Mein Freund leidet unter einer diagnostizierten Borderline-Persönlichkeitsstörung. Und unsere Beziehung ist nach rund 1,5 Jahren so stabil wie nie. Ich habe mit ihm die herausforderndsten Erfahrungen meines Lebens gemacht – aber auch die schönsten. Hier sind meine 17 Tipps, wie du eine gesunde und vor allem glückliche Beziehung mit einer "Borderline-Persönlichkeit" haben kannst.
Was ist Borderline überhaupt?
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (kurz BPS) ist eine der am meisten gefürchteten psychischen Erkrankungen weltweit – und wird erst seit rund zwei Jahrzehnten genauer erforscht. Sie ist schwer zu diagnostizieren und, für Laien, eine Art emotionaler Cocktail aus so ziemlich allen bekannten Mental-Health-Beeinträchtigungen überhaupt, inklusive:
- Depressionen
- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssstörung (ADHS)
- posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
- Narzissmus
- Schizophrenie
... und allen dazugehörigen Symptomen. Diese können, je nach Schweregrad, von gelegentlichen Wutausbrüchen bis hin zu Substanzmissbrauch, Selbstverletzung und Suizid reichen. Auch das Umfeld bleibt dabei natürlich nicht geschont. Trotzdem ist eine Beziehung mit BPS (gut) möglich, wenn man sich ein paar Dinge bewusst macht.
Schätzungen zufolge sind 1,6 Prozent der Weltbevölkerung von BPS betroffen. Die Mehrheit davon sind Frauen. Ich bin in einem schnuckeligen Dorf mit 20.000 Einwohner*innen aufgewachsen. Mathematisch haben dort also ca. 320 Menschen einen der 4 BPS-Subtypen. In Deutschland leben etwa 84,7 Millionen Personen (Stand 2023). Das sind dann rund 1,4 Millionen Menschen mit Borderline.
Wenn du bis jetzt gedacht hast, dass dein Partner/ deine Partnerin ein sehr seltener Sonderfall ist, beweist dir das hoffentlich das Gegenteil.
#1 Sei dir der Konsequenzen bewusst
Ich sag's ganz ehrlich: Ich war kein bisschen auf das vorbereitet, was mich erwartete. Obwohl ich in den ersten Monaten so ziemlich jeden Ratgeber und Artikel verschlungen habe, der mir in die Hände fiel.
Schon bei unserem ersten Date hat mein Freund Tacheles geredet: "Ich hab BPS", hat er gesagt, da kannten wir uns noch keine 30 Minuten. Und ich habe natürlich gedacht, das ist so ein Mental-Health-Ding, kein Problem, wir haben doch alle unser Päckchen zu tragen. In der Bahn nach Hause habe ich dann gegoogelt – aber keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, ob das nicht doch eine Nummer zu groß für mich ist.
To be honest: Am Anfang habe ich mich maßlos überschätzt
Wie sehr mich das Ganze belasten würde, wurde mir erst klar, als ich schon mittendrin war. Mein erster Tipp daher: Bitte, bitte, denke gründlich nach, bevor du dich Hals über Kopf auf etwas einlässt, das du nicht kontrollieren kannst. Ob Liebesbeziehung oder Freundschaft, die Konsequenzen sind real, sei dir dessen bewusst.
#2 Hab' Geduld ... ganz viel Geduld
Wenn du jetzt immer noch hier bist, heißt das entweder, du weißt, was auf dich zukommt (jedenfalls glaubst du, es zu wissen) oder der Zug fürs "Konsequenzen bewusst machen" ist schon vor langer Zeit abgefahren. Dann geht's dir wie mir vor 1,5 Jahren.
Dein bester Freund in einer Beziehung mit BPS ist die Geduld. Ganz viel Geduld. Geduld mit deinem Partner bzw. deiner Partnerin – und Geduld mit dir selbst. Auch nach Monaten und Jahren des Zusammenseins wird es immer wieder Rückschritte geben. Auch, wenn du doch eigentlich weißt, wie's geht, wirst du manchmal trotzdem das Falsche sagen, genervt reagieren und versehentlich Konflikte auslösen, über die ihr schon drölfzig Mal gestritten habt. Also sei lieb zu dir und deiner besseren Hälfte.
