Viele Mädchen und Frauen haben es leider schon selbst erlebt: anzügliche Blicke und Gesten, aufdringliches Nachpfeifen, sexuelle Bemerkungen sowie übergriffige Aufforderungen in der Öffentlichkeit. Was genau man unter Catcalling versteht, in welchen Ländern es strafbar ist und wie ihr euch dagegen wehren könnt.
Was genau ist Catcalling?
„Oh Lala, du heißes Gerät", „Na Süße, schon was vor heute? Ich hätte Zeit für dich!", „Knackigen A**** hast du", „Wow du bist aber eine richtig sexy Schnitte", „Warum allein unterwegs, hübsche Frau?".
Neben eindeutigem Hinterherpfeifen, lauten Kussgeräuschen sowie anzüglichen Bemerkungen und Gesten sind diese verbalen Belästigungen nur wenige Beispiele für ein typisches Catcalling in der Öffentlichkeit.
Viel zu viele Mädchen und Frauen (und ja, auch so manche Jungs und Männer) kennen das alles nur zu gut. Catcalling passiert im Park, beim Joggen, in einer Bar, im Zug, beim Einkaufen oder am Arbeitsplatz. Doch auch im Internet und auf Dating-Apps ist das unaufgeforderte und unerwünschte Verschicken sexistischer Nachrichten und Bilder keine Seltenheit.
Zwar können Männer genauso vom Catcalling betroffen sein, in den meisten Fällen sind es jedoch Mädchen und Frauen, die verbal und auf sexuelle Art und Weise belästigt und unfreiwillig zu einem Objekt der Begierde gemacht werden.
Interessant: Laut einer Studie, die vom Familienministerium herausgebracht wurde, werden Männer eher in der Arbeitswelt Opfer sexueller Belästigung.
Auch, wenn beim Catcalling keine körperlichen, sondern verbale Übergriffe stattfinden, ist es für Betroffene demütigend – und es kann das Selbstwertgefühl nachhaltig beeinträchtigen. Hinzu kommt die Angst, dass es nicht nur bei den anzüglichen Avancen bleibt. Und das Gefühl, im öffentlichen Raum oder abends allein auf der Straße nicht mehr sicher zu sein.
Häufige Beispiele für Catcalling:
- Nachpfeifen
- übergriffige Aufforderungen
- sexuell motivierte und auf das Aussehen bezogene Bemerkungen
- implizite oder explizite Aufforderungen zum Geschlechtsakt
- anzügliche Blicke und Gesten
- sexuelle Anspielungen
- aufdringliches Verhalten
- obszöne Witze
Aber: Ist es nicht nur ein Kompliment?
Nein, das ist es nicht! Sätze wie: „Das war doch nur als Kompliment gemeint. Mach dich mal locker…" sind hier fehl am Platz. Catcalling ist schließlich alles andere als ein Kompliment. Anzügliche Bemerkungen haben nichts mit einer freundlichen Geste, Wertschätzung und Respekt zu tun. Ganz im Gegenteil: Catcalling ist eine Herabwertung und Erniedrigung und vermittelt Dominanz seitens der Männer.
Endlich gibt es ein Bewusstsein dafür
Viel zu lange galten Catcalling-"Komplimente" als völlig normal. "Stell dich nicht so an", hieß es dann, wenn man/frau unangenehm berührt war und die verbale Belästigung als das empfand, was sie nun mal war: Kein Kompliment, sondern unangemessen und herabwürdigend.
Ich finde gut, dass wir unseren Kindern nun leichter mitgeben können: "Nein, dein blödes Gefühl ist nicht übertrieben, sondern eine gesunde Reaktion auf etwas, das nicht okay ist!". Und es ist nie "die eigene Schuld", weil der Rock zu kurz, die Lippen zu rot oder das Haar zu blond waren. Es ist respektlos und unnötig.
Ist Catcalling strafbar?
Trotz einer Petition mit fast 70.000 Unterstützern im Jahr 2020 fällt Catcalling in Deutschland nach wie vor nicht unter den Tatbestand der sexuellen Belästigung. Denn nach deutschem Recht setzt eine sexuelle Belästigung eine körperliche Berührung voraus.
Bei anzüglichen Bemerkungen und Gesten, aufdringlichen Blicken und Pfiffen ist dies jedoch nicht der Fall. Zudem sind häufig keine Zeugen anwesend, was eine strafrechtliche Verfolgung ebenfalls erschwert. Somit wird laut Strafgesetzbuch §184i Absatz 1 die verbale sexuelle Belästigung nicht geahndet (Stand Mai 2022).
Da Catcalling jedoch eine Vorstufe zur sexuellen Belästigung darstellt, kann sie gegebenenfalls als Nötigung oder Nachstellung belangt werden. Liegt eine herabwürdigende Äußerung vor, ist eine Verurteilung wegen Beleidigung möglich. Der Einzelfall wird vom zuständigen Gericht geprüft.
Eine ungewollte Kontaktaufnahme bzw. das unaufgeforderte Zusenden von sexuell anzüglichen Bildern im Internet oder auf Dating-Apps kann aufgrund des Tatbestands der Verbreitung pornographischer Inhalte eine Geld- oder Freiheitsstrafe nach sich ziehen.
Andere EU-Länder, wie zum Beispiel Frankreich, Belgien sowie Portugal, greifen beim Catcalling härter durch, indem es mit einem Bußgeld von bis zu 1.500 Euro geahndet wird.
Bin ich selbst Schuld?
War mein Rock zu kurz, die Jeans zu eng oder der Lippenstift zu rot? Viele betroffene Frauen geben sich an den verbalen sexuellen Belästigungen selbst die Schuld.
Macht euch bewusst: Opfer von Catcalling zu werden, liegt nicht am Geschlecht, der Kleidung, der sexuellen Orientierung, dem Make-up und somit niemals bei einem selbst. Ihr entscheidet, ab wann und wodurch ihr euch sexuell belästigt fühlt. Catcalling ist in keiner Weise zu tolerieren und rechtfertigen.
Was tun bei Catcalling?
Das Outfit anpassen, abends nicht allein unterwegs sein oder ungeschminkt durchs Leben gehen, beseitigt das Problem nicht. Eine Patentlösung gegen Catcalling gibt es allerdings leider auch nicht. Am besten reagiert ihr so, wie ihr euch in der Situation am wohlsten fühlt.
Wir haben euch wirksame Strategien sowie Tipps zusammengefasst:
- Ignorieren: Kopf hoch, gerader Rücken, ein nach vorne gerichteter Blick und eine würdevolle Nichtachtung. Das sind die Zauberworte, um Catcalling gekonnt zu ignorieren und dem Catcaller den Wind aus den Segeln zu nehmen. Natürlich kommt der Täter damit glimpflich davon, nichtsdestotrotz wird das unmögliche Benehmen des Mannes nicht bestätigt und das zu groß geratene Selbstwertgefühl erhält zumindest einen kleinen Dämpfer.
- Direkte Konfrontation: Als äußerst wirkungsvoll hat sich die direkte verbale Konfrontation gezeigt. Indem ihr mit entschlossener und fester Stimme mit „Lassen Sie mich in Ruhe!", "Belästigen Sie mich nicht!" oder „Hören Sie damit auf!" auf die sexuellen Anzüglichkeiten reagiert, weist ihr den Belästiger in seine Grenzen.
Zudem schafft Siezen eine weitere Distanz und Abgrenzung zur Person. Haltet aber auf jeden Fall Abstand und initiiert kein Gespräch mit Fragen, wie „Was soll das?". Das könnte ungewollt als Bestätigung oder Gesprächsaufforderung aufgefasst werden. - Andere mit einbeziehen: Seht euch aktiv nach anderen Passanten um und bezieht sie in die unangenehme Situation mit ein. Dafür ist häufig schon die Frage „Hast du diese unverschämte Anmache gehört?" ausreichend, um sich sicherer zu fühlen. Im Restaurant oder der Bar könnt ihr das Personal über die Belästigung informieren.
- Hilfe rufen: Fühlt ihr euch bei eurem Nachhauseweg unwohl, kann es helfen, eine Freundin, die Familie oder das Heimwegtelefon anzurufen, bis ihr sicher daheim angekommen seid. Zudem könnt ihr immer den Polizei-Notruf wählen, wenn ihr euch bedroht fühlt.
Achtsam sein
Schaut nicht weg, wenn ihr als Außenstehende sexuelle Belästigung gegenüber einer anderen Person mitbekommt. Greift ein, indem ihr beispielsweise laut „Lassen Sie die Frau in Ruhe" ruft oder holt weitere Zeugen hinzu. Jeder ist in einer solchen Situation froh, Hilfe zu bekommen.
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