Rund 10 bis 20 % der Weltbevölkerung kann als hochsensibel eingestuft werden. Sogar Studien im Tierreich beweisen entsprechende Tendenzen. Hochsensibilität ist keine psychische Erkrankung, dennoch haben viele hochsensible Menschen besonders in der Partnerschaft mit ihrer intensiven Wahrnehmung zu kämpfen. Welche Probleme es geben kann und was die Beziehung leichter macht.
- 1.Was ist Hochsensibilität?
- 2.Wie funktioniert eine Beziehung mit hochsensiblen Menschen?
- 3.Welche Probleme gibt es in einer Partnerschaft mit hochsensiblen Menschen?
- 3.1.So gelingt der Umgang mit einem hochsensiblen Partner / einer hochsensiblen Partnerin
- 3.2.Hochsensible Paare: Wie funktioniert eine Beziehung zwischen zwei hochsensiblen Menschen?
- 4.Hochsensibel und auf Partnersuche
Was ist Hochsensibilität?
Hochsensibilität ist, einfach beschrieben, die verstärkte Wahrnehmung und Verarbeitung von äußeren Reizen, also Sinneseindrücken wie Gerüche, Berührungen usw.. Hochsensible Menschen reagieren beispielsweise oft stärker auf laute Geräusche und werden dadurch eher als schreckhaft wahrgenommen.
Sie finden häufig auch einen tieferen Zugang zur Kunst: Gemälde, Musik oder Bücher wirken auf hochsensible Personen oft anziehender, genauso können sie sich über ein hübsches Schattenspiel oder eine glitzernde Spiegelung im Wasser eher freuen als Menschen ohne Hochsensibilität. Hochsensibel zu sein bedeutet daher einerseits eine höhere Anfälligkeit für negative Einflüsse, andererseits aber eben auch intensivere positive Erlebnisse.
Psychologinnen und Psychologen definieren Hochsensibilität aktuell als sogenanntes "Temperamentsmerkmal", also ein Merkmal, das den Charakter einer Person ausmacht. Es gibt zwar offizielle Tests, um Hochsensibilität festzustellen, eine Diagnose bekommt man deshalb jedoch nicht, denn Hochsensibilität ist keine psychische Krankheit. Es gibt also auch nichts, was geheilt werden könnte oder sollte, lediglich der Grad der Empfindsamkeit kann ein wenig trainiert werden.
Ob sich Hochsensibilität im Laufe des Kindes- und Jugendalters durch unterschiedliche Umwelteinflüsse entwickelt oder tatsächlich angeboren und somit genetisch bedingt ist, ist in der Forschung umstritten und bisher nur unzureichend untersucht worden. Häufig lässt sich Hochsensibilität jedoch schon bei kleineren Kindern finden, was dafür spricht, dass es sich um ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal handelt.
So weit, so gut, ist es nun schlimm, hochsensibel zu sein? Nein. Trotzdem hat es eine hochsensible Person (im Englischen "HSP" für Highly Sensitive Person) in gewissen Bereichen des Lebens oft ein wenig schwerer, denn sie braucht mehr Zeit für sich, um sich von Reizüberflutungen zu erholen und neue Kraft zu tanken. Und das kann besonders in Partnerschaften eine Herausforderung darstellen.
Wie funktioniert eine Beziehung mit hochsensiblen Menschen?
Hochsensible Menschen sind genauso beziehungsfähig wie andere auch. Ihre Hochsensibilität macht es ihnen also nicht unbedingt schwerer, eine ernsthafte Partnerschaft einzugehen, sofern sie den / die Richtige*n finden.
Aber auch hier gilt: Es ist ein zweischneidiges Schwert, denn wo ein hochsensibler Partner oder eine hochsensible Partnerin einerseits besonders mitfühlend und verantwortungsvoll sein kann, bedeutet die Hochsensibilität andererseits auch eine größere Herausforderung. Das ist besonders der Fall, wenn es sich um eine HSP / Nicht-HSP Konstellation handelt.
