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Mum-Alltag: Warum mich dieses ganze Achtsamkeits-Gerede mal kann

Warum mich achtsame Erziehung im Alltag überfordert
© Getty Images/NataliaDeriabina

Concious Parenting, achtsame Erziehung, Montessori ... Diese Buzzwords sind seit ein paar Jahren in aller Munde bei Eltern. Sicherlich auch aus gutem Grund: Es geht darum, dass wir geduldiger und empathischer mit unseren Kindern umgehen. Diese Erziehung soll den Alltag erleichtern, die Kinder fördern und alle glücklicher machen. Für mich ist das Montessori-Prinzip eher eine Herausforderung als Erleichterung und ich komme damit bei meiner fünfjährigen Tochter nicht weiter. Ich gebe zu: Mich überfordert dieses ganze Achtsamkeitsgerede. Bin ich da die Einzige?

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Ich bin eher die "hektische Mom"

Meine Kollegin Jennifer setzt sich sehr viel mit der Montessori-Methode auseinander und erzieht ihre Kinder möglichst nach diesen Prinzipien. Ich bewundere das ehrlich, wenn ich Mütter sehe, die so gelassen mit ihren Kleinen umgehen. Mir liegt das irgendwie nicht so im Blut. Ich bin schnell genervt im Umgang mit Kindern und generell sehr ungeduldig. Als ich ihren Artikel über die Mütter-Typen gelesen hatte, musste ich schmunzeln: Welche bin ich denn eigentlich? Mein Typ war definitiv nicht dabei. Ich wäre wohl eher die "Annoyed Mom" (zu deutsch: genervte Mutter) oder "genervte Mom", falls es diesen Müttertyp gäbe. Aber das gibt natürlich niemand gern zu, denn er betont eher die Schwächen meines Charakters.

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Bei der Montessori-Methode geht es darum, dass das Kind im Mittelpunkt steht, es altersgerechte Entscheidungen alleine treffen darf, man es als eigenes Wesen wertschätzt und ihm hilft, sich selber zu helfen. Das klingt natürlich erstmal total gut. Das möchte ich natürlich auch für mein Kind, weil ich es resilient machen möchte. Damit ihr mich nicht falsch versteht, es geht mir hier nicht darum, einen autoritären Erziehungsstil zu propagieren. Doch ich komme im Alltag mit den meisten dieser Montessori-Tipps bei meinem sehr willensstarken Kind nicht voran und verrate euch auch, warum. Vielleicht geht es euch ähnlich und ihr fühlt euch auch überfordert von diesem Achtsamkeitsanspruch überall?

Wenn ihr jetzt gar nicht mehr genau wisst, was Montessori eigentlich beinhaltet, guckt euch nochmal unser Video dazu an:

​​Die 7 Grundprinzipien der Montessori-Pädagogik auf einen Blick Abonniere uns
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Atmen, Verständnis zeigen, dem Kind Zeit geben: Geht einfach nicht in jeder Situation

Typische Situation, die alle Eltern kennen: Wir haben einen Termin und meine fünfjährige Tochter träumt herum oder will sich nicht die Zähne putzen oder anziehen, es wird immer später und wir müssen uns immer mehr beeilen, sonst verpassen wir den Termin. Laut Montessori müsste ich ruhig bleiben, geduldig sein und Verständnis haben, dass sie eben ihre Zeit braucht.

Ich hätte eben eher aufstehen müssen mit ihr, damit sie mehr Zeit für alles hat. Nur hab ich das schon gemacht, weil ich weiß, dass sie morgens sehr viel Zeit braucht und ich habe mit ihr am Abend vorher schon darüber gesprochen, dass wir morgen einen Termin haben und uns beeilen müssen.

Ruhig bleiben fällt mir dann sehr schwer. Denn sobald ich nervös werde und es eilig habe, macht meine Tochter total dicht und macht gar nicht mehr mit. Da hilft dann nur, ihr eindeutig etwas lauter zu zeigen, dass wir wirklich losmüssen und ich ärgere mich darüber, dass ich so heftig geworden bin. Wenn ich gar nichts sage, sie machen lasse und einfach warte, passiert genau das, gar nichts und wir schaffen den Termin nicht.

