Wir haben unsere Kinder ungeachtet ihres biologischen Geschlechts gleich lieb. Das behaupten wir alle gern und fühlen das meistens auch. Aber die Geschlechterrollen, die wir anderen zuweisen, sind unterschwellig immer ein Thema. Eine Studie hat herausgefunden, dass Väter mit ihren Kindern ganz unterschiedlich umgehen, je nachdem ob das Kind ein Mädchen oder ein Junge ist. Auch das hat nichts mit Bevorzugung zu tun, sondern mit Biologie.
Was versteht man unter Geschlechterrollen?
Geschlechterrollen sind ein Konstrukt. Unter ihnen fasst man die Summe von Verhaltensweisen zusammen, die eine Kultur für ein bestimmtes biologisches Geschlecht als akzeptabel oder typisch ansieht. Dabei handelt es sich allzuoft um Geschlechterklischees, die immer mehr Eltern zu überwinden versuchen. Gerade dann, wenn ihr selbst entweder ohne besondere Klischees oder mit ganz vielen aufgewachsen seid, werdet ihr euch für das Thema vermehrt interessieren.
Wie entstehen Geschlechterrollen?
Es ist aber tatsächlich wichtig, dass die Gesamtgesellschaft sich mit Geschlechterrollen auseinandersetzt. Denn auch wenn wir in der Theorie eine weltoffene, freie Gesellschaft sind, es gibt nach wie vor Verhaltensweise bei Frauen und Männern, Jungen und Mädchen, die an Akzeptanzgrenzen stoßen, weil sie nicht "typisch" männlich oder weiblich sind.
Geschlechterrollen unterliegen aber grundsätzlich einem gesellschaftlichen Wandel von Werten, Normen und Einstellungen zu verschiedenen Themen und Ansichten.
Geschlechterrollen prägen
Ich halte mich für sehr offen und gestehe meinen Kindern zu, sich frei und unabhängig ihres biologischen Geschlechts zu entfalten. Zumindest in der Theorie. In der Praxis merke ich oft, dass auch ich imaginäre Grenzen habe. Aber das Gute ist: Wir lernen soviel von unseren Kindern.
Ich habe vor einigen Jahren im Urlaub mal ein Armband für meine Tochter gekauft, aber keins für meinen Sohn. Der weinte daraufhin bittere Tränen, weil er natürlich auch eins wollte. Und sein Vater sollte auch eins bekommen. Ich hatte den kleinen Mann einfach nicht im Kosmos von Schmuck mitbedacht und bin meinem Sohn bis heute dankbar für seinen Tränen damals. Sie haben mich daran erinnert, dass wir alle bestimmte Bilder in uns tragen und diese regelmäßig hinterfragen sollten.
Studie zu Geschlechterrollen
Eine Studie der American Psychological Association untersuchte die Beziehung von Vätern zu ihren Kindern im Kleinkindalter. Die Väter bekamen jeweils einen Mini-Computer umgeschnallt, der einen Wochentag und einen Tag am Wochenende aufzeichnete. Alle neun Minuten nahm der Computer 50 Sekunden lang alles auf, was in diesem Moment geschah. Ziel der Forschenden war es, herauszufinden, ob es einen Unterschied im Verhalten der Väter zu ihren männlichen und weiblichen Nachkommen gibt.
Weil die Untersuchung im häuslichen Rahmen stattfand, konnten die Forschenden vermeiden, dass Väter die Antworten gaben, von denen sie glaubten, dass sie gesellschaftlich adäquat sind. Denn es ging nie daraum zu bestreiten, dass Väter eine Tochter anders als einen Sohn behandeln sondern herauszufinden, wo genau die Unterschiede liegen.
Gefühlsbetonter Umgang mit Mädchen
Die Forschungen ergaben, dass die Väter gegenüber ihren Töchtern aufmerksamer sind als gegenüber ihren Söhnen. Zudem zeigen sich Väter einer Tochter interessierter daran, wie es ihrem Kind geht. Weinte beispielsweise ein Kind, reagierten Väter von Mädchen schneller und öfter als Männer mit einem Sohn.