Der Alltag als hochsensible Person
Für Menschen, die nicht hochsensibel sind, ist es oftmals schwer nachzuvollziehen, wie anstrengend der Alltag als HSP wirklich sein kann. Ich persönlich habe den Test gemacht und kann als hochsensibel eingestuft werden. Natürlich gibt es da gewisse Grade, ich kenne beispielsweise einige Menschen in meinem Umkreis, die sich selbst nochmal deutlich sensibler erleben als ich mich.
Trotzdem habe auch ich mit der Zeit lernen müssen, dass mir viele Dinge zu viel sind, mit denen andere keine oder wenig Probleme haben. Laute Orte wie Clubs, Bars, Shoppingcenter? Gehen gar nicht. Menschenmengen in der U-Bahn, beim Edeka oder im Urlaub am Strand? Nein, danke. Ich setze mir meist im Vorfeld feste Uhrzeiten, an denen ich soziale Events wieder verlasse und kommuniziere das auch offen.
Mit 15 war ich die einzige in meinem Freundeskreis, die keinen (Paar-)Tanzkurs gemacht hat. Das war mir einfach zu viel Nähe. Auch Klassenfahrten und Landschulheime habe ich nie wirklich gemocht. Ich hatte dort einfach keinen Ort, an dem ich mich ungestört zurückziehen konnte und komme noch heute von jeder Reise gestresster zurück als vorher.
Welche Probleme gibt es in einer Partnerschaft mit hochsensiblen Menschen?
Welche Probleme sich aus einer Beziehung mit einer hochsensiblen Person ergeben, hängt vor allem davon ab, ob der oder die Partner*in auch hochsensibel ist oder nicht. Das Hauptproblem in einer HSP / Nicht-HSP Konstellation liegt oft in den unterschiedlichen Belastungsgrenzen. Hochsensible Personen verspüren häufiger den Drang, sich zurückzuziehen, was zu Missverständnissen, Ausflüchten, Schuldgefühlen (bei der HSP) oder Frustration (bei der Nicht-HSP) führen kann.
Zwei hochsensible Personen in einer Partnerschaft könnten es dagegen schwer haben, persönliche Grenzen zu ziehen und diese dem oder der anderen mitzuteilen. Das Harmoniebedürfnis ist bei beiden so hoch, dass sie es vorziehen, über Probleme nicht zu sprechen, gleichzeitig negative Energien jedoch deutlich wahrnehmen und langfristig darunter leiden. In emotionalen Situationen reagieren beide Parteien empfindlich, wodurch scheinbar belanglose Konflikte zu einer schier unlösbaren Streiterei heranwachsen können.
So gelingt der Umgang mit einem hochsensiblen Partner / einer hochsensiblen Partnerin
Eine Studie des Psychologen Guido F. Gebauer belegt: Hochsensible Menschen können durchaus mit Nicht-HSPs eine glückliche Beziehung führen. Allerdings ist es essentiell, dass die Hochsensibilität des Partners oder der Partnerin angenommen und akzeptiert wird. Dafür ist – wie in jeder Beziehung, aber vielleicht noch ein bisschen mehr – eine verständnisvolle Kommunikation beider Seiten vonnöten.
Ein offener, respektvoller Austausch über die Hochsensibilität ist wichtig, um Missverständnisse zu verhindern.
Die hochsensible Person sollte in der Beziehung genug Freiraum haben, um sich zurückzuziehen, ebenso sollte der Partner oder die Partnerin ohne Hochsensibilität nicht auf Dinge verzichten müssen. Kompromisse finden und Sich-gegenseitig-sanft-aus-der-Komfortzone-locken, ist hier das A und O.
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Hochsensibilität ist leider sehr klischeebehaftet. Dabei gibt es so viele hochsensible Menschen, die ihren Alltag (und ihre Beziehung) super wuppen. Umgekehrt können natürlich auch Nicht-HSPs empathischer und empfindlicher sein als andere. Und das ist völlig okay. Für alle Varianten gilt: Etwas mehr Wertschätzung bitte!
Hochsensible Paare: Wie funktioniert eine Beziehung zwischen zwei hochsensiblen Menschen?
