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Wenn Herzen brechen

Trauer nach einer Fehlgeburt: Die Diplom-Psychologin weiß, was Paaren jetzt hilft

Fehlgeburt
© Getty Images/ silverkblack

Die Trauer nach einer Fehlgeburt kann einen ziemlich aus der Bahn werfen. Manchmal so sehr, dass es kaum möglich scheint, die Trauer zu bewältigen. Sylvia Börgens ist Trauerbegleiterin und berät auch Familien nach einer Fehlgeburt. Ihre Tipps für Paare zum "richtigen" Trauern nach einer Fehlgeburt.

Erzähl mir deine Geschichte. Ich höre zu! Erzähl mir alles. Ich halte das aus!
Sylvia Börgens
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Professionelle Hilfe bei Trauer nach einer Fehlgeburt

Dieses "Versprechen" gibt Sylvia Börgens ihren Patient*innen. Börgens ist Diplom-Psychologin und begleitet Paare, die eine Fehlgeburt oder Totgeburt erleben mussten. Sie ist das offene Ohr, das bedingungslos zuhört. „Es ist schon eine Entlastung für die Paare, die zu mir kommen, dass jemand mit ihrem Schmerz wirklich umgehen kann“, sagt Sylvia Börgens. Denn sie weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Den meisten Menschen fällt es schwer, mit schlimmen Lebensereignissen anderer umzugehen. Da ist eine Fehlgeburt keine Ausnahme.

Börgens arbeitet bereits seit 23 Jahren als Trauerbegleiterin und hilft Paaren mit und durch ihre Trauer. Allerdings betont sie, dass Trauer ein ganz normaler Bestandteil unseres Lebens sei und nicht krankhaft. Deshalb ist ihre Hilfe auch nur im Extremfall notwendig. Börgens: „Die Hilfe von Profis aus dem psychosozialen Bereich sollte man dann in Anspruch nehmen, wenn die Trauer stecken bleibt, wenn über Monate auch in der Rückschau keine Entwicklung der Gefühle erkennbar ist.“

Auch ein Psychologe kann deine Trauer nicht wegkurieren

"Trauern ist eine völlig normale Reaktion auf ein schlimmes Ereignis. Und das hat nichts mit einer Krankheit zu tun. Auch wenn es sich furchtbar schwer anfühlt und man das wirklich gerne schnell wegschieben würde, Trauer ist da, weil sie da sein muss und sie muss Zeit kriegen, damit sie sich irgendwann verändern kann. Deswegen bin ich, was psychologische Hilfe angeht, immer erst mal ein bisschen vorsichtig.

Also für Menschen ist es ja super schwer, diese Gefühle zu haben. Das ist ja der Wahnsinn. Und natürlich denkt man als allererstes, ich brauche einen Psychologen. Aber auch ein Psychologe kann deine Trauer nicht wegkurieren. Anders ist es gelagert, wenn du traumatisiert bist."

Nina Berhart, Sternenkind-Mama und Beraterin bei der Selbsthilfeinitiative "Leere Wiege" in Landau in der Pfalz

Das heißt aber nicht, dass Paare nach ein paar Monaten über den Tod ihres Kindes hinweg sein müssen. Trauer braucht seine Zeit. Ganz allgemein lässt sie sich in drei Phasen aufteilen, die durchlebt werden müssen.

Es gibt drei Phasen der Trauer, auch nach einer Fehlgeburt

Phase 1: Schockzustand

Unmittelbar nach dem Verlust befindet man sich in einer Art Schockzustand. Der Tod des Kindes ist dann fast unwirklich, nicht wahr, nur eine Verwechslung. „Das ist wie eine Notabschaltung der Seele“, sagt Börgens. Doch irgendwann schlägt der Verlust mit aller Schärfe ins Bewusstsein und der Schmerz droht einen zu überwältigen.

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Phase 2: Überwältigung

Sie ist die schlimmste Phase der Trauerbewältigung aber auch die wichtigste. Denn:

„Der einzige Weg aus der Trauer, ist durch die Trauer“
Diplom-Psychologin Sylvia Börgens

In dieser Zeit wird es beiden Elternteilen schlecht gehen: Tränen, Wut und Zorn, Grübeleien, Ruhelosigkeit und Schlafstörungen, selbst körperliche Reaktionen wie Herzrasen sind dann möglich. Beide werden leiden, jeder für sich und jeder unterschiedlich. Wichtig ist es, sich als Paar dabei nicht zu verlieren.
Der Tipp der Psychologin lautet daher: „Ich habe dafür dieses Bild: Jeder sitzt auf seiner Insel. Der andere trauert nicht weniger oder mehr, sondern anders. Wenn man es schafft, sich gegenseitig Flaschenpost zu schicken, wie es einem geht, wo man innerlich steht, ist das schon viel.“ Vor allem sollte man auch den Weg des anderen respektieren, der ihn durch die Trauer bringt, denn jedem hilft etwas anderes. Während die einen viel über das Erlebte reden möchten, wollen andere etwas tun: ein Grab gestalten, einen Baum pflanzen oder eine Trauerfeier organisieren. Oft hilft es auch einfach nur, sich viel zu bewegen oder gemeinsam „normale“ Dinge zu unternehmen.

Phase 3: Gefühlsmäßige Anpassung

Nach und nach passiert so eine „gefühlsmäßige Anpassung“ und der Verlust ist in das Leben integriert. Damit ist die dritte Phase der Trauer erreicht.

Beendet im eigentlichen Wortsinne ist die Trauer aber nie. Vater und Mutter (und auch Geschwister und Großeltern) werden ihre Geschichte immer im Herzen tragen. Der entscheidende Unterschied ist, dass die Trauer verblasst und wieder genug Platz für Hoffnung und Glück lässt. Ist das nicht der Fall und fällt es einem auch nach einem viertel Jahr immer noch schwer, sich wenigstens für den Augenblick an etwas zu freuen, fühlt man sich antriebslos, hoffnungslos und wertlos, dann besteht dringender Handlungsbedarf: Es droht eine Depression.

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Wichtige Warnsignale für eine aus einem Verlust entstehende Depression

• Antriebslosigkeit
• Unfähigkeit, sich auch für den Augenblick an irgendetwas zu freuen
• Verlust aller Hoffnung,
• Gefühl der eigenen Wertlosigkeit.
• Sätze wie: „Ich bin doch für euch nur noch eine Belastung, es wäre besser, ich wäre nicht mehr da“

Bei einer Depression nach Trauer um eine Fehlgeburt ist professionelle Hilfe gefragt

In solchen Fällen helfen Diplom-Pscholog*innen wie Sylvia Börgens. Mit den Paaren arbeitet sie daran, in kleinen Schritten in die nächste Phase der Trauer zu gelangen. Zuhören ist dabei ein ganz entscheidender Punkt. Börgens lässt sich einzelne Aspekte der Trauergeschichte immer wieder erzählen. Vor allem mit möglichst vielen Details. Schmerzhafte Details, die sich Paare sonst vielleicht vor keinem anderen auszusprechen trauen. Denn wer kann die Schmerzen und die Wut schon wirklich verstehen?

Börgens war nicht immer Trauerbegleiterin. Ihr zweiter Sohn brachte sie auf diesen Weg. Er ist gestorben, nur wenige Tage nach seiner Geburt. Daher kennt die Psychologin den Schmerz der Eltern und kann viel Verständnis für das aufbringen, was Paare durchleben müssen.

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Erzähl mir deine Geschichte. Ich halte das aus. Ich habe es selbst schon erlebt!
Diplom-Pschologin Sylvia Börgens

Trauer nach einer Fehlgeburt ist immer ok – egal in welcher Schwangerschaftswoche du warst

Wie schlimm Eltern den Verlust empfinden, ist nicht davon abhängig wann ihr Kind gestorben ist. Eine frühe Fehlgeburt kann genauso schmerzlich sein, wie eine Totgeburt; etwa dann wenn sich ein Paar schon lange sehnsüchtig ein Kind gewünscht hat. Entscheidend ist das Ausmaß der Bindung: „Durch die intensive Beschäftigung mit der Schwangerschaft, unsere heutzutage viel größeren Kenntnisse über das Leben des Ungeborenen, wird die Bindung verstärkt und damit auch, im Falle des Verlustes, die Trauer schlimmer“, erklärt Börgens. Deswegen plädiert die Psychologin auch dafür, das verstorbene Kind zu benennen. Es muss natürlich kein echter Name sein, aber es ist besser von Krümelchen oder Spätzchen zu sprechen als von Fötus oder Embryo. „Das hilft, die Realität anzuerkennen und erleichtert es, darüber zu reden“, ergänzt Sylvia Börgens.

Bei einer Fehlgeburt in einem frühen Stadium der Schwangerschaft kann das Wissen trösten, dass das Kind nicht lebensfähig war und dass es vielen Frauen passiert. Denn gerade Mütter geben sich oft die Schuld am Tod ihres Kindes. Dieses Versagensgefühl könne sehr tief gehen und sei nicht einfach zu überwinden, sagt Börgens. Der Kontakt mit Leidensgenossinnen sei deshalb ein ganz wichtiger Punkt bei der Trauerbewältigung: sei es persönlich, in Selbsthilfegruppen oder anonymer in Internetforen. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für Männer. Zwar sind sie in gewisser Weise weniger betroffen, weil sie den Verlust nicht am eigenen Leibe erleiden müssen, doch auch für sie ist der Tod des Kindes ein schmerzlicher Verlust. Der Austausch mit anderen Vätern tut gut, auch um die eigene Ohnmacht besser zu ertragen.

Die nächsten Schritte nach der Trauer nach einer Fehlgeburt

Irgendwann, wenn der Schmerz verblasst und die Trauer weitestgehend überwunden ist, stellt sich doch die Frage: Sind wir bereit für einen neuen Versuch? Börgens gibt zu bedenken, dass eine solche Folgeschwangerschaft „seelisch schwierig“ sei und unweigerlich schmerzhafte Erinnerungen und Gefühle heraufbeschwören würde. Daher sollte sich das Paar ganz sicher sein, diesen Schritt wagen zu wollen. Beide müssen optimistisch genug sein, dass dieses Mal alles gut gehen kann. Denn negative Gefühle und Ängste können die Schwangerschaft negativ beeinflussen. Einen einfühlsame und erfahrene Hebamme sei daher vor allem für die Schwangerschaftsvorsorge sehr wichtig, rät Börgens.
Aber auch wenn die Schwangerschaft ohne Komplikationen verläuft, ganz vergessen werden Eltern ihr verstorbenes Kind nie. Das muss das Familienleben nicht beeinträchtigen – dafür sorgt der Nachwuchs meist selbst schon. Börgens: „Ich habe die vielfache Erfahrung gemacht, dass solche Folgekinder gerade besonders energiegeladen und willensstark sind und ihren Eltern schon klarmachen, dass sie kein Ersatz, sondern ein eigenständiger Mensch sind!“ Auch Börgens hat sich nach dem Tod ihres Sohnes für einen weiteren Versuch entschieden. Sie brachte eine gesunde und starke Tochter zur Welt.

Sofort kamen die verschiedensten Gefühle hoch

"Für mich war es sehr schwer, wieder schwanger zu sein. Es war auch wunderschön, aber es war schwer."

"Wir haben sehr bewusst diese Entscheidung getroffen und waren dann natürlich auch überglücklich, als es so war. Und trotzdem kommen dann sofort verschiedenste Gefühle hoch. Für mich persönlich war es so, dass ich vollkommen davon überzeugt war, das wiederholt sich jetzt genau so wie damals. Das kann gar nicht anders ausgehen. Und deswegen war für mich persönlich diese Schwangerschaft wirklich, wirklich schwer. Ich habe dann auch alle möglichen feindiagnostischen Untersuchungen gemacht, die nur möglich waren. Aber ich habe das gebraucht."

Nina Berhart, Sternenkind-Mama und Beraterin bei der Selbsthilfeinitiative "Leere Wiege" in Landau in der Pfalz

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Sylvia Börgens ist Trauerbegleiterin. Seit nunmehr 23 Jahren begleitet sie Eltern durch die Trauer. Der Tod ihres eigenen Sohnes –  er war erste eine Woche alt – hat sie auf diesen Weg gebracht. Zunächst arbeitete sie lange Jahre an der Uni-Frauenklinik Gießen, danach hat sie sich selbstständig gemacht. Bei ihren Therapien folgt sie dem Ansatz "Trauer erschließen"®. Mehr Informationen dazu und Aktuelles findet ihr auf Börgens Homepage unter: www.boergens.de/sylvia/

Trauer nach Fehlgeburt
Trauer nach Fehlgeburt: Trauerbegleiterin Silyia Börgens spendet Trost (© Privat)
Wie aus Trauer Neues wächst: Ich finde Trost in meinem Tun

Wie aus Trauer Neues wächst: Ich finde Trost in meinem Tun

Preis kann jetzt höher sein. Preis vom 21.11.2024 07:13 Uhr

Auch in unserem Video findet ihr Tipps zum Umgang mit einem schlimmen Verlust:

Trauerbewältigung: Das hilft nach dem Verlust eines geliebten Menschen Abonniere uns
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