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Petition für pflegende Familien

Kein Pflegegeld für pflegende Eltern: Warum sich das ändern muss!

Kein Pflegegeld für pflegende Eltern
© Getty Images/Sasiistock

Warum bekommen pflegende Eltern ab Tag 29 im Krankenhaus eigentlich kein Pflegegeld? Wie eine aktuelle familienpolitische Petition dies ändern möchte.

Es gibt viele wichtige Familienthemen, die uns erst wichtig werden, wenn sie uns selbst betreffen. Doch dann kann es schon zu spät sein, sich dafür einzusetzen, z. B. wie Familien finanzielle abgesichert sind, wenn ihr Kind schwer krank wird und gepflegt werden muss: Das schauen wir uns die aktuelle Lage bei Durchblick in 5 Minuten: Politik für Mombies & Walking Dads mal genauer an und machen auf eine wichtige Petition aufmerksam, die die Rechte von pflegenden Eltern stärken will.

Sorgearbeit sieht für einige Eltern nochmal ganz anders aus als für den Großteil der Familien. „Ständiges sich sorgen im Sinne von versorgen, besorgen, sich Sorgen machen und kümmern ist mental anstrengend“, so beschreibt es Simone Brugger, pflegende Mutter aus München. Vor kurzem haben wir Deutschlands zweite Familienkette in München veranstaltet und eine der politischen Forderungen dort wurde von Simone vorgetragen. Sie kam für ihre beeindruckende Rede direkt von der Palliativstation auf den Marienplatz und fuhr nach der Familienkette wieder zurück ins Krankenhaus. Denn dort pflegt sie ihren Sohn. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das Pflegegeld wurde ihr trotzdem gestrichen.

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Hier seht ihr Simones Rede auf dem Marienplatz:

Warum erhalten pflegende Eltern bei stationären Aufenthalten ab Tag 29 kein Pflegegeld mehr?

Bei einem Aufenthalt in einer stationären Rehabilitationseinrichtung, einem Hospiz oder in einem Krankenhaus wird das Pflegegeld ab dem 29. Tag ausgesetzt. Die Logik dahinter ist, dass in diesem Fall das Personal der Einrichtung die Pflege der Patientinnen und Patienten übernimmt. Nur ist das in der Realität bei Kindern eben nicht der Fall. Ein Kind braucht auch im Krankenhaus die Fürsorge, den Beistand und die Liebe der Eltern, wenn es irgendwie machbar ist. Alle Eltern, die ihr Kind bereits einmal in ein Krankenhaus begleiten mussten, werden das Gefühl kennen. Da sein zu wollen, Halt zu geben. Bei pflegebedürftigen Kindern muss aber auch die Grundpflege wie Füttern, Waschen, Windelwechseln, Umkleiden, Sondieren und das Verabreichen von Medikamenten von den Eltern erledigt werden. Aufgrund des Pflegenotstands kann nämlich nur ein Teil der pflegerischen Versorgung durch das Pflegepersonal sichergestellt werden.

Von der PR-Managerin zur pflegenden Mama in Vollzeit

Deswegen pflegt Simone Brugger seit Jahren ihren Sohn, zu Hause und während der Klinik- und Reha-Aufenthalte. Aufgrund dessen hat sie sogar ihren Job als Social Media- und PR-Managerin verloren. Die finanzielle Belastung der Familie wird bei jedem längeren stationären Aufenthalt noch weiter verschlechtert, weil ab Tag 29 auch das Pflegegeld wegfällt, obwohl sie ihren Sohn auch bei jedem stationären Aufenthalt Vollzeit pflegt. Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und sich für eine politische Veränderung einzusetzen, hat Simone mit ihren Mitstreiterinnen eine Petition gestartet und während der Münchner Familienkette an die Vorsitzende des Familienausschusses des Deutschen Bundestags, Ulrike Bahr, übergeben. Ziel sind 50.000 Unterschriften und eine Änderung des Pflegegeldgesetzes.

