Es wurde lange darüber debattiert, nun hat die Familienministerin gemeinsam mit Bundesfinanzminister und Bundesarbeitsminister das Konzept der Kindergrundsicherung vorgestellt. Es sei "die umfassendste sozialpolitische Reform seit vielen Jahren" und soll die strukturelle Kinderarmut bekämpfen und mehr soziale Gerechtigkeit ermöglichen. Wie das Konzept aussehen soll, fassen wir für euch zusammen.
Kindergrundsicherung: Was die Bundesregierung plant
Wenn Eltern für ihre Kinder finanzielle Hilfen erhalten müssen, gibt es aktuell einige Hürden. Entweder wird es mit anderen Leistungen verrechnet oder aus bestimmten Gründen ist man nicht anspruchsberechtigt. Einfach ist das bisherige Leistungssystem jedenfalls nicht durchschaubar und wird von vielen sozialen Verbänden seit Jahren kritisiert. Mit der geplanten Kindergrundsicherung soll sich der Flickenteppich einzelner Leistungen behördlich verändern, aber auch verbessern? Das ist der aktuelle Stand vom 29. August des Vorhabens von Familienministerin Lisa Paus:
Was ist die Kindergrundsicherung?
Statt den bisherigen Leistungen Kindergeld und Kinderzuschlag soll die Kindergrundsicherung nur noch aus zwei Komponenten bestehen: Es soll einen für alle Kinder gleich hohen Garantiebeitrag geben, der das Kindergeld ablöst. Dieser soll nicht mehr auf Bürgergeld oder andere Leistungen angerechnet werden.
Zusätzlich wird ein einkommensabhängiger Kinderzusatzbeitrag gewährt. Mit diesem Zusatzbetrag sollen Familien mit geringerem Einkommen stärker unterstützt werden. Eltern mit einem höheren Einkommen würden dann leer ausgehen: Je höher das Einkommen, desto niedriger der Zusatzbetrag.
Um den Zugang für alle Familien zu erleichtern, soll das Antragsverfahren verbessert werden: Man soll es dann einfach und digital beantragen können. Welche Familien dann den Zusatzbetrag erhalten, soll von einem sogenannten Familienservice geprüft werden, der die Eltern proaktiv benachrichtigt, ohne dass diese etwas tun müssen.
Verbesserung für Alleinerziehende
Damit Alleinerziehende von diesen Leistungen besser profitieren, sollen Unterhaltszahlungen nicht mehr zu 100 % in die Berechnung des Gesamteinkommens einfließen, sondern nur zu 45 %. So haben auch ihre Kinder mehr vom Zusatzbetrag. "Bei Schulkindern und Teenagern ist ein Mindestverdienst der Alleinerziehenden von 600 Euro Voraussetzung für die verbesserte Anrechnung von Unterhalt/Unterhaltsvorschuss.", so die Bundesregierung.
Wann kommt die Kindergrundsicherung?
Geplant ist die Einführung der neuen Leistung frühestens ab Januar 2025. Im August 2023 wurde das Konzept vorgestellt. Nun muss der Gesetzesentwurf im Bundeskabinett beschlossen werden, bevor das parlamentarische Verfahren beginnt.
Wie hoch wird die finanzielle Hilfe sein?
Der Garantiebetrag der Grundsicherung soll sich wohl in Höhe des bisherigen Kindergeldes bewegen und mit einer Neuberechnung des Existenzminimus steigen. Der Zusatzbetrag ist dann einkommensabhängig. Details dazu müssen erst noch beschlossen und bekannt gegeben werden. Man weiß aktuell, dass die Bundesregierung 2,4 Milliarden Euro für den Verwaltungsaufwand und Leistungszusammenführung vorgesehen hat. Der Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt jedoch aktuell keine generelle Leistungserhöhung in Aussicht.
"Wir planen einen Garantiebetrag, der sich an der Höhe des aktuellen Kindergeldes orientiert, also mindestens 250 Euro. Außerdem soll es einen einkommensabhängigen Zusatzbetrag geben. Die Interministerielle Arbeitsgruppe, an der sieben Ressorts beteiligt sind, startet jetzt mit den genauen Berechnungen. Deswegen können wir heute seriös über Zahlen noch gar nichts sagen..
Lisa Paus, Tagesschau, 30.1.2023
Wer wird die Leistung bekommen?
Das Geld soll ähnlich wie das Kindergeld für alle Kinder mit Wohnsitz in Deutschland von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr ausgezahlt werden. Kinder in Ausbildung sollen es bis zum 25. Geburtstag und Studierende bis zum 27. Lebensjahr erhalten.
Wie beantrage ich die Kindergrundsicherung?
Geplant ist ein einheitliches digitales Kindergrundsicherungsportal, bei dem man die Leistung beantragt. Wie das ganze im Detail aussieht und ob die Anträge vereinfacht sind, steht noch nicht fest.
Sobald sich neuere Informationen ergeben, werden wir euch auf dem Laufenden halten.
Kritik an der geplanten Kindergrundsicherung
Die Diakonie in Deutschland kritisiert die Pläne für die Kindergrundsicherung scharf: Sie legte im August ein Gutachten vor, nach dem ca. 20 Milliarden € Investition nötig seien, um Kinderarmut in Deutschland wirkungsvoll zu bekämpfen. Die aktuellen 2,4 Milliarden sind dagegen weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein.
"Frühzeitige Investitionen sichern soziale und ökonomische Chancen und ersparen dem Sozialstaat weitaus höhere Folgekosten. (...) Wir brauchen eine Politik des Sowohl-als-Auch: Mehr direkte Unterstützung für die Bedürftigen und bessere Bildungs-Strukturen für alle. (...)Täglich erleben unsere Mitarbeitenden in den Sozial-, Migrations- oder Familienberatungsstellen, Kitas und anderen Einrichtungen die Folgen von Kinder- und Familienarmut. Sie erleben auch die Überforderung, die mit der Beantragung von Leistungen einhergeht, auf die ein Rechtsanspruch besteht."
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie
Die Problematik, weshalb bedürftige Eltern aktuell nicht an die zustehende Hilfe kommen, liegt auf der Hand: Sie sind mit den Anträgen überfordert und die Behörden arbeiten oft nicht zusammen. Laut Mitarbeitenden der Diakonie löst das Vereinfachen des Antrages das Problem nicht: Diese Familien haben teilweise keinen PC daheim, wo sie solche Unterlagen ordentlich beantragen können und verstehen das Antragsformular nicht. Auf dem Handy können solche Anträge oft nicht ausreichend gut gelesen und ausgefüllt werden.
"Die Kindergrundsicherung ist eine der wichtigsten Zukunftsinvestitionen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Strukturkrise, die Bundesregierung muss nun alle Anstrengungen auf die überfällige Transformation lenken. Wirtschaft und Gesellschaft würden stark durch die besseren Bildungschancen einer Kindergrundsicherung profitieren, auch da dies die Grundlage für mehr Fachkräfte ist."
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie
Diese finanziellen Hilfen können Eltern aktuell beantragen
Aktuell erhält niemand unkompliziert finanzielle Hilfen und die Behörden sind voneinander abgegrenzt. Teilweise werden manche Leistungen miteinander verrechnet bzw. man kann nicht alle parallel erhalten. Das lässt viele Eltern hilflos zurück.
Hier nochmal ein Überblick, welche Finanzhilfen Familien aktuell beantragen können (ob sie anspruchsberechtigt sind, steht auf einem anderen Blatt). Verlinkt sind jeweils Beiträge, wo ihr mehr Details zu den Leistungen findet:
- Kindergeld: Eltern erhalten für jedes in Deutschland geborene und lebende Kind aktuell 250 € Kindergeld.
- Bürgergeld für Kinder: Die bisherigen Hartz-IV-Leistungen für Kinder sind auch im Bürgergeld enthalten. Leider wird das Bürgergeld komplett mit dem Kindergeld verrechnet. Der Bürgergeld-Regelsatz für Kinder wurde ab 1. Januar jedoch erhöht.
- Kinderzuschlag: Für Eltern mit weniger Einkommen gibt es noch die Möglichkeit, Kinderzuschlag zu beantragen. "Weniger" ist natürlich auch konkret definiert. Ihr könnt bei der Arbeitsagentur prüfen, ob euch je nach eurem Haushaltseinkommen Kinderzuschlag zusteht. Wenn ihr Bürgergeld oder Sozialhilfe erhaltet, bekommt ihr keinen Kinderzuschlag.
- Teile des Bildungs- und Teilhabepakets: Wer Bürgergeld oder Kinderzuschlag erhält, kann unter bestimmten Bedingungen auch Geld- und Sachleistungen aus dem Bildungspaket erhalten. Das können Kosten für Nachhilfe, Zuschüsse für Sportvereine, Musikinstrumente o.ä. sein. Diese könnt ihr bei verschiedensten Leistungsstellen beantragen, je nachdem, wo ihr wohnt und welche Leistungen ihr noch erhaltet.
Eltern, die ein Baby erwarten, können noch weitere Leistungen beantragen: Hier gibt es Mutterschaftsgeld und Elterngeld. Schwangere mit sogenanntem "kleinen Einkommen" können außerdem finanzielle Hilfe der Bundesstiftung Mutter und Kind beantragen.
Urlaub machen und verreisen gehört für viele Familien mittlerweile zum Luxus, weil die Kosten für Fernreisen, Flüge, Übernachtungen und Co. so teuer geworden sind. Wir haben hier ein paar Tipps, wie ihr mit euren Kindern relativ günstig verreisen könnt: