Enthaltsamkeit bedeutet, auf Sex zu verzichten. Warum manche Menschen zumindest zeitweise enthaltsam leben und welche Auswirkungen die sexfreie Zeit auf Körper und Psyche haben kann.
Was bedeutet Enthaltsamkeit?
Unter Enthaltsamkeit versteht man, auf angenehme Dinge zu verzichten. Das können Süßigkeiten sein oder Genussmittel wie Alkohol und Nikotin, meist ist allerdings der Verzicht auf Sex gemeint, so auch in diesem Artikel. Der Ausdruck Enthaltsamkeit wird oft synonym mit dem veralteten Begriff Keuschheit oder auch Abstinenz verwendet. Sexuelle Enthaltsamkeit kann unterschiedlich definiert werden und meint entweder den Verzicht auf Geschlechtsverkehr oder zusätzlich auf alle sexuellen Aktivitäten inklusive Masturbation.
6 Gründe für Enthaltsamkeit
Menschen entscheiden sich aus den unterschiedlichsten Gründen dafür, ganz oder zeitweise enthaltsam zu leben. Dazu gehören:
- Religiöse/kulturelle Gründe: Die meisten großen Religionen fordern von ihren Gläubigen Enthaltsamkeit bis zur Ehe. Mönche, Nonnen und katholische Priester sollen sogar lebenslänglich enthaltsam, nach dem Zölibat, leben. Vor allem Frauen haben in vielen Kulturen auch Angst vor Restriktionen, wenn sie nicht bis zur Heirat enthaltsam bleiben. Dann ist die Enthaltsamkeit meist nicht freiwillig, sondern kulturell erzwungen.
- Medizinische Gründe: Keinen Sex zu haben, bedeutet natürlich, das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft auszuschließen, ebenso wie die Gefahr, sich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit anzustecken. Auch vor manchen medizinischen Untersuchungen wird dazu geraten, ein paar Tage enthaltsam zu sein, z. B. zur Früherkennung von Prostatakrebs oder vor der Abgabe eines Spermiogramms.
- Gesellschaftliche Gründe: Gerade in sexuell sehr offenen Gesellschaften gibt es Menschen, die ganz bewusst und freiwillig sexuell enthaltsam leben. Manche tun dies, weil sie sich von der Offenheit unter Druck gesetzt fühlen und sich davon befreien wollen. Andere möchten auf den richtigen Partner oder die richtige Partnerin warten, bis sie Sex haben.
- Psychische Gründe: Menschen, die in der Vergangenheit negative Erfahrungen mit Sexualität gemacht haben, z. B. weil sie sexuelle Gewalt erfahren haben oder auch eine toxische Beziehung hatten, wollen manchmal (erstmal) keinen Sex mehr. Einige Personen leben auch zeitweise enthaltsam, weil sie sich auf etwas anderes konzentrieren und sich nicht durch Sex ablenken lassen möchten. Das kann z. B. ein berufliches Projekt sein oder auch ein wichtiger sportlicher Wettkampf.
- Partnerschaftliche Gründe: Manche Pärchen verzichten für eine Weile auf Sex, um die Begierde füreinander wieder zu erhöhen. Und natürlich ist manchmal einfach auch kein*e passende*r Sexualpartner*in in Aussicht.
- Asexualität: Es gibt Menschen, die kein Interesse an Sex haben und deswegen darauf verzichten.
Enthaltsamkeit bei Kinderwunsch
Beim Mann fördern enthaltsame Phasen das Samenvolumen und die Anzahl der Spermien. Deswegen wurde Paaren mit Kinderwunsch früher geraten, vor den fruchtbaren Tagen auf Sex zu verzichten, um die Wahrscheinlichkeit für eine Befruchtung zu erhöhen. Heute weiß man allerdings, dass bei Enthaltsamkeit auch die Anzahl abnormal geformter Spermien, die nicht zur Befruchtung taugen, steigt. Deswegen gilt die Empfehlung zeitweiser Enthaltsamkeit bei Kinderwunsch nicht mehr.
Wenn allerdings eine künstliche Befruchtung ansteht, wird Männern nach wie vor geraten, vor der dazu nötigen Samenabgabe ein paar Tage enthaltsam zu sein. Bei Maßnahmen wie IUI, IVF und ICSI kann dies die Chance auf eine Schwangerschaft erhöhen.
Körperliche Vorteile von Enthaltsamkeit
Wie gesagt, Enthaltsamkeit ist das beste Mittel, eine ungewollte Schwangerschaft oder eine Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten, darunter auch HP-Viren, zu vermeiden. Auch sinkt für Frauen bei Enthaltsamkeit das Risiko, eine Blasenentzündung zu erleiden.
Körperliche Nachteile von Enthaltsamkeit
Das war's aber auch schon mit den wissenschaftlich erwiesenen körperlichen Vorteilen von Enthaltsamkeit. Im Gegenteil: Sexuelle Aktivität wirkt sich allgemein positiv auf die körperliche und psychische Gesundheit aus. Daher sind die negativen Folgen entschieden länger als die positiven:
- Erektionsprobleme: Bei länger andauernder Enthaltsamkeit kann es sowohl bei Frauen als auch bei Männern zu Erektionsproblemen kommen.
- Libidoverlust: Wenn ihr enthaltsam lebt, wird die Produktion von Sexualhormonen gedrosselt, was zur Folge haben kann, dass ihr erst recht keine Lust mehr auf Sex habt.
- Höheres Risiko für Prostatakrebs: Studien weisen darauf hin, dass das Risiko für ein Prostatakarzinom bei häufigen Samenergüssen sinkt.
- Höheres Risiko für Inkontinenz: Es gibt Hinweise darauf, dass enthaltsame Frauen eher zu Harninkontinenz neigen.
- Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen: Wie das Herz-Kreislauf-Portal Kardionet berichtet, ist ein aktives Sexleben gut für die Gesundheit von Herz und Kreislauf. Nicht mal nach einem Herzinfarkt ist besondere Enthaltsamkeit angesagt, wenn man beschwerdefrei ist.
- Höhere Stressanfälligkeit: (Guter) Sex hat eine entspannende Wirkung. Wenn ihr darauf verzichtet, werden weniger Endorphine und auch weniger vom "Kuschelhormon" Oxytocin ausgeschüttet, was euch anfälliger für Stress macht.
- Höheres Risiko für Übergewicht und erschwerten Muskelaufbau: Beim Sex wird ein luteinisierendes Hormon ausgeschüttet, das wiederum die Testosteronproduktion erhöht. Dieses Hormon wirkt Übergewicht entgegen, da es den Muskelaufbau fördert und die Fettverbrennung ankurbelt.
- Höheres Infektrisiko: Durch den Austausch von Körperflüssigkeiten stärkt ihr euer Immunsystem und es kommt seltener zu Infekten.
Ganz schön viele Nachteile, die die Enthaltsamkeit mit sich bringt... Trotzdem kein Grund, Panik zu bekommen, wenn ihr (mal eine Weile) keinen Sex habt. Denn von keinem Sex stirbt man nicht! Schließlich werden auch Nonnen und Mönche alt. Und die halten sich schließlich ans Zölibat. Oder etwa nicht?!
Ihr habt eine Zeitlang enthaltsam gelebt und freut euch jetzt umso mehr auf das nächste Mal Sex? Dann haben wir hier ein paar mögliche aufregende Orte für euch:
