben. Sie befragten 159 Pärchen zu ihrer Schwangerschaft und den ersten sechs Monaten nach der Geburt ihrer Babys. Die Paare machten Angaben zu folgenden Bereichen, die die Forscher*innen als wichtigste Faktoren in einer erfüllten Beziehung sehen:
- Gegenseitige Unterstützung
- Gute Kommunikation
- Verständnis für den Stress der / des anderen
- Interesse daran, Intimität durch Liebe und Zuneigung zu zeigen
Das Ergebnis war eindeutig: Die Paare, die während der Schwangerschaft die obigen Voraussetzungen erfüllten, hatten am wenigsten Sex nach der Geburt. Heißt im Umkehrschluss: Ein maues Sexleben nach der Geburt bedeutet nicht gleich, dass ihr Beziehungsprobleme habt. Und die Wahrscheinlichkeit ist sogar groß, dass eure Partnerschaft besonders stark und glücklich ist!
Weniger Sex nach der Geburt ist natürlich
Nicht nur die Sexpause im Wochenbett, sondern auch ein eher lahmes Sexleben danach sind also total natürlich. Der wissenschaftliche Hintergrund ist der, dass wir unsere körperlichen Ressourcen auf das Wohlergehen unseres Babys konzentrieren, statt auf eine neue mögliche Schwangerschaft. Deshalb ist auch unser Hormonhaushalt im ersten Jahr nach der Geburt so eingestellt, dass Sex und eine erneute Empfängnis unwahrscheinlicher sind. Und dann wäre noch euer kleines, brandneues Familienmitglied, das Tag und Nacht eure volle Aufmerksamkeit braucht. Aus evolutionärer Sicht hat eine starke Verbundenheit der Eltern also einen größeren Stellenwert als ein aktives Sexleben.
Glückliche Beziehung trotz weniger Sex
Macht euch also nicht verrückt, wenn ihr gerade anderes im Kopf habt als Sex und achtet darauf, wie ihr die Nähe zueinander auf andere Weise schaffen könnt. Kuscheln zusammen mit dem Kleinen, die Lachattacke beim Wickel-Desaster und das offene Gespräch über eure Ängste zählen genauso wie eine Umarmung oder ein Schmatzer hier und da. Und irgendwann kommt der Rest dann von alleine.
Wenn ihr wieder Lust aufeinander habt, aber der Alltag im Weg ist, können wir euch Amy Schumers Tipps zum Sex als Eltern und folgende Bücher empfehlen:
Lest dazu auch unseren Artikel zu Sex nach der Geburt und unsere Erfahrungsberichte zum ersten Mal nach der Entbindung. Auch ein super-wichtiges Thema: Verhütung in der Stillzeit.
Wenn ihr doch wieder Lust habt und euch etwas Inspiration fehlt:
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