Von wegen Persönlichkeitsstörung
Der Begriff "Persönlichkeitsstörung" oder auch "Borderline-Persönlichkeit" ist nicht nur abschreckend, sondern auch total fehlleitend.
BPS ist KEINE permanente Störung der Persönlichkeit. Stattdessen treten die Symptome abrupt in bestimmten Situationen oder einfach an schlechten Tagen auf. In anderen Momenten wiederum kann sich eine Person mit BPS vollkommen ruhig, emphatisch und wie ein völlig anderer Mensch verhalten. Man kann sich das eher wie eine sehr krasse Version der zyklusbedingten Stimmungsschwankungen bei menstruierenden Frauen vorstellen. Besonders stark werden diese Differenzen, wenn Alkohol oder andere Drogen im Spiel sind.
Ehrlich gesagt ticke ich ziemlich aus, wenn ich höre wie mein Freund (oder andere Betroffene) auf ihre psychischen Symptome reduziert werden. Wir sprechen immerhin von liebevollen und liebenswürdigen (!) Menschen, die – ganz genau wie du und ich – zärtlich, hilfsbereit, fröhlich, und manchmal eben auch sehr impulsiv sein können.
#3 Hör einfach mal stumm zu
Je stärker dein Partner oder deine Partnerin von Borderline betroffen ist (also je mehr Symptome er oder sie aufweist), desto wichtiger ist es, dass du die nötigen Werkzeuge parat hast, um emotionale Situationen unter Kontrolle zu bringen. Und das möglichst, bevor sie erst so richtig eskalieren. So äußert sich beispielsweise eine "mildere Version" in unangebrachter Wut, Kommunikationsproblemen oder starker Eifersucht. Unter gewissen Umständen kann BPS aber auch lebensgefährlich sein – in erster Linie für den bzw. die Betroffene*n. In diesen Fällen richtet der- oder diejenige die gewaltigen Aggressionen gegen sich selbst, körperlich und mental.
Auch mein Freund hat sich jahrelang selbstverletzt und in einigen Situationen war ich direkt oder indirekt involviert. Was ich aus vielen sehr hässlichen Situationen gelernt habe: Zuhören ist besser als reden. Wenn dein Gegenüber von negativen Gedanken überwältigt wird (besonders tragisch wird es, wenn Alkohol oder bestimmte Substanzen im Spiel sind), bringen Worte meist überhaupt nichts mehr. Dein Partner oder deine Partnerin wird dir im schlimmsten Fall jeden gut gemeinten Satz im Mund umdrehen und dadurch noch emotionaler reagieren.
Versuche stattdessen, die Person behutsam zum Reden zu bringen (allerdings ohne ihr das Gefühl zu geben, auf der Therapiebank zu sitzen!). Meinem Freund hat es oft geholfen, mir zu erklären, was genau ihn stört und warum. Jedenfalls nachdem er sich erst einmal zum Reden überwunden hatte. Er hat sich damit unterbewusst selbst beruhigt. Wenn dein Gegenüber sich dir erstmal öffnet, versuche, ihm oder ihr nicht ins Wort zu fallen oder anderweitig zu reagieren. Hast du nichts einzuwenden (und dabei ist es auch ganz egal, WAS dir gerade erzählt wird), wird die Person bestärkt weitersprechen. Gib ihr das Gefühl, dass du zuhörst, ohne zu urteilen, und lass sie dir einfach mal ihr Herz ausschütten.
"Empathic Listening", also empathisches Zuhören, ist unter anderem eine diskutierte Methode in dem weltbekannten Self-help-Bestseller "The 7 Habits of Highly Effective People" von Stephen R. Covey:
#4 Verzichtet auf Alkohol und Co.
Ich mein's ernst, dazu gehört auch der Rotwein beim romantischen Dinner.
Die Hauptursache für fast alle akuten BPS-Symptome ist eine übermäßig gesteigerte Wahrnehmung von Emotionen (sowohl negativen als auch positiven) und die Unfähigkeit, angemessen auf sie zu reagieren. Drogen wie Alkohol, Marihuana oder sogar Kaffee können sich daher verstärkend auf viele BPS-Erscheinungen auswirken und der Beziehung dadurch gewaltig schaden. Schon geringe Mengen können problematisch sein, denn vielen BPS-Betroffenen fehlt es an Selbstkenntnis und Selbstrespekt, um die eigenen Grenzen nicht doch noch zu überschreiten.
