Was ist nur los mit meinen Altersgenossen? Das war die erste Frage, die in meinem Kopf aufploppte, als ich von der neuen Statistik des Statistischen Bundesamtes hörte. Mein Appell: Fallt alle mal auf die Schnauze!
Ich bin 25 Jahre alt – und ich mag das Alter! Ich habe mein Studium abgeschlossen, viele gute und auch dumme Sachen ausprobiert, daraus Erfahrungen gesammelt und starte seit einiger Zeit im Berufsleben durch. Zwar stöhne ich manchmal natürlich auch ein bisschen über all die Dinge wie Steuererklärung und Co., um die man sich als mehr oder weniger erwachsener Mensch so kümmern muss, aber eigentlich mag ich es sehr, mein Leben selbst in der Hand zu haben. Und daran habe ich mich gewöhnt, schließlich lebe ich schon seit gut sieben Jahren weit weg von meinem Elternhaus. Und ich glaube, nur deswegen konnte ich so selbstständig werden, wie ich es heute bin.
Ich habe Ärger bekommen, weil ich nicht wusste, dass ich meinen Strom ab- und anmelden muss, wenn ich umziehe. Ich habe Termine verpasst und musste daraus die Konsequenzen ziehen. Ich habe mich in meinen Finanzen verkalkuliert und eine Woche von Nudeln und Pesto gelebt. Ich habe fast meinen Ofen abgefackelt, mich mit ätzenden WG-Mitbewohnern rumgeschlagen und ich habe verschlafen. Verdammt, habe ich oft verschlafen! Aber: Ich habe aus all dem gelernt und mache (fast) all diese Fehler heute nicht mehr.
Alles bequemer im Hotel Mama?
Mehr als ein Viertel meiner Altersgenossen wird mich wohl für bescheuert halten. Wieso macht die sich das Leben nur so unbequem? Denn mehr als jeder vierte junge Erwachsene wohnt in Deutschland mit 25 noch bei den Eltern, teilte jetzt das Statistische Bundesamt (Destatis) mit.
Dabei lassen sich vor allem die Söhne länger Zeit als die Töchter: 34 % der 25-jährigen Männer lebten 2019 noch im Elternhaus, bei den Töchtern waren es 21 %. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern bleibt auch in höherem Alter bestehen: Mit 30 Jahren wohnten immerhin noch 13 % der Männer als lediges Kind mit im Elternhaushalt, jedoch nur 5 % der Frauen. Im Alter zwischen 30 und 40 Jahren reduzieren sich diese Anteile noch einmal deutlich: Mit 40 Jahren wohnten nur noch 4 % der Männer und knapp 1 % der Frauen bei den Eltern. Im Durchschnitt checkten Söhne 2019 mit 24,4 Jahren aus dem Hotel Mama aus, Töchter mit 22,9 Jahren.
In Schweden sagt man vor dem 18. Geburtstag bye-bye
Schauen wir mal über die Grenzen Deutschlands hinaus: Mit 17,8 Jahren sagten junge Menschen am frühsten Hejdå zu ihrem Elternhaus. Auch in Dänemark (21,1) und Finnland (21,8) verließen Kinder ihre Eltern recht früh. Im Gegensatz dazu ist das Auszugsalter in den süd- und osteuropäischen Ländern ganz schön hoch. Der höchste durchschnittliche Wert wurde mit 31,8 Jahren in Kroatien gemessen, dicht gefolgt von der Slowakei (30,9), Italien (30,1) und Bulgarien (30,0).
Kinder vs. Eltern: Wer klammert mehr?
Fraglich ist dabei, woran das späte Verlassen des Elternhauses liegt. Klar werden die Rekord-Mietpreise hier ein wichtiger Faktor sein. Nicht jede Familie kann es sich leisten, das Kind nach der Schule in die Großstadt zu schicken. Aber nicht nur auf der finanziellen Ebene werden Eltern hier eine wichtige Rolle spielen: Das Kind loszulassen, es erwachsen werden und auf eigenen Beinen stehen zu sehen, ist für viele Mamas und Papas eine große Herausforderung.
In manchen Fällen wird der Trennungsschmerz jedoch extrem und erscheint unüberwindbar. Das ist so schlimm, dass es dafür sogar einen eigenen Namen gibt: Das Empty-Nest-Syndrom. Schließlich hat man sich jahrelang fast ausschließlich in seiner Elternrolle definiert. Dazu kommen Ängste, was dem Nachwuchs da draußen in der großen, weiten Welt passieren kann.
Aber ich will hier nicht nur die Eltern für das hohe Auszugsalter verantwortlich machen. Denn viele junge Menschen – und davon kenne ich selbst ein paar – genießen es, sich von Mama und Papa das Leben so sorgenfrei wie möglich zu machen. Selbst wenn sie vielleicht nicht mehr ganz zuhause wohnen, wird spätestens am Wochenende der Wäschekorb gepackt und den Eltern ein Besuch abgestattet. Die Wäsche wird da aber auch immer so herrlich weich! Oder aber man holt sich tagein tagaus das gute Essen von Mutti ab. Schmeckt doch auch einfach am besten! Mama schließt auch den neuen Handyvertrag ab und Papa vereinbart den Artzttermin (telefonieren ist eben immer so unangenehm). Außerdem muss man, wenn man zuhause wohnt, nicht neben dem Studium arbeiten. Sorry, aber so an der Kasse sitzen oder kellnern ist einfach nichts für mich!
Fallt auf die Schnauze!
Ich versuche mich ja stets an den Leitgedanken "Leben und leben lassen" zu halten. Soll doch jeder sein Leben so leben, wie er es für richtig hält. Ist mir auch egal, ob ihr mit 20 oder 37 zuhause auszieht. Aber ich kann aus meinen eigenen Erfahrungen nur empfehlen, früh loszulassen und das ein oder andere Mal gehörig auf die Schnauze zu fallen. Dann habt ihr in ein paar Jahren nicht nur viele lustige Geschichten zu erzählen, sondern auch eine ganze Menge fürs Leben gelernt. Mich gruselt der Gedanke einer Generation junger Erwachsener ein wenig, die noch nie eine gewischt bekommen haben, weil sie die falsche Sicherung beim Lampe aufhängen rausgemacht haben. Es ist das internationale Zeichen für: Willkommen in der wunderbaren Welt des Erwachsenwerdens.
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