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Exklusiv-Interview

Heike Makatsch: "Kinder müssen wissen, sie sind gut so, wie sie sind"

Heike Makatsch Interview Kinder

Aktuell läuft der WDR-Thriller "ZERO", der auf dem gleichnamigen Beststeller von Marc Elsberg beruht, in der ARD-Mediathek. Der Film spürt der Frage nach, wie wir als Gesellschaft mit unseren Daten umgehen. Welche Informationen wollen wir Internetplattformen preisgeben, wie sehr auf Algorithmen vertrauen?

Eine spannendende Aufgabenstellung, die eben nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Kinder betrifft. Deswegen haben wir uns exklusiv mit Heike Makatsch, der Hauptdarstellerin dieser Utopie, die gar nicht so weit entfernt in der Zukunft spielt, getroffen. Im Interview geht es um den eigenen Wert ohne Social Media, und wie wir unsere Kinder stärken können.

Heike, hast du schon mal über deinen eigenen Humanscore nachgedacht?

Das ist eine interessante Frage. Natürlich möchte man sich davon so gut es geht freimachen. Gerade wenn man eine öffentliche Person ist, ist die Unabhängigkeit von der Resonanz von Außen eine wichtige Aufgabe. Versucht man dem zu entsprechen, was vermeintlich von einem erwartet wird oder läuft man der Möglichkeit hinterher, Beliebtheit und Aufmerksamkeit zu erlangen, dann ist man schon im Begriff, sich zu verlieren.

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In den 25 Jahren, in denen ich arbeite und in diesem merkwürdigen Ranking von außen unterliege, habe ich viele Gedanken daran verwendet, wie ich davon unabhängig und nah bei mir bleibe. Aber man spürt es natürlich schon. Es bleibt einem nicht komplett verborgen, in welchen Kurven die Akzeptanz verläuft und wenn man merkt: Ich glaube, mein Humanrank fällt gerade, dann muss man das für sich selbst vollkommen emotionslos zu akzeptieren.

Mein Human Rank zu Hause, in meiner kleinen Welt, der ist wichtig. Aber der da draußen nicht. Denn der hat gar nicht so viel mit mir zu tun.

Und man kann den eigenen Rang und sein Ansehen im Außen ja relativ wenig beeinflussen!

Es gibt ja ganze Berufszweige, die sich damit beschäftigen, wie man Rang und Ansehen im Außen beeinflusst. Viele tun das teilweise ja auch genau mit den Portalen und Plattformen, die dafür ins Leben gerufen wurden. Und auf eine gewisse Weise funktioniert es auch. Der ‚Human Rank‘ ist somit sehr häufig eine aufgeblasene, künstliche Angelegenheit.

Dementsprechend erkenne ich lieber an, dass Top oder Flop einer gewissen Willkür unterliegt und das entspannt mich. Ich versuche so gut es geht, mich selbst als Kompass zu nehmen. Oder meine Freunde. Sonst wäre man ganz schön ausgeliefert.

Es gibt ja auch Schauspieler*innen, die sagen, sie werden nicht angefragt, weil sie nicht genug Follower*innen haben. Bei Models kennt man das schon eher. Hast du da auch schon Erfahrungen mit gemacht?

Eine große Folgschaft in den sozialen Medien ist sicherlich in allen Bereichen eine Währung geworden. Somit höre ich immer wieder, dass das gerade bei den jungen Schauspieler*innen schon ein Thema ist. Eine große Followerzahl besitzt für Investoren einen Wert, der sich direkt umsetzen lässt. Ein gut besuchter Social-Media-Account funktioniert ja wie ein maßgeschneiderter Werbekanal, wenn man so möchte. Aber ich sage mir immer, für meine Generation ist das nicht ganz so wichtig. Nunja, ich hoffe es! Nenn mir doch mal einen anderen älteren Menschen, der viele Follower hat. Also außer Jennifer Aniston. Und die hat ja auch erst vor einem Jahr damit angefangen.

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Mein Human Rank zu Hause, in meiner kleinen Welt, der ist wichtig. Aber der da draußen nicht. Denn der hat gar nicht so viel mit mir zu tun.
Heike Makatsch

Unsere Kinder werden aber im Gegensatz zu uns damit groß, dass alles öffentlich ist. Wie können wir ihnen vermitteln, dass das, was online passiert, nicht wichtig ist?

Es ist ja nicht nicht wichtig. Das wäre ja schon der falsche Ansatz. Man würde ja dem Kind, das augenscheinlich wahrnimmt, dass es wichtig ist, sagen, dass es falschliegt. Dabei ist das Digitale ja wichtig. Es ist der Ort, wo sich ab einem gewissen Alter die jungen Menschen treffen. Es ist deren Begegnungsform, es ist das, wo ich mir manchmal sage, wenn ich das jetzt verhindere, das ist doch wie wenn meine Mutter mir früher gesagt hätte, "in den Club gehst du jetzt nicht".