Die meisten HSPs tendieren dazu, sich mit einer sehr geringen Zahl inniger Beziehungen (aller Art) zu umgeben, statt einen großen Bekanntschafts- und Freundeskreis aufzubauen. Es kann also auch durchaus vorkommen, dass sich zwei hochsensible Partner*innen finden, die dann (manchmal) mit einer doppelten Flut an Emotionen zu ringen haben.
Mein Tipp: Lernt euch zu streiten!
Es geht nicht darum, euch gegenseitig zu verletzen, sondern darum, Schwierigkeiten zur Sprache zu bringen und konstruktiv zu diskutieren. Konflikte gehören zu einer gesunden Beziehung dazu. Setzt eure individuellen Grenzen und kommuniziert sie auch.
Dazu gehört, zu respektieren, dass ein*e Partner*in möglicherweise "noch" sensibler ist als der oder die andere. Das macht ihn oder sie aber nicht verantwortlich für eure Herausforderungen in der Partnerschaft und den bzw. die weniger sensible nicht zu der Person, die allein alles wieder gerade rücken muss.
Deine Hochsensibilität definiert dich nicht
Mein Freund kann tatsächlich ebenso als hochsensibel eingestuft werden, was uns beiden schon klar war, bevor er den Test gemacht und noch höher gescored hat als ich. Das wird besonders dann ein Problem für uns, wenn ich in einer überwältigenden Situation stecke, er sich, bei dem Versuch mir zu helfen, von meinem Stress anstecken lässt und wir uns dann beide gegenseitig hochschaukeln.
Mir persönlich hilft es dann, mich von den Emotionen meines Partners zu distanzieren. Letztendlich bist du nur für dich verantwortlich. Und gerade als hochsensible Person weißt du wahrscheinlich ziemlich genau, was dir guttut – und wann es zu viel wird.
Vergiss dabei auch nicht: Deine Hochsensibilität definiert dich nicht. Und die deines Partners oder deiner Partnerin erst recht nicht.
Und noch was: Lasst es euch nicht zu gemütlich werden in eurem Safe Space. Unternehmt etwas, vernetzt euch mit anderen, darunter am besten nicht nur HSPs. Das ist definitiv etwas, dass auch ich mir immer wieder vorhalten muss. Eine Partnerschaft mit einer zweiten hochsensiblen Person ist noch lange keine Ausrede, sich der chaotischen, fantastischen Welt zu entziehen.
Hochsensibel und auf Partnersuche
Du bist hochsensibel und auf Partnersuche? Dann hast du vielleicht schon gemerkt, dass das irgendwie ganz schön anstrenged ist. Die Statistik besagt, dass hochsensible Menschen sich eher weniger auf kurzfristige Beziehungen oder "lockere sexuelle Kontakte" einlassen. Sie haben meist hohe Ansprüche und sind tendenziell zurückhaltender als Nicht-HSPs, was es natürlich schwieriger macht, sich auf neue Bekanntschaften einzulassen.
Versuche nicht, dich zu verstellen.
Wenn Bars und Night Clubs nicht dein Ding sind, dann probiere auch erst gar nicht, dort dein passendes Gegenstück zu finden. Suche stattdessen die Orte auf, an denen du dich am liebsten aufhältst (Cafés, Buchhandlungen, Museen, ... ) oder melde dich neu in einem Verein / einer Gruppe an, um einem gemeinsamen Hobby nachzugehen, etwa Töpfern, Yoga oder Musizieren.
Ein bisschen Mut gehört leider schon dazu, wenn es darum geht, jemanden zum ersten Mal anzusprechen. Sei von Anfang an ehrlich – zu dir selbst und deinem Gegenüber – um nicht enttäuscht zu werden und frühzeitig festzustellen, ob deine Hochsensibilität akzeptiert wird oder eben nicht.
Hier habe ich zwei weiterführende Buchempfehlungen meinerseits gelistet:
Wenn du lieber das englische Original lesen möchtest, wirst du hier fündig:
Quellen: AOK Gesundheitsmagazin: Gibt es Hochsensibilität wirklich?; Presseportal: Hochsensible brauchen wertschätzende Partner; Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e.V.: Hochsensibilität in der Partnerschaft; Elaine N. Aron: The Highly Sensitive Person in Love. Understanding and Managing Relationships when the world overwhelms you.