Mit "Der Spitzname" könnt ihr aktuell den dritten Teil der Namen-Trilogie von Sönke Wortmann im Kino anschauen. Wenn eine Familie getrost als kompliziert bezeichnet werden kann, dann wohl die Böttcher, Berger, Wittmanns und Königs. Grund genug für uns mit Iris Berben, Caroline Peters, Janina Uhse, Christoph Maria Herbst und Florian David Fitz über ihre Rollen, Familienfreuden und neue Möglichkeiten zu sprechen.
Iris Berben im Gespräch
Eines meiner Lieblingszitate im Film ist: "Es ist nicht plötzlich in, es ist plötzlich möglich." Was findet ihr gut, dass es jetzt möglich ist?
Iris Berben: Es ist plötzlich möglich, dass wir den Feminismus nicht mehr nur kategorisieren auf eine kleine Gruppe von Frauen, die in einer Blase leben und glauben, sie müssten der Welt die Frauen erklären. Es ist jetzt so, dass sich der Feminismus auf eine ganz breite Weise Platz geschaffen hat, in unterschiedlichen Generationen. Man begreift den Feminismus jetzt sehr viel breiter. Vor allem, dass Männer ihn begreifen, dass sie sich einbezogen fühlen und sich selbst als Feministen bezeichnen. Das ist ein ziemlich guter Zustand.
Caroline Peters: Ich finde, dass das tatsächlich gut zu dem Genderthema passt. In dem Film wird das zwar als Witz gesagt und auch als negative Formulierung. Aber es ist doch etwas total Positives. Zu meiner Schulzeit war das noch undenkbar. Es ist jetzt möglich, dass junge Frauen am Staatstheater Männerrollen aus dem klassischen Repertoire spielen können. Das macht später ja andere Rollen möglich. Das finde ich super. Das war lange Zeit nicht möglich, ebenso wie das Regieführen für Frauen.
Christoph Maria Herbst im Interview
Christoph Maria Herbst (nickt): Ein Zitat von meiner sehr gewitzten Filmtochter. So sehr die Figur einem auch auf den Senkel gehen kann, umso klarer und deutlicher muss man festhalten, dass sie ein paar schöne Wahrheiten von sich gibt. Das ist zum Beispiel eine. Als Christoph höre ich so einen Satz und denke: Sie hat recht. Aber als ehemaliger Professor Berger muss ich natürlich anders reagieren.
Was mich interessiert: Was ist für dich etwas, wo du sagst: Das ist gut, dass das jetzt endlich möglich ist.
Da gibt es ja tausend Entwicklungen, die ich mitbekommen habe. Wenn ich da an die feministische Entwicklung denke, da sind wir in vielen Bereichen ja noch gar nicht an einem Endpunkt und an einer echten Gerechtigkeit angekommen. Ich weiß auch nicht, ob ich das zu meinen Lebzeiten noch mitkriegen werde, dass es da wirklich gerechter zugeht, was die Bezahlung von Frauen an geht. Und wenn wir jetzt schon über Geld reden, es ist doch ungerecht, dass sich Osten und Westen immer noch nicht angeglichen haben. Da würden mir viele Sachen einfallen, aber ich sollte ja jetzt positive Beispiele nennen.
Ich glaube, meine homosexuellen Freunde und Freundinnen sind froh, in der heutigen Zeit zu leben und nicht in der verstaubten Zeit der Bonner Republik oder noch vor 20 Jahren. Da ist disruptiv einiges passiert. Auch wenn wir nicht verhehlen können, dass wir im Moment in einer Zeit leben, in der man das Gefühl hat, dass die Gesellschaft wieder unglaubliche Rückschritte macht.
Florian David Fitz im Interview
Florian David Fitz: Mit der neuen Generation, die in diesem Film dazu kommt, ist es plötzlich möglich, darüber nachzudenken, dass es nicht mehr das einzige Ziel ist, zu überlegen: Wie viel Geld kann ich machen? Wie viel kann ich arbeiten? Wie kann ich möglichst viele Statussymbole anhäufen? Stattdessen kann man überlegen, was auch noch wichtig ist. Und das nicht nur auf eine hedonistische Weise. Denn das gab es ja schon immer, diese Überzeugung: „Ich brenn die Welt ab, und mir ist alles andere egal.“ Sondern jetzt eben zu überlegen: „Wie bekommen wir das auch anders hin?“ - Was das für unser System dann bedeutet? Keine Ahnung!
Janina Uhse: Die Möglichkeiten sind natürlich großartig. Es kann aber Leute auch verschrecken, wenn sie sich plötzlich mit Dingen auseinandersetzen müssen, mit denen sie sich eigentlich gar nicht beschäftigen wollen. Weil es bisher immer anders war. Man sollte deswegen Menschen ermutigen, sich neuen Möglichkeiten zu öffnen, ohne Angst davor zu haben. Ich nehme in meinem Umfeld schon auch wahr, dass Menschen manche Dinge nicht sagen, aus Angst, etwas Falsches zu sagen. Das wird in unserem Film ja schön gezeigt, dass man da aber eigentlich keine Angst haben muss. Weil wir ja auch nicht mit dem erhobenen Zeigefinger um die Ecke kommen. Es ist einfach ein Thema, das uns generationsübergreifend beschäftigt.
Florian David Fitz: Ganz generell habe ich aber schon auch das Gefühl, dass sich da etwas ändert. Wir beide haben ja bei ein paar Filmen schon über ähnliche Themen gesprochen. Da stelle ich schon eine Veränderung fest, weg von diesem Absoluten, hin zu einer Debatte.
Wir Zwei haben ja schon oft darüber gesprochen, dass es solche Tokensätze gibt. Wenn die gesagt werden, dann bist du direkt mein Feind. Anstatt abzuwarten und zu erkennen: Es gibt hier einen Konflikt, und der ist nicht uninteressant. Den darf man auch besprechen, ohne zu sagen: „Du bist in meiner Welt nicht existent, du darfst nicht existieren.“ Da habe ich schon das Gefühl, dass sich das aufweicht. Denn es gibt doch Leute, die kommen aus einer ganz anderen Ecke.
Verschiedene Interviewtage
Manchmal passiert es, dass nicht alle Interviews an einem Tag abgehalten werden können. Mit etwas Glück gibt es dann unterschiedliche Zeitlängen um Gespräche zu führen. In diesem Fall war es so, dass ich mit Iris Berben und Christoph Maria Herbst ein lockerere Taktung hatte und die Gespräche deswegen zwar nicht gefilmt, aber persönlich und auch deutlich länger waren.
Ein großes Glück, denn nicht nur, dass sich Themen ja viel intensiver besprechen lassen, wenn man zusammen in einem Raum ist, man kann auch mehr in die Tiefe gehen. Deswegen mein dringender Rat: Verpasst die Interviews mit Iris Berben und Christoph Maria Herbst auf keinen Fall. Ihr findet sie in diesem Artikel:
Florian, im Gespräch mit Iris Berben habe ich unser Gespräch übers Gendern erwähnt. Und sie meinte auch, es ist wichtiger, dass wir da alle mitnehmen und nicht ausschließen.
Genau. Man muss ja auch einen Weg finden, miteinander umzugehen. Das war doch nach Corona auch so, dass es da manche Freunde gab, wo man überlegen musste: Wie können wir so komplett unterschiedlicher Meinung sein und uns trotzdem lieb haben? Das ist vielleicht eine Fähigkeit, die langsam wieder zurückkommt. Es kann ja auch nicht ewig so weitergehen. Sonst landen wir irgendwann in den USA, wo man sagt: „Ich kann mit der Hälfte der Leute gar nicht mehr reden.“
Caroline Peters im Gespräch
Die Ehe zwischen deiner Filmfigur Elisabeth und Stephan Berger läuft ja seit 2018 nicht wirklich rund. Was glaubst du, wohin würde sie sich entwickeln, sollte es weitere Kinofilme mit dieser Familie geben?
Caroline Peters: Ich würde sagen, die läuft nicht erst seit 2018 nicht rund, die lief noch nie richtig rund. Ich weiß auch gar nicht, ob die sich wirklich so als Ehe erleben. Die leben eher im Verbund miteinander. Sie kennen sich ja schon seit der Schulzeit, und es sind beides Menschen, die nicht unbedingt einen Partner brauchen. Sie brauchen aber unbedingt eine Familie.
Solche Menschen gibt es ja auch. Es gibt die, die eine Liebesbeziehung unter vier Augen brauchen. Und es gibt die, die den Verbund brauchen. Elisabeth und Stephan gehören zu Letzteren. Ich glaube, wenn es so wäre, dass Elisabeth eine Liebesbeziehung bräuchte, dann kann sich das nur zu einer Scheidung hin entwickeln. Alles andere wäre Wahnsinn. Die kommen ja nicht mal miteinander besonders gut aus.
Die wollen in diesem bürgerlichen Zusammenhang leben, und da braucht man eben einen Ehemann und Kinder. Elisabeth versteht sich mit den Kindern ja auch gut. Aber eine enge, liebevolle Zweierbeziehung brauchen die beiden nicht.
Janina Uhse im Interview
Christoph Maria Herbst sagt als Stephan Berger den Satz „Prominenz ist ja kein Wert an sich“. Janina, was ist ein Wert, der dich durchs Leben trägt?
Janina Uhse: Einfach Mensch sein. Meine Mutter hat immer gesagt: „Was du nicht willst, dass man dir tu', das füg auch keinem anderen zu.“ Behandle jeden Menschen gleich. Das ist ein Wert für mich: menschlich sein, auf meine Mitmenschen achten.