Kinder, die intersexuell zur Welt kommen, müssen auch heute noch geschlechtsangleichende Operationen über sich ergehen lassen. Ein Gesetzesentwurf soll das weitestgehend verhindern.
Es gibt Kinder, die nicht mit eindeutig zuzuordnenden Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kommen. Bis in die 80er Jahre hinein war es gängige Praxis, dass diese Kinder bereits kurz nach der Geburt operiert wurden, so dass ihre Genitalien optisch einem Geschlecht näher kamen. Für die Kinder, die dies erleiden mussten, hatte die als "optimal gender strategy" bekannte Methode traumatische Folgen.
Traumatische Folgen bei Operation
Denn die Operation ist nicht mehr rückgängig zu machen, was besonders für die Kinder traumatisierend ist, bei denen sich herausstellte, dass das zugeordnete körperliche Geschlecht nicht mit der Geschlechteridentität übereinstimmt. Die intersexuellen Kinder wurden nie befragt, welchem Geschlecht sie sich selbst zuordnen, Ärzte und Ärztinnen entschieden darüber oft bereits kurz nach der Geburt.
Viele sind betroffen
Es ist statistisch nicht erfasst, wie viele Kinder intersexuell auf die Welt kommen. Schätzungen zufolge könnten 150 bis 350 pro Jahr betroffen sein. Weltweit, so schätzen die Vereinten Nationen, können bis zu 1,7 % der Weltbevölkerung intersexuell geboren werden. Zum Vergleich: Es gibt ebenso viele rothaarige Menschen auf der Welt. Wir sprechen also nicht von einer kleinen Gruppe.
Medizinisch oft unnötig
Bei intersexuellen Kindern entsprechen Gene, Hormonhaushalt, Chromosomen oder auch Geschlechtsorgane nicht dem weiblichen oder männlichen Geschlecht. Es kann sein, dass die Hoden innen liegen oder die Klitoris stark vergrößert ist. In der Vergangenheit wurden bei intersexuellen Kindern dann die Klitoris verkleinert oder die Hoden entfernt. Dabei handelte es sich viel zu oft aber um kosmetische Operationen, deren Ziel es war, die Kinder optisch an ein Geschlecht anzugleichen. Medizinisch nötig waren sie nicht immer.
Ein Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums soll das in Zukunft in Deutschland verhindern. Das Ziel soll es sein "Behandlungen zu verbieten, die das Recht des Kindes auf geschlechtliche Selbstbestimmung beeinträchtigen." So steht es im Entwurf, dem das Bundeskabinett bereits Ende September zugestimmt hat. Nun soll dieser Entwurf im Bundestag diskutiert werden.
Widerstand gegen Gesetzesentwurf
Es regt sich aber schon jetzt Widerstand bei Ärztinnen und Ärzten und Politiker*innen. Einigen geht der Gesetzesentwurf nicht weit genug, andere fühlen sich zu sehr eingeschränkt. Es sei seit Jahren klar, dass Operationen zur Geschlechterfestlegung nicht mehr voreilig getroffen werden dürfen. Deswegen sei das Gesetz überflüssig, argumentieren die einen.
Kinder sollen entscheiden
Die anderen sagen, es gäbe weiterhin zu viele Schlupflöcher, die es auch Eltern ermöglichen, diesen Operationen zuzustimmen. Besser sei es, wenn generell mit diesen gravierenden Entscheidungen abgewartet werden würde, bis die Kinder mindestens 14 Jahre alt seien. Der Bundestag möchte noch in diesem Jahr in einer ersten Lesung dazu diskutieren.
Meine Meinung
Ich will nicht glauben, dass Eltern oder medizinisches Fachpesonal leichtfertig so tief in die Persönlichkeit eingreifende Entscheidungen treffen. Unsere Gesellschaft hat dazu gelernt und ich hoffe, dass Eltern all die Unterstützung bekommen, die sie brauchen, um ihr intersexuelles Kind so aufwachsen zu lassen, wie es richtig ist. Nämlich ohne geschlechtsangleichende Maßnahmen.
Quelle: Berliner Zeitung
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