Nein zu Alkohol
Alkohol war lange Zeit ein fester Bestandteil in unserer Beziehung. Ohne ihn wäre meinem Freund und mir viel Unschönes erspart geblieben.
In diesem Moment ist er seit fast 3 Monaten clean und unserer Beziehung geht es so gut wie nie, obwohl wir mit anderen unvorhergesehen Herausforderungen zu kämpfen hatten. Auch den Menschen in unserem Umfeld ist aufgefallen, wie viel besser wir gemeinsam mit Problemen umgehen und wie viel positiver sich die Abstinenz auf unsere Konfliktlösungsfähigkeiten auswirkt.
Ja, auch ich trinke nun deutlich weniger Alkohol und bin bereit, in Zukunft vollständig auf Virgin Cocktails beim Mädelsabend umzusteigen. Wie könnte ich von meinem Freund etwas verlangen, das ich selbst nicht umsetze?
#5 Sei ein Vorbild
Damit sind wir schon beim nächsten Tipp – vielleicht dem wichtigsten überhaupt. Möglicherweise hast du schon einmal von dem Gesetz der Anziehung gehört. Prinzipiell geht es darum, dass du erntest, was du sähst, also anziehst, was du ausstrahlst und umgekehrt.
Besonders in einer BPS-Beziehung funktionierst du wie ein Spiegel. Du bist in einer Rolle, in der du die Möglichkeit hast, deinem Partner oder deiner Partnerin vorzuleben, wie ein achtsames Leben, ein gesundes, ehrliches, friedliches Zusammensein aussieht. Das bedeutet NICHT, dass du die Verantwortung für das Verhalten deiner Partnerin/ deines Partners trägst. Aber du solltest dir bewusst machen, dass dein Gegenüber sich auf Dauer Dinge von dir abschauen wird. Das ist ganz natürlich und auch in Beziehungen ohne BPS-Einfluss der Fall. Je besser deine Beziehung mit dir selbst ist, desto mehr wirst du deine Partnerin/ deinen Partner zu einem positiveren Umgang mit sich selbst inspirieren.
Das geht übrigens auch in die umgekehrte Richtung: Ich persönlich habe mir neben Ausdrücken, Sprüchen etc., tatsächlich auch einige eher ungesunde Verhaltensweisen von meinem Freund abgeschaut, die ich teilweise noch immer nicht ganz losgeworden bin (vor allem, weil es eine Weile dauern kann, bis man sich dessen überhaupt bewusst wird).
#6 Entwickelt einen Code
Nachdem ich meinen Freund zu Beginn unserer Beziehung um 5 Uhr morgens aus dem Krankenhaus abholen musste, haben wir ein Codesystem ausgeklügelt, um in absoluten Krisensituationen besser miteinander zu kommunizieren. Das ist vor allem wichtig, wenn eure Beziehung frisch ist und du weniger darin geübt bist, die Gedanken und Gefühle deines Partners bzw. deiner Partnerin zu lesen.
Findet gemeinsam eine Methode, um, wenn gar nix mehr geht, möglichst ohne Worte klarzustellen: "Ich fühle mich gerade nicht so gut/ schlecht/ furchtbar". Ein Zahlensystem bietet sich an, bestimmte Farben oder auch Emojis. Schreibt euren Code irgendwo auf, wenn nötig als großes Plakat an der Wand, sodass ihr in einer Notlage nur noch darauf deuten müsst. Das hat zweierlei Effekte: Erstens wird sich dein Gegenüber nicht von deinen (panischen) Fragen: "Was ist los?", "Alles okay?!", "Sprich mit mir!", "Warum redest du denn nicht?", "OMG, sag mir, was ich tun soll!" noch mehr getriggert fühlen und zweitens ist es (manchmal) einfacher, "Drei" zu sagen, als sich lang und breit zu erklären. Ein Beispiel:
- Eins: "Ich fühle mich nicht gut, habe mich aber unter Kontrolle. Bitte gib mir einfach ein bisschen Raum, bis ich mich beruhige."
- Zwei: "Es geht mir schrecklich. Ich bin nicht sicher, was ich fühlen oder denken soll. Ich habe mich nicht mehr gut im Griff. Bleib bitte bei mir und hilf mir, es zu überstehen."
- Drei: "Ich hasse mich. Und dich auch. Alles spielt gegen mich und ich fühle mich vollkommen hilflos. Das ist eine Notlage. Ich bin Worten wahrscheinlich nicht mehr zugänglich."
Im nächsten Schritt könnt ihr dann gemeinsam nach konkreten Lösungen (für euch beide) in der jeweiligen Situation suchen.
#7 Wenn reden nicht klappt, probiert es schriftlich
Falls das Codesystem scheitert oder direkte Kommunikation aus anderen Gründen notwendig, aber nicht möglich ist, lass deinen Partner oder deine Partnerin auf einen (digitalen) Notizblock schreiben. Auch, wenn du gerade nicht physisch anwesend bist, sondern per Telefon an der anderen Leitung hängst, kann das helfen.
Rede deinem Partner/ deiner Partnerin mit beruhigender Stimme gut zu und erkläre, er/ sie solle dir seine/ ihre Antworten auf WhatsApp o. Ä. schreiben. Im besten Fall wird sich dein Gegenüber ein wenig freier fühlen und dir unter weniger Druck schriftlich erklären, was gerade los ist oder warum es ihm/ ihr schwerfällt, zu sprechen. Manchmal kann es eben beängstigend sein, schlimme (und nicht so schlimme) Dinge laut auszusprechen.
#8 Sachlichkeit & Emotionen vertragen sich nicht
Effektive Kommunikation ist in jeder Beziehung das A und O, noch wichtiger ist sie aber, wenn BPS im Spiel ist. Mit der Zeit wirst du lernen, was triggert und was nicht, und welche Worte in hässlichen Situationen helfen können, bzw. welche alles nur schlimmer machen. Das kann dir leider auch niemand im Vorfeld sagen, denn unsere Erfahrungen, Ängste und Traumata sind schließlich sehr subjektiv.
Gut zuhören hilft, ist aber noch nicht alles. Dein Partner oder deine Partnerin wird (höchstwahrscheinlich) Zustimmung oder Ermutigung erwarten, auch in Situationen, in denen er oder sie böse auf dich ist. Statt bei einem (unangemessenen) Wutausbruch mit Sachlichkeit zu reagieren ("Du regst dich schon wieder viel zu sehr auf", "So schlimm ist das doch alles nicht", "Du übertreibst") versuche es mal damit:
- "Ich sehe dich."
- "Ich verstehe, dass es dir gerade nicht gut geht."
- "Ich respektiere deine Gefühle."
- "Ich möchte dir beistehen."
- "Wie kann ich dir helfen?"
- "Wie kann ich es in Zukunft besser machen?"
Wenn nicht du der Grund für den Wutausbruch bist, kann auch eine lange Umarmung das Eis schmelzen (min. 30-60 Sekunden!). Aber vorher um Erlaubnis bitten, das kann in einem sehr emotionalen Moment sonst schnell übergriffig und dann kontraproduktiv wirken.
#9 Versichere deine Zuneigung. Immer und immer wieder.
Neueste Studien beweisen, dass stabile Langzeitbeziehung oft der beste Weg sind, um akute Borderline-Symptome zu kurieren. Das liegt daran, dass viele BPS-Betroffene traumatische Kindheitserfahrungen gemacht haben, zu schnell erwachsen werden mussten oder aber von ihren Eltern stark überbehütet wurden. Die Angst vor dem Verlassenwerden ist daher sehr groß, oft auch ohne, dass sichtbare Gründe dafür vorliegen.
Versichere deine Liebe. Dazu braucht es keine Geschenke oder Aufmerksamkeiten, Worte und ein ehrliches Lächeln genügen.
Vielleicht kommt dir folgendes Szenario bekannt vor: Du warst mit deinen Freund*innen aus und kommst etwas später heim, als geplant. Zu Hause erwartet dich dann ein wahres Meer aus Anschuldigungen: "Wo warst du so lange?!", "Ich bedeute dir wohl nichts.", "Hast du mich überhaupt jemals geliebt?", "Hast du jemand besseren gefunden?!". Du bist völlig perplex und weißt gar nicht, was du sagen sollst, immerhin ist diese Diskussion vollkommen unnötig. Vielleicht reagierst du bissiger als beabsichtigt und es entwickelt sich ein heftiger Streit, völlig aus dem Nichts.
