Das biologische Geschlecht hat nicht immer etwas mit der Geschlechtsidentität zu tun. Es kann gleich sein, muss es aber nicht. Manche Menschen bezeichnen sich als "genderfluid": Was das bedeutet und welche prominenten Personen dazugehören.
Was ist die Geschlechtsidentität?
Bevor wir euch den Begriff "genderfluid" näher erläutern können, ist es wichtig, zu verstehen, was die geschlechtliche Identität eines Menschen ist. Das biologische Geschlecht wird uns bisher bei der Geburt durch unsere körperlichen Geschlechtsmerkmale zugeordnet. Es gibt "männlich" (Penis) und "weiblich" (Vagina und Brüste), daher wird das biologische Geschlecht auch als binär bezeichnet. Dazwischen gibt es auch Menschen, die biologische Geschlechtsmerkmale von Mann und Frau tragen. Diese Personen nennt man intergeschlechtlich.
Die Geschlechtsidentität entwickelt und sucht sich jede Person selbst aus. Man kann also sagen, es gibt ein persönliches Geschlechtsempfinden, das jede*r nur für sich selbst herausfinden kann. Eine Person kann auch non-binär sein. Das heißt, der- oder diejenige fühlt sich nicht diesem System der zwei Geschlechter zugehörig oder möchte/kann sich da nicht eindeutig verorten. Mit den sexuellen Geschlechtsmerkmalen oder der sexuellen Orientierung hat die Geschlechtsidentität erst mal nichts zu tun.
- binäre Geschlechtsidentität: Die Person fühlt sich einem der beiden Geschlechter "männlich" oder "weiblich" zugehörig.
- non-binäre Geschlechtsidentität: Die Person fühlt sich nicht eindeutig einem der beiden Geschlechter zugehörig. Wird auch als "genderqueer" bezeichnet.
Genderqueere Personen stellen das zweigeschlechtliche Konzept in Frage und damit die traditionellen Zuweisungen vom Geschlecht.
Was "genderfluid" oder "fluid-sexuell" bedeutet
Non-binäre Geschlechtsidentitäten können vielfältig sein. Eine davon ist "genderfluid". Eine genderfluide Person fühlt sich nicht die ganze Zeit einem der Geschlechter zugehörig. Die Geschlechtsidentität ist bei Menschen, die sich so bezeichnen, nicht fest und kann sich von Zeit und Zeit oder Situation zu Situation verändern. Sie ist fließend, daher kommt der Begriff "genderfluid". Weitere mögliche non-binäre Geschlechtsidentitäten sind:
- agender: Menschen, die gar kein Geschlecht haben
- polygender: Menschen, die mehrere Geschlechter haben
- genderfluid (fluid-sexuell) : Menschen, deren Geschlecht sich von Zeit zu Zeit ändern kann
Alle Personen, die sich als "genderfluid" bezeichnen, nehmen meist das Pronomen "they" für ihre Ansprache. Das soll verdeutlichen, dass sie sich abwechselnd zu beiden Geschlechtsidentitäten, männlich oder mal weiblich, zugehörig fühlen. Man kann sie also mit "they/them" oder "sier" ansprechen. Manche bevorzugen auch die Ansprache mit Pronomen wie "x". Am besten fragt man den- oder diejenige, womit sie sich wohlfühlen oder schaut mal auf deren Instagram-Account, wo viele ihre Geschlechtsidentität durch ihr Pronomen auch öffentlich machen.
Einfach mal nachfragen
Während ich selbst in meinem Bekanntenkreis (noch) keine genderfluiden Personen habe, hat meine Tochter ein*en Freund*in, der*die sich bei der Geschlechtsidentität nicht festlegen will und sich deshalb selbst einen neutraleren Namen gegeben hat. Das macht sowohl die Ansprache als auch das über sie*ihn sprechen, um einiges einfacher. So wird z.B. aus: "Was hat sie gesagt?", einfach "Was hat Kim gesagt?".
Natürlich bin auch ich mir hin und wieder unsicher, welches Pronomen in welchem Zusammenhang am besten passt. Glücklicherweise haben die meisten genderfluiden Personen aber nichts dagegen, wenn man sie hin und wieder nach der richtigen Terminologie fragt. Danach sollte man sich aber Mühe geben, die Ansprache auch durchzuziehen. Kleine Patzer sind natürlich normal. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass schon allein das Interesse und die Bemühungen sehr geschätzt werden.
Welche Sexualität haben genderfluide Personen?
Mit der sexuellen Orientierung hat es, wie gesagt, nichts zu tun: Eine genderfluide Person kann hetero- oder homosexuell aber auch bisexuell, demisexuell, asexuell, pansexuell oder skoliosexuell sein. Jegliche Art der Sexualität ist möglich und das weiß nur die betreffende Person allein.
Wie viele Personen bezeichnen sich als "genderfluid"?
Die Selbstbezeichnung genderfluider Personen ist sehr individuell. Meistens ist es ein Prozess, herauszufinden, wer man selbst ist, wie man sich fühlt und wie andere einen nach außen wahrnehmen sollen oder eben nicht. Manche wissen schon als Jugendliche genau, wer sie sind, andere finden es erst später heraus oder trauen sich eben früher aufgrund der gesellschaftlichen Vorbehalte noch nicht, es nach außen zu tragen.
Dieses einseitige System wird in den letzten Jahren immer mehr aufgebrochen. Doch es gibt unzählige Vorbehalte, Mythen und Fehlinformationen dazu. Leider werden viel zu viele offen queer lebende Menschen diskriminiert und es ist noch nicht in jedem Teil der Gesellschaft akzeptiert.
Auch im Sexualkundeunterricht oder generell in pädagogischen Einrichtungen kommen LGBTQ+ Themen viel zu wenig vor. Jugendliche sollten wissen, dass es okay ist, sich bezüglich der Geschlechtsidentität unsicher zu sein oder sich eben nicht eindeutig männlich oder weiblich zu fühlen. Doch wenn darüber im Elternhaus oder der Teenagerphase wenig aufgeklärt wird, dann entstehen Vorurteile und viel Frust und Unverständnis.
Es gibt viele queere Jugendliche, die sich nicht trauen ihre Geschlechtsidentität offen zu zeigen, weil sie dann Mobbing und Diskriminierung erleben müssen. Es lässt sich insgesamt nur schwer sagen, wie viele Personen in einem Land queer leben oder eine bestimmte Geschlechtsidentität haben, weil es dazu nur wenige Umfragen oder Daten gibt. Mit Sicherheit ist die Dunkelziffer sehr hoch. Nicht immer weiß man auch schon im Teenageralter, dass man "genderfluid" ist. Aber alle Teenager sollten wissen, dass jede*s so sein kann, wie er oder sie sich fühlt und dass queer sein nichts unnormales ist, für das man einen anderen ausgrenzt.
Künstler*innen und prominente Personen, die sich als genderfluid geoutet haben
Es gibt einige Influencer*innen, Sänger*innen, Schauspieler*innen und Co., die ihre Geschlechtsidentität offen zeigen und sich auch für LGBTQ+ Themen und gegen Diskriminierung einsetzen. Sie können mutige Vorbilder für Jugendliche und alle Menschen sein, die sich (noch) nicht sicher sind, wer sie sind und wie sie das nach außen tragen können. Hier ein paar Beispiele:
# Schauspieler*in und Model Ruby Rose bezeichnet sich selbst als genderfluid und hat eine lesbische Orientierung. Sier ist für viele queere Menschen eine Ikone der Szene.
# Sänger*in Sam Smith äußerte sich 2019 auf Twitter, dass sier ab sofort das Pronomen "they/them" nutzen würde nach jahrelangem Kampf mit der eigenen Geschlechtsidentität
# Sänger*in Demi Lovato veröffentlichte 2021 ein Video auf Social Media, in dem der Star erklärte, dass sier non-binär sei und die Pronomen "they/them" für sich benutzen möchte.
# Schauspieler*in Lachlan Watson (Chilling Adventures of Sabrina) ist eine der jüngsten non-binären Darsteller*innen, die/der von sich sagt: "I identify as both non-binary and pansexual, which are two very fancy ways of saying I don’t care."
# Comedian Eddi Izzard sagt von sich, dass er*sie zwei Geschlechtsidentitäten habe und genderfluid sei: "I’m gender fluid. I just want to be based in girl mode from now on... One life, live it well."
Es liegt in unserer Verantwortung als Eltern, unsere Kinder aufzuklären und ihnen zu zeigen, dass sie herausfinden dürfen, wer sie sind. Dazu gibt es ein paar tolle Bücher. Auch wir Erwachsene können dabei noch so einiges lernen und es ist nie zu spät, sich zu informieren. Vielleicht hilft euch unser Video bei den ersten Begrifflichkeiten:
Quellen: Regenbogenportal, BPB, Queer-Lexikon