Bis zu einem gewissen Alter kann man das noch entscheiden, ‚in den Club gehst du nicht‘, da können klare Regeln greifen, aber irgendwann nicht mehr. Irgendwann muss man vertrauen, dass man da früh ein gutes Fundament geschaffen hat. Und natürlich muss man irgendwann, auch wenn es schwerfällt, loslassen und akzeptieren, dass die neue Generation ihren eigenen Weg finden muss in einem Dschungel, den wir gar nicht mehr so durchblicken. Das ist deren Welt, nicht unsere.

Ich höre mich auch sagen "Oh, es war so schön früher, wir haben uns immer an der Tankstelle getroffen und uns gegenseitig Kassetten aufgenommen und jetzt, da laden die sich nur noch Playlists runter. Das ist doch keine Art mit Musik umzugehen." - Aber am Ende ist die junge Generation in diesen Belangen viel cleverer als wir. Wie sie damit umgehen muss und was sie darin Lebenswertes finden wird, darin müssen wir vertrauen.

Wir haben doch viel zu lange gedacht: Hey, was unterscheidet uns von der nächsten Generation, wir sind doch so lässig, wie sind so cool, wir haben alles durchschaut, wir hören die beste Musik, unsere Kinder müssen uns doch einfach nur super finden. Und jetzt tut sich da diese digitale Welt auf und wir verlieren den Durchblick.

Ich bin gespannt, wie sich die Nutzung der neuen Medien in der Zukunft verändern wird. Wer weiß, vielleicht ist es schon ganz bald das große Ding, ein Tastentelefon zu besitzen und gar nichts mehr aus seinem Leben im Internet zu verbreiten.

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Deine Figur Cynthia Bonsant hat auch Angst davor, dass die App das Leben der Tochter steuert und sie als Mutter weniger wichtig wird. Aber ist das nicht ab einem gewissen Alter immer so? Da sind wir Eltern wichtig, aber die peer group im Zweifelsfall noch mehr. Ist also die Angst vor einem Algorithmus nicht nur eine neue Möglichkeit von Eltern sich zu beruhigen, denn der Abnabelungsprozess vom Elternhaus kommt doch sowieso immer.

Absolut. Deswegen kommt es darauf an, wann man sich dem Algorithmus ausliefert. Bei einem 10-Jährigen ist das doch etwas ganz anders, als bei einem 15-Jährigen. Eine 15-Jährige trifft ihre eigenen Entscheidungen, bei einem 10-Jährigen hätte ich Sorge, dass das zu überwältigend ist. Die Distanz zu und somit die Verarbeitung von den Informationen, die im Netz auf uns einstürmen, ist mit zunehmendem Alter sicherlich ein stückweit mehr gewährleistet.

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Natürlich müssen unsere Kinder ihre Entscheidungen für sich selbst treffen, aber das gilt ja auch für solche Dinge wie z.B. rauchen.

Es gibt viele Klippen von denen man hofft, dass man genug ins Gepäck reingesteckt hat, sodass das Kind weiß, wie man sie umschifft. Aber vielleicht wird der Nachwuchs auch mal eine Zeit lang rauchen und dann wieder nicht mehr. Und vielleicht machen Kinder eine Weile Duckfaces und Selfies und dann eben nicht mehr. Da muss man dann lernen zu vertrauen.

In "Zero" hältst du als Filmfigur Cynthia Bonsant einen sehr wichtigen Monolog zum Thema Wert eines Menschen in der Gesellschaft. Wie vermitteln wir denn Kindern, dass sie immer wichtig sind und wertvoll, auch wenn die Onlinewelt etwas anderes behauptet?

Über allem schwebt, dass man dem Kind begreiflich macht: Du bist gut so, wie du bist. Zeig mir, was du sein willst und ich unterstütze dich darin. Das ist dann oft auch der Grundstein dafür, dass Kinder sich frei entfalten können.

Andrea Zschocher

Spannendes Thema

Ich kannte das Buch nicht, beschäftige mich aber schon seit einigen Jahren mit dem digitalen Leben von Familien und den Auswirkungen, die das auf Kinder haben kann. Natürlich hat Heike Makatsch total recht, wenn sie sagt, dass Kinder ihre eigenen Entscheidungen treffen müssen. Aber ich finde eben auch, dass Eltern sich informieren müssen. Dass sie sich für die Lebenswelten ihrer Kinder, die viel weniger zwischen On- und Offline unterschieden, interessieren. Denn auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, wir müssten das alles nicht mehr wissen, nicht mehr jeden Trend mitmachen, für unsere Kinder sollten wir hellhörig sein und sie nicht allein lassen.

Andrea Zschocher

Filmtipp "Zero"

"Zero" könnt ihr euch ab sofort ein Jahr lang in der ARD-Mediathek anschauen. Gerade gemeinsam mit Teenagern lohnt es sich, den Film anzusehen und darüber ins Gespräch zu kommen, wie ihr als Familie mit dem digitalen Leben umgehen möchtet. Sicherlich lohnt sich auch der Roman "Zero" von Marc Elsberg, wenn ihr Lust habt, tiefer in die Geschichte einzutauchen.

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Bildquelle: Getty Images / Vittorio Zunino Celotto

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