Und das ist, was höchstwahrscheinlich gerade passiert: Dein Partner oder deine Partnerin fürchtet, dass du dich von ihm/ihr abgewandt hast und stößt dich absichtlich weg, bevor du die Beziehung selbst beenden kannst. Daraufhin reagierst du (verständlicherweise) mit Ärger, schließlich sieht deine Sicht der Dinge völlig anders aus. Wenn du dann offen deine Wut zeigst ("Mir reicht es langsam mit dir!", "Ich verstehe dich überhaupt nicht mehr", "Ich kann das nicht mehr!"), ist es sehr wahrscheinlich, dass dein Gegenüber früher oder später zurückrudert (meiner Erfahrung nach dauert das manchmal auch mehrere Tage), um dich zurückzugewinnen. Denn eigentlich bedeutest du deinem Partner/ deiner Partnerin unheimlich viel.
Mein Tipp: Versuche zu verstehen, dass dein Gegenüber von der ständigen Sorge geplagt wirst, du könntest ihn oder sie verlassen. Reagiere also nicht genervt oder ungeduldig, auch nicht, wenn du zum zigsten Mal hintereinander deine Zuneigung bestätigen musst. Es liegt nicht daran, dass dir dein Partner/ deine Partnerin nicht vertraut.
Mit der Zeit wird diese Unsicherheit schwinden. Je länger du ein fester Bestandteil im Leben des oder der anderen bist, desto gesünder und stabiler wird sich eure Beziehung wahrscheinlich entwickeln.
#10 Erwarte keine "Wunderheilung"
Auch wenn stabile Langzeitbeziehungen erwiesenermaßen einen positiven Effekt auf BPS-Betroffene haben, sollte dir dennoch eines klar sein: Du kannst deine*n Partner*in NICHT heilen. Wunder existieren nicht. Das gilt ganz besonders für Borderline. Im Endeffekt liegt es in der Verantwortung deines Partners/ deiner Partnerin, die BPS-Diagnose und deren symptomatische Effekte auf eure Beziehung anzuerkennen. Eine Beziehung, in der ihr nicht über den Elefanten im Raum redet, wird dem toxischen Kreislauf aus Idealisierung, Zurückweisung und Wiederholung aller Wahrscheinlichkeit niemals entkommen.
Im Laufe der Jahre werden die Symptome schwächer werden, schon allein deswegen, weil BPS-Beeinträchtigungen zwischen 20 und 30 Jahren am häufigsten auftreten. Eine Heilung gibt es jedoch nicht, lediglich die Symptome können behandelt, schlechte Gewohnheiten abgewöhnt und gesündere Verhaltensweisen trainiert werden. Das ist ein langer Prozess und für gute Ergebnisse ist außerdem eine professionelle (Langzeit-)Therapie notwendig.
Starte keine Beziehung mit dem Gedanken: "Das wird sich schon bald legen", "Ich kann ihn/ sie verändern" oder "Es wird ja nicht für immer so sein". Du könntest sehr stark enttäuscht werden und dir sowie deiner/ deinem Liebsten unnötig Schmerzen zufügen.
#11 Reise in die Vergangenheit
Worte sind vielleicht unsere mächtigste Waffe. Sie können Schmerz lindern, aber auch verheerende Schäden anrichten. In jeder einzelnen Lebenssituation ist es ratsam, Worte weise zu wählen und vor dem Sprechen den Kopf (und das Herz) einzuschalten.
Wenn es darum geht, das Richtige zu sagen, hilft es, sich bewusst zu machen, wen man gerade vor sich hat. Wie bereits erwähnt sind BPS-Betroffene häufig Menschen, die in ihrer Kindheit stark vernachlässigt, missbraucht oder aber überbehütet wurden, sodass sie nicht gelernt haben, ihre Emotionen angemessen zu regulieren. In einem Streit, wie etwa in Punkt 9 beschrieben, ist dein Gegenüber nicht mehr 19 oder 25 oder 35 Jahre alt, sondern wahrscheinlich 12. Vielleicht noch jünger. Du sprichst also mit einem Kind, das Erfahrungen (vermutlich mit seinen Eltern) auf dich projiziert und daher scheinbar unlogisch, emotional und übertrieben reagiert.
Mir hat dieser Trick enorm dabei geholfen, behutsam zu kommunizieren und meinem Freund beizustehen – auch in Momenten, in denen ich mich einfach nur wütend und verletzt gefühlt habe. Ich glaube, wir alle wollen manchmal einfach nur schreien und weinen und irgendwas kaputt schlagen oder böse Dinge sagen, die wir eigentlich doch nicht wirklich meinen. Frag dich also ganz ehrlich: Würdest du so mit einem Kind sprechen?
#12 Keine Geheimnisse
Geheimnisse tun wahrscheinlich keiner Beziehung gut. Da Menschen mit BPS aber bereits ohnehin sehr große Angst davor haben, verlassen, betrogen oder ersetzt zu werden, können Geheimnisse hier deutlich größeren Schaden anrichten.
Seid ehrlich miteinander, erzählt, was ihr fühlt und berichtet von euren Ereignissen des Tages oder von Unternehmungen, die ihr ohne den/ die jeweils andere*n durchführt. Wenn du deinen Partner bzw. deine Partnerin über wichtige Termine, Verabredungen oder Probleme (wenn möglich im Vorfeld) aufklärst, entstehen auch weniger Missverständnisse. Triffst du dich regelmäßig mit deinen Freund*innen, könntest du deinen Partner/ deine Partnerin vorstellen, falls nicht schon geschehen. Dasselbe gilt für deine Familie. Vermittle deiner/ deinem Geliebten, dass es dir ernst ist und lass ihn/sie an deinem Alltag teilhaben. Im Gegenzug wirst auch du mit Offenheit und Transparenz belohnt werden.
#13 Setze behutsam Grenzen
Bei all dem, was du tun und lassen solltest, um deinem Partner/ deiner Partnerin eine gute Stütze zu sein, ist es mindestens genauso wichtig, dass du dich auch um dich selbst und deine eigene (mentale) Gesundheit kümmerst. Im Endeffekt musst du für dich selbst einstehen und entscheiden, was du ertragen kannst und was nicht.
Sei dir über deine eigenen Grenzen im Klaren und finde einen ruhigen Moment, um diese behutsam anzusprechen, solltest du dich in der Beziehung wegen etwas nicht (mehr) wohlfühlen.
Schwarz-Weiß-Denken
Als ich meinem Freund zum ersten Mal klar gemacht habe, dass er eine Grenze überschritten hat und auch ich meine Limits habe, war das für ihn erst einmal schwer zu begreifen. Ich musste ihm erklären, dass das nicht bedeutet, dass ich die Beziehung beende oder anders für ihn fühle.
BPS-Betroffene sind typischerweise sehr leidenschaftliche Menschen, sie gehen entweder "All-in" oder lassen es gleich ganz sein. Das liegt an dem sogenannten "Schwarz-Weiß-Denken", das auch bei bipolaren Menschen stark ausgeprägt ist. Vielleicht hast du schonmal von dem Spruch "Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt" gehört. Das fasst es in etwa zusammen. In einer Beziehung bedeutet das: Eine Person mit BPS wird dich entweder vergöttern oder von sich stoßen. Sie wird entweder alles für dich opfern oder dich mit allem bekämpfen. Und das gleiche erwartet sie auch von dir.
Es kann eine Weile dauern, bis dein Partner/ deine Partnerin die Tatsache akzeptiert, dass du irgendwo dazwischen in einer Grauzone stehst. Dass du ihn/ sie von ganzem Herzen liebst, aber auch auf dich selbst achten musst und schädliches Verhalten nicht einfach hinnehmen wirst. Dieses Gespräch ist ein unverzichtbarer Schritt in eurer Beziehung.
#14 Informiere dich vielseitig
Als ich in den ersten Monaten der Beziehung zum ersten Mal die psychischen (und physischen) Auswirkungen einer Beziehung mit BPS zu spüren bekommen habe, fing ich an, mich auf einem tieferen psychologischen Niveau über die "Krankheit" zu informieren – und fiel daraufhin in ein Loch negativer Berichte und medizinischer "Fachmeinungen" darüber, dass Borderline-Betroffene hoffnungslose Fälle seien, in einfachen Worten.
Es sollte nicht nötig sein, klarzustellen, dass das (sorry) totaler Schwachsinn ist. Nicht nur waren viele Bücher, die ich mir damals aus meiner örtlichen Bibliothek ausgeliehen habe, völlig veraltet, auch heute kursieren leider noch krasse Aussagen von angeblichen Experten bzw. Expertinnen, die Borderline als das absolute Ende der Welt verunglimpfen. Die langjährige Therapeutin meines Freundes beispielsweise erklärte ihm, dass er dank seiner BPS niemals in der Lage sein werde, eine gesunde Langzeitbeziehung zu führen. Ich muss, glaube ich, nicht erwähnen, dass er dort mittlerweile nicht mehr hingeht.
Fakt ist: Informieren ist gut, aber glaub nicht alles, was man dir irgendwo erzählt. Borderline ist eben nicht schwarz und weiß, jede Person kann völlig andere Symptom-Kombinationen und -Ausprägungen haben. Auch wie du mit bestimmten Situationen umgehst wird sich von anderen unterscheiden, also zögere nicht, auch angeblich medizinische Statements zu hinterfragen und mit deiner persönlichen Wahrnehmung zu vergleichen. Lies Artikel von unterschiedlichen Quellen und informiere dich vielseitig. Auch Online-Hilfegruppen können neue Einblicke bieten.
Hier eine bunte Übersicht an Foren für Angehörige und Betroffene:
#15 Lass keinen Konflikt ungelöst
"Geh niemals wütend ins Bett", hab ich mal gehört und das scheint für viele ein ungeschriebenes Gesetz zu sein. Ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie viele Nächte endlosen Dramas mir dieses Gesetz geraubt hat – unterschreiben würde ich es trotzdem.
Nicht nur in meiner Beziehung, auch im alltäglichen Leben habe ich immer wieder festgestellt: Je [wähle hier eine beliebige negative Emotion] ich am Abend zu Bett gehe, desto schlechter ist meine Laune auch noch am nächsten Tag. Einfach drüber schlafen ist bei mir eben nicht. Auf der anderen Seite verstehe ich und kann bezeugen, dass ein Krisengespräch um 3 Uhr morgens den Konflikt vermutlich erst einmal verschlimmert, bevor es ihn löst. Aber manchmal reicht auch schon ein sanfter Händedruck oder kurzes Füßeln unter der Bettdecke, wenn ihr beide sauer seid, den /die andere*n aber wissen lassen wollt:
Hey, ich hab' dich immer noch lieb.
Seit mein Freund und ich zusammen wohnen, setzen wir das auch strikt durch: Entweder es wird einander (auch übermüdet) beigestanden, bis alles ausdiskutiert ist, oder wir entscheiden – ruhig und gemeinsam –, das Ganze auf Morgen zu verschieben, mit dem Wissen, dass alles okay sein wird. Also keine bissigen Kommentare beim Licht löschen, kein Türenschlagen und kein getrenntes Schlafen, um Mitleid oder Schuldgefühle beim anderen auszulösen.
#16 Hab' Vertrauen
Falls du auch jetzt immer noch hier bist, kann ich mir vorstellen, dass du inzwischen ganz schön verunsichert bist. Darum möchte ich diesen Tipp all den positiven Seiten einer BPS-Beziehung widmen. Ja, die gibt es nämlich wirklich. Also los geht's:
- BPS-Betroffene haben ein sensibles Herz, das eigentlich viel zu groß für diese Welt ist.
- BPS-Betroffene nehmen Emotionen (schlechte und gute) sehr viel stärker wahr als die meisten anderen Menschen und können daher auch viel Positivität ausstrahlen.
- BPS-Betroffene lieben von ganzem Herzen – ohne Kompromisse und ohne Bedigungen.
- BPS-Betroffene vertrauen oft sehr schnell, sind besonders mitfühlend und erkennen schneller als alle anderen, wenn Personen in ihrem Umfeld unglücklich sind.
- BPS-Betroffene sind gute Zuhörer*innen, sehr kreativ und echte Philosophen und Philosophinnen.
- BPS-Betroffene sind ernst und nachdenklich – und oft erstaunlich talentiert.
- BPS-Betroffene sind hilfsbereit und sanft im Umgang mit Mitmenschen, sie urteilen hart, verzeihen aber mindestens genauso schnell.