Mit ihrer Tochter sprachen Väter häufiger über Emotionen, zum Beispiel Traurigkeit oder Freude und gaben sich insgesamt gefühlsbetonter als in Gesprächen mit ihrem Sohn. Außerdem sangen Väter mehr mit ihrer Tochter. Bei den teilnehmenden 52 Vätern, 30 von ihnen hatten Töchter, 22 Söhne, gab es auch einige, die mehrere Kinder hatten. Es wurde trotzdem nur die Interaktion mit einem Kind ausgewertet, um die Studienergebnisse möglichst nicht zu verfälschen. Es ist nämlich zu erwarten, dass bei Vätern mit mehreren gegengeschlechtlichen Kindern die Verhaltensmuster bezüglich der Geschlechterrollen sich etwas weniger ausgeprägt zeigen.
Geschlechterrollen für Mädchen: Viel Gefühl und Sprache
Insgesamt verwendeten die Väter, wenn sie mit ihrer Tochter sprechen, eine gehobenere Ausdrucksweise als mit ihren Söhnen. Laut einer vorangegangenen Studie ist der Grund, dass Väter bei Mädchen unbewusst davon ausgehen, dass sie akademische Erfolge erzielen werden als bei ihr männlicher Nachwuchs.
Zudem sprechen Väter mit ihren Töchtern häufiger über Körpermerkmale und Körperteile als das Väter von Söhnen tun. Laut den Forschern ist dies ein Grund, warum jugendliche Mädchen sich mehr mit ihrem Körper beschäftigen als Jungs im gleichen Alter.
Geschlechterrollen für Jungen: Starke Spielpartner
Väter verbringen laut der Studie dreimal mehr Spielzeit mit ihren Sohn, als mit ihrer Tochter. Im Umgang mit ihrem kleinen Jungen verwenden Männer häufiger Worte, die auf Erfolg und Zielerfüllung hinweisen, wie „stolz“, „gewinnen“ oder „Erster“.
In der Veröffentlichung der Studie rufen die Wissenschaftler*innen dazu auf, die Ergebnisse ernst zu nehmen und auch bei Jungen mehr auf die Vermittlung von Empathie zu achten.
Warum Geschlechterrollen zum Problem werden können
Die Studie sei der Beweis dafür, dass trotz aller Fortschrittlichkeit die Rollenmuster vom starken, unempfindlichen Mann und der zarten, gefühlvollen Frau weiterhin bestehen und anerzogen werden. Es liegt also an uns und der Erziehung unserer Kinder, diesen Kreislauf zu durchbrechen.
In der Studie wurden nicht nur die Handlungen der Väter gegenüber ihren Kindern aufgezeichnet, sondern auch die Gehirnaktivitäten von Vätern in Bezug auf ihre Kinder gemessen. Die Ergebnisse sind faszinierend: Väter von Töchtern hatten die stärkste Reaktion im Gehirn, als ihnen die Forscher ein Foto vorlegten, auf dem ihre Tochter glücklich wirkt. Die stärkste Reaktion bei Vätern von Söhnen wurde bei Fotos hervorgerufen, auf denen die Kinder einen neutralen Gesichtsausdruck hatten.
Klassische Geschlechterrollen
Die Forschenden erklären dies damit, dass Väter mehr auf die Gefühle ihrer kleinen Mädchen achten als auf die ihrer Söhne. Ob es einen biologischen Hintergrund hat oder es eine Konsequenz der Geschlechterrollen in unsere Gesellschaft ist, dass Väter unterschiedlich auf die emotionale Verfassung von Tochter und Sohn zu reagieren, konnten die Forschenden nicht beantworten.
Wenn ihr Lust habt, mit euren Kindern über female empowerment sprechen wollt, dann gibt das Video einen ersten Eindruck:
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