Warum die Petition alle Familien betrifft

294.000 pflegende Eltern gibt es laut Petition in Deutschland. Wie so oft ist es auch bei diesem Thema schwierig, Aufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken, das eine Minderheit betrifft. Abgesehen davon, dass wir generell als Menschen miteinander solidarisch sein sollten und es wichtig ist, auch Anliegen zu unterstützen, die uns selbst nicht direkt betreffen. Das Thema pflegende Eltern mag für viele im überladenen und sowieso schon fordernden Familienalltag sehr weit weg sein. Es kann im Zweifel aber sehr schnell sehr präsent werden. Das habe ich selbst erleben müssen. Nach der Frühgeburt unseres Sohnes dachten wir nach den ersten Wochen, wir wären über den Berg. Ohne Hirnblutungen und mit der Prognose des Chefarztes, dass für unseren Sohn keine Spätfolgen zu erwarten seien. Am selben Nachmittag hatte er eine Kontroll-Ultraschalluntersuchung des Kopfes und es wurde eine Sinusvenenthrombose entdeckt. Auf einmal war alles offen, für Frühchen gab es nicht mal eine erprobte Therapie und der Arzt teilte uns mit, dass wir uns buchstäblich auf alle Szenarien einstellen müssten.

Wir hatten unfassbares Glück und es wurde nach sieben Wochen Klinik und monatelangen täglichen Spritzen das Best-Case-Szenario, mit einem mittlerweile vierjährigen kerngesunden Jungen. Nur deswegen, weil wir Glück hatten, besteht unser Alltag heute nicht aus Palliativstation und regelmäßigen MRT-Kontrollen wie bei Simone und ihrem Sohn. Das ist nicht unser Verdienst, es ist im Endeffekt Zufall.

Deswegen ist bei diesen Themen vor allem eines wichtig: Achtsamkeit und das Bewusstsein, dass ein „normaler“ Alltag, so stressig und auslaugend er oft sein mag, trotzdem ein Geschenk ist.
Natascha Sargorski
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Ein Geschenk, das nicht automatisch für immer bleiben muss. Ein Geschenk, das sich völlig unverhofft und schnell verabschieden kann. Und falls dies der Fall sein sollte, hoffen wir alle auf eine Gesetzeslage, die uns in dieser schwierigen Situation stützt und es uns ermöglicht, zu funktionieren, anstatt uns Steine in den Weg zu legen. Denn wir haben das große Glück, in einem Staat zu leben, der sich das theoretisch leisten kann. Er muss es sich aber auch leisten wollen. Und das liegt in unseren Händen.

Als Bürgerinnen und Bürger eines demokratischen Staates können wir uns für Themen einsetzen, die uns wichtig sind.
Natascha Sargorski

Zum Beispiel dafür, dass pflegende Eltern auch dann Unterstützung durch Pflegegeld erhalten, wenn ihre sowieso schon herausfordernde Lebenssituation noch herausfordernder wird. Denn jeder lange Klinikaufenthalt des eigenen Kindes ist eine besondere Herausforderung. Finanzielle Not verstärkt diese Herausforderung nochmal.

Deswegen ist Simones Petition eine so wichtige Petition für alle Familien. Und ein Anlass zusammenzuhalten. Denn das sollten wir immer, ob in Ausnahmesituationen oder im Alltag.
Natascha Sargorski

Quellen: Gesetze im Internet, Pflege.de, Petition #MehrAls28Tage

Durchblick in 5 Minuten: Politik für Mombies & Walking Dads

Charoline Bauer

Wir halten euch familienpolitisch auf dem Laufenden

Ihr habt keine Zeit für Politik, denn euer Alltag ist dank Care-Arbeit, Job, Haushalt und allem anderen voll genug? Aber gerade als Eltern merkt ihr im Alltag immer wieder, wie sehr Familien von der Politik nicht mitgedacht werden? Unsere familienpolitische Expertin Natascha Sagorski fasst euch aktuelle wichtige familienpolitische Debatten einfach und gut verständlich zusammen, sodass ihr auch mit wenig Zeit und Ressourcen wisst, was euch als Familien politisch aktuell betrifft und worauf es ankommt. Lest auch unsere anderen Folgen:

Charoline Bauer

Quiz: Ist unsere Familie ein gutes Team?

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