- Und last, but not least: BPS-Betroffene sind Menschen wie alle anderen und verdienen eine liebevolle, menschenwürdige Behandlung. Periodt.
Natürlich sind wir alle unterschiedlich, BPS hin oder her. Und wie wir mit anderen umgehen oder über die Welt denken liegt in erster Linie in unserem Charakter und unserer Erziehung. Trotzdem neigen wir dazu, diesen Charakter unter der BPS zu übersehen.
The night is darkest just before the dawn. And I promise you, the dawn is coming.
"Kurz vor der Dämmerung ist die Nacht am dunkelsten. Und ich verspreche dir, die Dämmerung wird kommen" – ein Herzenszitat meines Freundes. Mein Herzenstipp an dich: Hab' Vertrauen. Auch in harten Zeiten. Vertraue in dich und deine Entscheidung, diese Person zu lieben. Liebe ist ein Versprechen, nicht nur ein Gefühl. Vertraue in deine*n Partner*in und seine/ ihre Liebe zu dir, vertraue in eure Beziehung, die Kraft dieser Beziehung und in das, was euch verbindet. Bessere Tage werden kommen.
#17 Suche dir (professionelle) Unterstützung
Es ist vielfach belegt, dass BPS-Betroffene enorm von einer (Langzeit-)Therapie profitieren können. Sie haben dort die Möglichkeit, gedanklichen Ballast abzuwerfen, Fragen, Sorgen und Ängste offen anzusprechen, schädliche Verhaltensweisen zu identifizieren und sich bessere Alternativen anzutrainieren.
Mein letzter Tipp: Such auch du dir (professionelle) Hilfe. Schon ein Netzwerk aus Freunden, Freundinnen, Arbeitskollegen oder -kolleginnen und Familie, die dich unterstützt, kann Gold wert sein. Ich bin sehr dankbar, dass ich mich auf mein Netzwerk verlassen kann und Menschen habe, zu denen ich immer kommen darf, wenn's mal brennt. Menschen, die auch meinen Freund annehmen und als die warmherzige Person erkennen, die er wahrlich ist.
Video: Was kann man bei Panikattacken tun?
Nicht nur mein Freund, auch ich habe in meinem Leben (sowohl vor als auch während der Beziehung) bereits mit Panikattacken zu kämpfen gehabt. Extreme Situationen können nunmal nicht immer ruhig und entspannt gelöst werden – und selbst wenn, zahlen Körper und Seele dafür auf Dauer häufig einen hohen Preis. In diesem Video bekommst du Tipps, wie du eine Panikattacke bei dir selbst oder deinem Partner/ Partnerin erkennen und was du dagegen tun kannst.
Disclaimer: Meine Tipps beruhen auf den Erfahrungen, die ich selbst in meiner Beziehung gemacht habe. Da sich der BPS-Subtyp von deinem Partner/ deiner Partnerin möglicherweise von dem meines Freundes unterscheidet, können sich auch die beschriebene Verhaltensweisen von realen Situationen in deiner eigenen Beziehung unterscheiden. Dieser Artikel ist kein Ersatz für eine psychiatrische Beratung.
In Notfällen wende dich bitte an eine der folgenden Nummern:
- Polizei: 110
- Rettungsleitstelle: 112
- Ärztlicher Bereitschaftsdienst: 116 117
- Telefonseelsorge: 0800 - 111 01 11 oder 0800 - 111 02 22
Quellen: AOK Gesundheitsmagazin: Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung: Was bedeutet das? ; Neurologen und Psychiater im Netz: Diagnostik der Borderline-Persönlichkeitsstörung ; Techniker Krankenkasse: Leben mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Englischsprachige Quellen: HealthyGamerGG [YouTube]: Psychiatrist explains BPD (Borderline Personality Disorder) - Psychology 101 ; HealthyGamerGG [YouTube]: If you date someone with Borderline Personality Disorder (BPD) watch this ; Lise Leblanc [YouTube]: What you need to know when dating someone with BPD ; MedCircle [YouTube]: 4 Types of Borderline Personality Disorder
Bei Desired.de findest du ein paar Tipps, um deine Mental Health zu stärken und dich auch in schwierigen Zeiten ausbalanciert zu fühlen. Einige dieser Ideen setze ich selbst um: