Slow Family ist ein Konzept, das mehr Ruhe in euren Familienalltag bringen kann. Statt durch den Alltag zu hetzen und alles mit Stress zu erledigen, will Slow Family uns daran erinnern, was wirklich wichtig ist. Die Autorinnen Julia Dibbern und Nicola Schmidt haben ein Buch über den Stress in Familien und was dagegen helfen kann, geschrieben. Für euch haben sie neun Tipps für ein entschleunigtes Familienleben im Gepäck.
Runter vom Gas!
Seit die Kinder da sind, dreht sich das Rad noch schneller, dieses Gefühl kennen wohl vielen Eltern. Zeitdruck, Hektik und der Wunsch, alles richtig zu machen, führen in vielen Familien zu einer Überdosis Stress. Und so richtig hat doch keiner eine Idee, wie es besser gehen könnte. Klar, wir lesen darüber, dass wir das Leben mit Kindern entschleunigen sollten. Runter vom Gas. Mehr Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens. Aber wie soll das in der Praxis denn aussehen?
Wie können Familien entschleunigen?
Unser Alltag ist doch total durchgetaktet. Das beginnt morgens beim Fertigmachen für Schule, Kita, Arbeit und geht dann den ganzen Tag so weiter. Wie oft haltet ihr denn in dieser Zeit inne und entschleunigt da irgendwas? Gar nicht, genau. Aber damit das in Zukunft vielleicht etwas werden kann, haben wir uns das Buch "Slow Family" mal genauer angesehen und Tipps für euch gesammelt, wie es klappen kann, mit dem langsameren Leben.
Dafür braucht es laut der Autorinnen Julia Dibbern und Nicola Schmid genau sieben Zutaten:
- Liebe
- Natur
- Achtsamkeit
- Gemeinschaft
- Ressourcen
- Wissen
- Zauber
Slow family: Ihr müsst nur Kleinigkeiten ändern
Nun klingt das ein bisschen nach alles und nichts. Denn klar, unter Natur und Liebe können wir alle uns viel vorstellen. Aber was sollen wir wissen und wie viel Zauber (von was eigentlich?) braucht es denn? Die gute Nachricht: Ihr müsst nicht alles radikal ändern, um eine entspanntes Familienleben zu haben.
Es geht nicht darum, alles perfekt machen. Und wir müssen auch nicht alles neu lernen. Denn viele der Dinge, die für ein Leben mit Liebe, Nähe und Geborgenheit wichtig sind, tragen wir in uns, wissen wir bereits.
Im Gespräch mit den beiden Autorinnen kamen wir auf viele verschiedene Aspekte des Familienlebens zu sprechen, für euch haben wir die neun wesentliche Punkte für ein Slow family Leben zusammengefasst.
1. Gestresste Eltern machen gestresste Kinder
Julia und Nicola erklären: "Stress per se ist erstmal nichts Schlimmes, sondern hält uns wach und lebendig. Problematisch wird es erst, wenn wir zwischendurch nicht mehr die Chance bekommen, runterzufahren. Und zwar als ganze Familie.Gestresste Eltern machen gestresste Kinder, da ist die Studienlage ist eindeutig, so unangenehm das ist.
Und Stress führt unweigerlich zu dem, was Forscher "ungünstiges Erziehungsverhalten" nennen, sie erhöhen die Anforderungen an ihre Kinder ins Unerreichbare - und das produziert gestresste Kinder. Außerdem sehen gestresste Eltern ihre Kinder viel negativer als ein unabhängiger Beobachter - auch eine wichtige Erkenntnis: Das Kind ist toll. Ich sehe es nur nicht, wenn ich unter Druck stehe.
2. Wir brauchen bewusste Pausen
Nicola und Julia haben erkannt, dass Zeitmangel in Familien der größte Stressfaktor ist.Wir müssen uns aber Zeit nehmen um Zeit zu haben. Es hilft, ganz bewusst Ruheinseln einzubauen und dann nicht die letzten zehn Minuten des Tages auch noch vollzustopfen mit Organisationskram, sondern in dieser Zeit dann wirklich da zu sein. Zum Pausen zählt auch, anzuerkennen in welcher Welt wir Leben. "Unsere Kinder", sagt Julia Dibbern, "wachsen nun mal in dieser Welt auf, zwischen Terminen und Touchscreens". Und davon brauchen wir alle eine Auszeit.
3. Macht euch bewusst, was wichtig ist
Die Autorinnen zeigen auf, was wir eigentlich alle wissen: Sport ist gesund. Auch sich selbst zu achten ist wichtig. Und doch, so Nicola Schmidt, unterlassen wir Handlungen, die für uns lebenswichtig sind, weil die Interessen eines abstrakten Systems wichtiger sind? Dass es euch gut geht, wirkt sich auf die ganze Familie aus. Und das ist es, was wichtig ist.
4. Setzt eure Prioritäten
In jeder Familie sind unterschiedliche Dinge wichtig. Findet heraus, was euch besonders wichtig ist und setzt eure Prioritäten entsprechend. Klar ist, dass der Alltag manchmal die Prioritäten verschiebt, aber die Autorinnen raten euch: "Ihr entscheidet selbst, wir ihr euer Zeit nutzt. Jeden Tag. Jede Minute."
5. Jeden Tag ein kleines bisschen
Nicola Schmidt sagt: "Der `Jeden Tag-Effekt ` ist ein Geheimnis, das ich von meinen Großvater gelernt habe. Er besagt, dass viele kleine Handlungen, die wir aber jeden Tag ausführen, am Ende zu einer großen Veränderung führen. Er nimmt den Stress raus, dass "Slow Family" der nächste Punkt auf einer überfüllten To-Do-Liste ist und zeigt, wie wir mit minimalen Änderungen über die Zeit hin schon unglaublich viel erreichen können."
6. Achtsamkeit leben
Achtsamkeit ist beinahe ein Modewort. Dabei ist sie so alt wie die Menschen und extrem wichtig für uns. Aber nur dann, warnt Julia Dibbern, "wenn sie nicht zu einem nicht zu einem zusätzlichen Punkt, an dem wir die eigene Perfektheit messen."
Der Tipp der beiden Autorinnen: "Bei uns heißt das dann nach Lienhardt Valentin: Vom Modus des Tuns in den Modus des Seins wechseln. Unser Vorschlag im Buch: Jeden Tag 10 Minuten in den Alltag einbauen. Mehr braucht es nicht. Denn wenn ich 10 Minuten mit dem Jeden-Tag-Effekt koppele, verändert sich alles."
Was ihr in den 10 Minuten tun sollt? Einfach mal gar nicht! Gönnt euch diese Auszeit und seid bei euch, atmet bewusst und hört in euch hinein. Mehr braucht es in dieser Zeit nicht.
7. Mehr in der Natur sein
Wir alle sehnen uns nach einem naturverbundenen Leben. Das klappt auf dem Dorf meist einfacher als mitten in der Großstadt. Aber generell ist es wichtig, sich immer wieder mit der Natur zu verbinden. "Denn", so Julia und Nicola, "in der Natur ergeben sich Zeit, Zauber, Achtsamkeit und Liebe oft von ganz alleine. Es ist dieser Zauber, der Natur so wichtig macht. Und man kann das auch ganz klar an den Bio-Markern der Menschen ablesen: Der Blutdruck sinkt, unser Gehirn beruhigt sich, Eltern und Kinder sind viel entspannter."
Ihr müsst deswegen nicht in den Wald ziehen. Aber regelmäßig dort spazieren gehen, im besten Fall einmal in der Woche, das kann hilfreich sein. Um dort gemeinsame Sachen zu entdecken. "Nicht Spaziergehen,", sagt Julia, "das finden Kinder langweilig. Sondern sich treiben lassen. Das ist allein deswegen wichtig, weil Menschen nur das lieben können, was sie kennen, was ihnen vertraut ist. Wie sollen sie später, in herausfordernden Phasen, z.B. in der Pubertät, hinaus in die Natur gehen, um dort zur Ruhe zu finden, wenn sie sie nicht als kleine Kinder lieben gelernt haben?"
8. Listen schreiben
Nicola Schmidt rät euch, herauszufinden, was wichtig ist und was dringend ist. "Ich muss mal dringend die Fenster putzen. Das Putzen ist dringend - aber nicht wichtig." Und dann führt ihr zwei unterschiedliche Listen. Die Dringlichkeits- und die Wichtigkeitsliste. Und auf die Wichtigkeitsliste kommt dann auch Zeit zum Vertrödeln.
9. Schöne Momente verpassen
Kennt ihr das Gefühl, wichtige und schöne Momente und Gespräche zu verpassen, weil ihr wieder durch euren Alltag hetzt? Die Autorinnen erinnern euch daran, dass das alles eine Frage der Perspektive ist. "Natürlich verpassen wir viele schöne Momente, aber wir erleben auch viele schöne Momente. Sich dessen bewusst zu sein, ist ja schon der erste Schritt, der uns aus der Mühle rausbringt. Und sich dann selbst immer wieder am Riemen reißen und dran erinnern, dass man ja vorhatte, langsam, achtsam und echt zu sein."
Weitere Bücher von Nicola Schmidt und Julia Dibbern
Meine Meinung
Mir tut das ja tatsächlich gut, mich in den ganz stressigen Zeiten darauf zu besinnen, aktiv eine Pause zu machen. Dass wir Eltern, wenn wir gestresst sind, unsere Kinder stressen ist total logisch und trotzdem fällt es schwer, dass zu sehen.
Ich finde bei allen Ratgebern immer ganz wichtig zu schauen, was da für einen passt. Nicht alles passt ja in die eigene Lebenssituation. Bei mir ist Zeitmangel ein großer Faktor und den Hinweis der Autorinnen, dass wir unsere Prioritäten immer wieder überdenken müssen, den finde ich wertvoll. Denn wir selbst und unsere Kinder sollten die höchste Priorität haben. Nicht im Sinne einer Ellenbogengesellschaft, aber im Sinne von einem achtsamen Miteinander.
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Fotos Autorinnen: Petra Arnold