Florian David Fitz spielt in seinem neuen Film "Wochenendrebellen" Mirco, den Vater eines autistischen Jungen (Jason, gespielt von Cecilio Andresen), der einen ganz speziellen Wunsch hat. Im Exklusiv-Interview ging es neben der (unvermeintlichen) Frage nach Fußball vor allem aber um die (für mich) wichtigen Dinge im Leben: Partnerschaftliche Unterstützung, gemeinsame Sorge für die Kinder und warum es vollkommen ok ist, eine Meinung zu haben.
Florian, ich lerne bei jedem Interview etwas dazu. Was hast du bei diesem Film neu gelernt?
Florian David Fitz: Alle fragen, ob ich etwas über Autismus gelernt habe... Habe ich, aber eher darüber, wie es ist, mit dieser Situation zu leben. Wie kommst du damit klar, wenn du für dein Kind die Welt zurecht bauen musst. Ich nehme an, jedes Elternteil kennt das im Kleinen. Wenn du einen Dreijährigen zu Hause hast, dann weißt du ungefähr, was passiert, wenn du "Nein" sagst.
Aber wenn du das in der Dimension wie hier im Film hast, das nötigt erst mal jedem Respekt ab. Was da für die Eltern übrig bleibt, das weiß man auch nicht. Das fand ich erst mal spannend: Wie schafft man es mit Humor und Leidenschaft da durchzukommen und trotzdem Mensch zu bleiben? Denn man muss nicht Gott werden, der sagt "Ich bin für dich da, ich hab dich lieb, es läuft alles gut, ich nehme dich, wie du bist"...
(Er überlegt) Aber ich habe noch viel mehr über Fußball gelernt.
Darauf zielte meine Frage aber auch ab. Ich wollte ja wissen, was du vom Film gelernt hast, nicht, was du über Autismus gelernt hast.
Genau, ich wusste mehr über Autismus als über Fußball. Das ist auch eine interessante Aussage.
Ich interessiere mich nicht für Fußball und muss gestehen, ich hatte erst mal wenig Interesse daran, mir den Film anzugucken. Beim Schauen habe ich aber gemerkt, dass Fußball nur ein Nebenstrang ist, es geht eigentlich um etwas ganz anderes.
Erst mal ist es eine ganz besondere Reise zwischen den beiden. [Er meint Vater und Sohn, Anm.d.Red.] Ich finde es als Fußballlaie aber ganz schön, in diese Welt eingeführt zu werden. Die beiden gehen da ja wie Aliens rein, reisen durch Deutschland und sehen unterschiedliche Stämme. Das sind ja richtige Stämme, die du da besuchst. Ein bisschen wie bei "Asterix & Obelix ... jetzt bei den Goten" (Er lacht)
So fühlte sich das ein bisschen an. Und das finde ich total spannend und das müsste man den Leuten sagen. Hier geht es eigentlich um eine Familie und den Versuch, dem Sohn einen sehr seltsamen Wunsch zu erfüllen.
Was ich an „Wochenendrebellen“ total wichtig finde, ist die Darstellung der Mutter, gespielt von Aylin Tezel. Sie sagt: "Ich bin total am Ende"! Der Vater merkt das am Anfang gar nicht, ändert dann im Verlauf der Geschichte einiges. Ich finde aber schon, dass viele Väter auf dem Auge blind sind und die Erschöpfung ihrer Partnerinnen nicht wahrnehmen.
Ich glaube, in diesem Fall ist das das Extrem von dem, was wir sowieso beobachten. Witzigerweise rutschen die Frauen in diese Rolle, ich finde das eine sehr interessante Debatte. In meinem Freundeskreis haben viele Kinder bekommen und da war ich dann doch von den Abläufen überrascht, wie traditionell es plötzlich in der Aufteilung wurde. Aber was mich eben überrascht hat, war, dass die Frauen da selber eine ganz aktive Rolle spielen.
Bist du der Meinung, dass Maternal Gatekeeping wirklich existiert?
In meinem Umfeld waren es nach Geburt nicht die Männer, die was zu sagen hatten. Ganz klar, die Frau hat ja die Schwangerschaft und die Geburt und dann meistens auch noch das Stillen am Hacken, natürlich ist die erstmal dichter dran und der Typ steht so eher händchenhaltend daneben. Die Frau sagt, was sie braucht. Fertig. Dann haben die Frauen natürlich einen Wissensvorsprung. Aber die wissen das doch auch nicht sofort, Babys kommen ja nicht mit einer Gebrauchsanweisung auf die Welt. Die Frauen müssen das auch lernen, das heißt, sie machen auch Fehler.
Aber dann kommt der Vater irgendwie nicht in die Puschen und das ist ein beidseitiges Problem: die Frau, die dem ungeschickten Typen in den Nacken atmet und dann entnervt sagt, "Komm, lass mal, ich mach es lieber selber" und auf der anderen Seite der Vater, für den es natürlich auch superbequem ist, wenn sie alles wuppt. Mäht er halt den Rasen. Und schwups sind wir in den 50ern. Und das regt mich auf.
Dass ein Typ 10 Tage nach der Geburt die Mutter zur Seite schubst und sagt: "He, das ist übrigens genauso mein Kind und ich bestimme hier, wie das gemacht wird", das habe ich zumindest noch nie gesehen. (lacht)
Ich finde das interessant. Ich habe da eine Außenseiterposition, deswegen beobachte ich das mit etwas Distanz. Ich seh aber ganz klar beide Seiten in der Verantwortung.
Ja, aber...
Ich hoffe, du hast viel Zeit mitgebracht, denn ich glaube, wir haben unser Thema gefunden! (Er lacht)
Gate Keeping klingt auch so nach Schuld, das nervt mich und das soll man auch gar nicht sagen. Aber sagen wir mal so: Ich war überrascht, das zu sehen. Da wurde niemand reingedrängt in eine Position, das passiert dann später gleitend. Was auch hier im Film passiert, ist die logische Aufteilung am Anfang: Na klar, man macht das, was am praktischsten ist. Und dann verfestigen sich die Sachen. Und da gibt es irgendwann einen Punkt, an dem die Frau gerne sagen würde: Warte mal, ist mir scheißegal, was ich am Anfang gesagt habe, warum ist das denn jetzt so?!
Und dann kommst du da nicht mehr raus.
Genau. Und wenn ich dann lese, dass von der Arbeit die Zuhause getan wird, 70 % von der Frau gemacht wird, trotzdem sie berufstätig ist, wenn also beide arbeiten, da brennt bei mir die Hutschnur durch. Das finde ich es nicht mehr cool von den Männern. Aber am Anfang sehe ich da schon ein paar Stellschrauben, wo die Frauen mitschrauben können.
Aber wird nicht von Frauen erwartet, dass sie sich um alles kümmern? Gerade am Anfang, weil sie ja das Kind auf die Welt gebracht haben.
Du hast Kinder, oder? Hast du nicht das Gefühl gehabt, dass du am Anfang mehr Bescheid wusstest? Hattest du am Anfang eher die Hosen an?
Ja, ich habe drei Kinder. Aber mein Mann und ich, wir mussten von Anfang an beide ran. Wir hatten drei Schreibabys, da konnte sich niemand zurückziehen.
Verstehe, dann ist das was anderes. Meine Beobachtung ist ja auch nur anekdotisches Wissen. Was ich gesehen habe, ist, dass die Frauen in den ersten Monaten ganz klar die Hosen anhaben. Und was sich dann später verfestigt, das ist dann, glaube ich, unglücklich. Das ist ja auch hier im Film so ein bisschen passiert, dass das die logische Folge war. Es ist, wie es immer ist: Wir brauchen das Geld. Vielleicht haben die auch am Anfang gesagt: „Du, sonst bleib ich zu Hause, überhaupt kein Problem.“
Und natürlich haben beide recht. Sie ist WIRKLICH am Limit. Und er weiß natürlich, wie anstrengend das ist … Aber nicht wirklich. Er arbeitet auch wirklich viel. Das stimmt ja, er reißt sich den Arsch auf, er fährt die ganze Zeit durch ganz Deutschland, am Wochenende auch noch mal mit dem Kind durch Deutschland durch und fährt die Stadien ab. Das ist unglaublich, was der da macht, was Mirco [ gemeint ist Mirco von Juterczenka, der Vater, der das Buch „Wochenendrebellen“, auf dem der Film basiert] gemacht hat.
Aber vielleicht muss er sich irgendwann auch eingestehen, dass er ganz happy ist, wenn die Autotür zu ist.
Der Vater schreit in einem Moment "Alles ist einfacher, als mit dir zusammen zu sein". Das passt total, weil er sich aus der Verantwortung des täglichen Kleinkleins herausstiehlt. Das empfinden aber sicher viele Mütter auch so.
Klar. Das gibt es. Man arbeitet ja auch viel und es gibt so uneingestandene Bequemlichkeiten: „Ooochch, ich muss jetzt nicht unbedingt darauf aufmerksam machen.“ Das darf man schon mal hinterfragen. Das ist wahrscheinlich auch der Ausweg. Ab und an Inventur machen. Beraten, neu gucken. Aber hey, mich darfst du nicht fragen, ich krieg da Pickel, bei der ungleichen Arbeitsteilung.
Die beiden kommen aber auch deswegen zusammen und verlieren sich nicht, weil sie sich gegenseitig zuhören.
Der Punkt ist: Sie haben ja auch beide Recht. Beide reißen sich ja auch den Arsch auf. Nur, dass er das vielleicht nicht packt mit dem Kind. Was man ja sehr sehr gut verstehen kann. Und sie, wenn man mal ehrlich ist, packt das ja auch nicht dauernd. Das ist einfach nicht machbar. Sie hat ja eh schon unmenschliche Kraft. Das ist, glaube ich, der Punkt: Es ist ja nicht so, dass da irgendjemand faul ist am Anfang. Aber es reißt sich natürlich niemand drum.
Es gibt diesen Satz, den deine Figur im Film zu seiner Frau sagt: "Der wird sein Leben lang Fahrstuhl fahren und wir können ihn nur dabei begleiten". Mir ist klar, dass der Satz im Kontext von Autismus ganz anders gemeint ist. Aber ist diese Begleitung nicht generell die Verantwortung von uns Eltern?
Ja, aber schau mal, der Unterschied ist natürlich, dass du normalerweise die Kinder auf die Welt vorbereitest. Hier müssen die Eltern die Welt für das Kind formen. Das ist ein großer Unterschied. Das ist eigentlich nicht der Job von Eltern. Eltern können ja nicht dauerhaft die Welt verändern für das Kind. Hier müssen die Eltern ein Leben lang eine Art Safe Space, diese Blase, um dieses Kind machen. Irgendwann werden die Eltern alt und haben dann die Sorge, was passiert denn wenn wir nicht mehr da sind. Du möchtest ja eigentlich dein Kind befähigen, glücklich in der Welt zu leben. Und das ist das Dilemma, was dir nicht weggenommen wird.
Daran wird aber auch kein Förderprogramm dieser Welt etwas ändern können. Aber ich frage mich manchmal, ist es nicht der Job von uns als Gesellschaft mehr zu inkludieren?
Ich glaube nicht. Du hast einen Punkt gesagt: Das wird nicht weginkludiert. Man kann da hingucken und wenn du nicht mit nem erhobenen Zeigefinger drauf zeigst, das reicht ja schon. Es hilft ja schon zu verstehen: So kann es auch sein. Jeder kennt die Situation doch im Kleinen. Das [was die Familie erlebt] kannst du nicht abnehmen. Das kann nicht mal der Großvater. Der hat natürlich nen easy Job und kann sagen "Hey, ich hab dich lieb".
Der lebt damit ja auch nicht jeden Tag!
Genau. Das ist doch auch ok, verstehst du. Das ist ja auch das, was ich so super an Mirco finde: Dass der auch einen Humor hat und sagt: "Weißt du was, fuck you, ich pack´s nicht, du nervst mich, ich bin auch nur ein Mensch, ich kann nicht mehr". Das ist völlig ok. Weil, wenn du aufhörst, dann selber Mensch zu sein, das ist doch auch scheiße. Das ist ja das große Kunststück, die Lebenslust und den Humor nicht zu verlieren.
Meine Lieblingsszene war die in der Bahn, weil ich glaube, dass das jedes Elternteil so gut nachempfinden kann, auch ohne autistische Kinder. Was aber neben der Situation an sich sehr herausfordernd ist, sind ja die anderen Leute drum herum, die ja immer eine Meinung haben zu allem.
Ja, aber das ist ja ok. Wir sind halt Menschen und wir haben immer eine Meinung. Du wirst uns nicht allen abtrainieren, eine Meinung zu haben. Wenn ich die anderen kacke finde, dann habe ich ja auch wieder eine Meinung. Das ist uns wahrscheinlich einfach gegeben. Und das ist ja auch fein. Manchmal denke ich mir, wir können mal alle ein bisschen chillen.
Warum dieser Film? Beim letzten Mal haben wir uns über „Oskars Kleid“ unterhalten, jetzt ist es wieder ein besonderer Film. Warum hast du dich dafür entschieden?
Dass die jetzt so hintereinanderkommen, das ist wie immer Zufall. Dass es jetzt Vaterrollen sind, liegt in der Logik meiner Biologie. Ich bin in einem bestimmen Alter, da spielt man Väter. Und ich weiß: Irgendwann wird mich das mit den Vätern langweilen.
Es sind aber Geschichten, die mich interessieren. Da haben wir uns ja beim letzten Mal auch drüber unterhalten, ich finde das gar nicht nachteilig zu sagen, man hat eine Außenseiterposition. Denn das ermöglicht einem, auf die Welt zu gucken. Man möchte Teil von etwas sein, aber jeder von uns kennt das Gefühl, nicht Teil der Gruppe zu sein. Und beides hilft. Teil eines Fußballchors zu sein hilft. Ich glaube, das ist etwas wirklich Heilsames, sich da zu verlieren.
Aber manchmal auch außen zu sein und sich selber und andere zu betrachten, hilft halt auch. Das meine ich mit entspannen, dass man beides machen soll. Es ist nicht gut, wenn man immer nur sagt: "Was ist denn mit mir? Was ist denn mit meinen Problemen? Kann mal jemand sensibel mit meinen Problemen sein?". Oder das Gegenteil "I don´t matter, ich bin nichts wert, wir gehen alle in der Masse unter“ und am Ende sind wir im Dritten Reich. Es sind halt die Extreme. Wir brauchen Mäßigung. Wie schon bei Marc Aurel, die Mitte ist wichtig.
Filmkritik zu "Wochenendrebellen"
Als ich das Filmplaket gesehen habe, war mein erster Gedanke: Bitte nicht! Weil mich Fußball wirklich so überhaupt gar nicht interessiert. Und mir das jetzt in einem Kinofilm anschauen? Ich kann mir wahrlich schöneres vorstellen.
ABER, und das ist ein großes aber: Es geht in diesem Film wirklich nur am Rande um Fußball. Denn im Zentrum geht es, wie Florian David Fitz ja auch sagt, um eine Familie, die für sich einen Weg im Leben sucht. Der Autismus des Sohnes ist natürlich ein zentrales Thema, Cecilio Andresen spielt den wirklich beeindruckend. Es geht aber auch um eine gemeinsame Reise als Familie, um Absprachen und Hilflosigkeit und Liebe.
Ich finde den Film wirklich gut, er hat mich zum Nachdenken und zum Lachen gebracht. Aylin Tezel, die die Mutter spielt, macht das mit einer solchen Intensität und teilweise auch Verzweiflung, dass ich auch mal tief durchatmen musste. Denn auch wenn keins meiner Kinder autistisch ist und ich mir niemals anmaßen würde, meine Situation mit der dieser Familie zu vergleichen: Diese Hilflosigkeit, dieses sich selbst verloren haben, das kann ich schon nachvollziehen.
Deswegen an dieser Stelle eine kleine Warnung: Wenn ihr sehr belastet in eurem Familienalltag seid und euch nur für diesen Film eine Auszeit nehmen wollt: Denkt nochmal darüber nach, ob ihr das in dieser Situation gerade wirklich schafft. Denn anderen bei ihrer Erschöpfung zugucken, kann manchmal auch eine Herausforderung sein.
Papa kann es besser?
Als Autismus-Mom freue ich mich über Filme zum Thema und es sollte viel mehr davon geben. Obwohl ich den Film erst lange nach Release im Kino gesehen habe, war es ziemlich gut besucht.
Den täglichen Struggle von Mutter Fatime konnte ich so gut nachvollziehen, richtig stark fand ich alle Szenen mit der kleinen Schwester von Jason: die blanke Panik, als sie auf den Tisch gekleckert oder im Auto gehustet hat. Der besetzte Platz an der Bushaltestelle, die Geräusche auf dem Weg in die Schule, die Nudeln mit Sauce – kleine Mini-Situationen, die für andere so normal sind – für Menschen im Autismus-Spektrum und ihre Familien maximaler Stress. Ich wünsche mir, dass der Film dazu beiträgt, dass da mehr Verständnis ist.
Was mich ein bisschen gestört hat (vielleicht sollte das aber auch gar nicht die Message des Films sein?), ist, dass dank Papa am Ende dann alles einfacher wird. Weil er sich endlich die Zeit nimmt. Alles, was Mama in den letzten Jahren geleistet hat, gerät dadurch ein bisschen in Vergessenheit… schade. Aber immerhin hat sie es mal wieder zum Frisör geschafft.
Das ist keine Kritik an den Schauspieler*innen, v. a. Cecilio Andresen spielt unglaublich überzeugend. Der Cameo der echten Wochenendrebellen war richtig cool. Ganz besonders berührt hat mich der Abspann mit den Fotos der Familie, da sind schon ein paar Tränchen bei meinem Mann und mir geflossen. Auch in der Szene, in der Jason das Referat vor seiner Klasse hält, für mich die schönste im ganzen Film.