Ein Kind, das alles selber entscheidet, bedeutet ewige Diskussionen

Laut achtsamer Erziehung geht es darum, die Kinder möglichst viel selber machen und selber entscheiden zu lassen. Sie sollen ihre Welt im Rahmen ihrer Fähigkeiten selber erschließen und durch Fehler ganz natürlich lernen. Das klingt so weit erstmal auch logisch und gut. Ein Kind, das gewohnt ist, alles selber zu entscheiden, kommt jedoch dann bei bestimmten Themen, wo ich als Elternteil entscheiden muss, dann in einen starken Konflikt.

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Meine Tochter ist sehr willensstark bis stur und versucht immer etwas auszuhandeln. Auf jede Bitte von mir kommt sie mit einer Gegenbitte und macht einfach aus Prinzip erstmal nicht das, worum ich bitte. "Ja, aber, Mama …" ist eines ihrer liebsten Satzanfänge. Nach Montessori soll sie mitentscheiden dürfen und in vielen Fällen darf sie das auch, doch es gibt Dinge, die sie aufgrund ihres Alters eben noch nicht einschätzen kann.

Dann muss ich als Mutter entscheiden und habe eine riesige Diskussion mit ihr, weil sie ja sonst gewohnt ist, dass alles nach ihr geht (was Montessori empfiehlt). Im Alltag ist aber nicht immer die Zeit für endlose Debatten und diese führt sie nicht nur zu Hause, sondern auch gern mal in der Öffentlichkeit, wo es echt anstrengend wird.

Das Kind und seine Gefühle immer in den Mittelpunkt stellen?

Laut Maria Montessori ist es wichtig, das Kind in seinen Gefühlen immer ernst zu nehmen und Verständnis zu zeigen. Das kann ich natürlich, wenn mein Kind hinfällt, sich irgendwie weh tut oder jetzt einen Wutanfall bekommt, weil das Lieblings-T-Shirt in der Wäsche ist und man es nicht anziehen kann. Schwer fällt es mir dann in solchen Situationen: Meine Tochter bekommt in der U-Bahn einen lautstarken Traurigkeitsanfall, weil sie sitzen möchte, ihr der U-Bahn-Sitz aber zu hart ist. Sie will nicht akzeptieren, dass sie entweder stehen muss oder den ihrer Meinung nach zu harten Sitz eben nehmen muss. Ich versuche Verständnis zu zeigen und erkläre ihr die Möglichkeiten, aber es nützt alles nichts. Die umstehenden Leute inklusive mir und ihrem Vater sind total genervt von ihrem Geheule, sie findet einfach kein Ende, egal was wir versuchen.

Sicherlich kennt jede*r von euch solche ähnlichen Situationen, wo man als Elternteil an seine Grenze stößt und einfach nichts mehr hilft. Man kann dann einfach auch nicht mehr. Das Kind heult, man selber ist genervt, die Nerven liegen blank. Ich möchte ja, dass meine Tochter ihre Gefühle ausleben kann, natürlich soll sie auch mal wütend und traurig sein dürfen auf mich oder ihre Umwelt.

Es wird nur schwer, wenn sie denkt, dass alle Welt sich immer nach ihr richten muss und kann. Das geht natürlich in einer Gesellschaft nicht. Ebenso wenig wie ich ihr den harten Sitz weicher machen kann, kann ich manche Umstände nicht ändern. Zwar kann ich sie dabei begleiten, das zu akzeptieren, es fällt ihr jedoch extrem schwer sich dann zu beruhigen. Wenn ich versuche ihr Trost zu geben, wehrt sie das ab, also lasse ich sie ihre Wut ausleben, weil sie auf nichts anderes reagiert. Auch solche Sätze wie die folgenden finden bei ihr dann kein Gehör:

Alle Eltern mit mehreren Kindern sind in solch einer Situation nochmal ganz anders gefordert: Wenn ein Kind so emotional reagiert, ist natürlich das andere genervt davon und als Elternteil muss man noch mehr jonglieren, wenn man auf die Bedürfnisse weiterer Kinder zu achten hat. In einer Familie mit Geschwistern muss ein einzelnes Kind eher lernen, dass seine Bedürfnisse nicht immer an erster Stelle stehen. Meine Tochter hat es hier als Einzelkind noch leicht, weil sie nicht auf Geschwister achten muss, sondern eher durchsetzen möchte, dass ihr Wille zählt. Da sind diese Achtsamkeitsregeln nochmal eine Spur schwieriger durchzusetzen. Glaube ich zumindest, bzw. sind das meine Beobachtungen.

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Elena Weihmann

Achtsame Erziehung mit drei Kindern

Schon beim ersten Kind wusste ich, dass die Bedürfnisse meines Kindes eine hohe Priorität haben und dass mir die Bindung zu meinem Kind sehr wichtig ist. Mit einem sehr willensstarken Erstgeborenen war diese Art der Erziehung schon damals nicht immer so leicht umzusetzen. Ich bin kein besonders geduldiger Mensch und kann Katjas Ansichten nachfühlen. Als dann noch Kind zwei und Kind drei dazu kamen, wuchsen natürlich die Bedürfnisse innerhalb der Familie ins Unermessliche. Ich struggle nahezu täglich, alles unter einen Hut zu bekommen und jedem Kind den Raum zur Entfaltung zu geben, den es braucht. Dass es bei drei Brüdern da oft auch mal knallt, kann sich wahrscheinlich jede*r vorstellen. 

Elena Weihmann
Katja Nauck

Wir machen alle Fehler

Letztlich ist es so: Wie man die eigenen Kinder erzieht, hängt natürlich viel mit dem eigenen Wesen zusammen. Ist man eher ein ruhiger entspannter Typ fällt einem Lazy- oder Concious Parenting vermutlich viel leichter. Ist man eher ungeduldig wie ich, bringt einen ein wütendes willenstarkes Kitakind schneller auf die Palme. Natürlich bin ich mir bewusst, dass ein Großteil davon an mir selber liegt und ich an meiner Einstellung und meinem Wesen arbeiten sollte. Wenn ich mehr Ruhe ausstrahle, dann nimmt mein Kind das natürlich auch so wahr, als wenn ich immer hektisch bin. In Kombination mit dem starken Willen meines Kindes ist das natürlich nochmal doppelt herausfordernd.

Ein weiterer Punkt ist die eigene Erziehung, die man durch seine Eltern in der Kindheit erlebt habt. Vieles wiederholt man unbewusst oder orientiert sich daran. Mir ist auch bewusst, dass man Kränkungen durch die eigenen Eltern ein Leben lang nicht vergisst, zwar nicht jede Situation bleibt haften, aber an vieles erinnert man sich zurück und natürlich möchte ich nicht, dass es meiner Tochter so geht. Ich versuche es so gut es geht, bin aber häufig enttäuscht von mir. Wenn ich mal heftiger war als gewollt, entschuldige ich mich bei ihr und erkläre ihr, warum ich so reagiert habe. Dazu kann ich euch übrigens dieses tolle Buch empfehle, was mir das nochmal richtig bewusst gemacht hat:

Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen

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Preis kann jetzt höher sein. Preis vom 21.12.2024 13:16 Uhr

Da ich beruflich viele Erziehungsthemen mitbekomme und mich damit beschäftige, kommt es mir umso mehr vor, als würde alle Welt perfekt achtsam und bedürfnisorientiert erziehen (das ist natürlich nur ein Ausschnitt des Ganzen). Selten zeigen Mütter ihren wahren und mal unperfekten Alltag auf Instagram und Co, offenbaren ihre Probleme und Herausforderungen und dass natürliche Konsequenzen halt oft auch nicht so weiterhelfen wie gehofft.

Da bin ich froh, wenn ich bei meinen Freundinnen mitbekomme, dass es überall ähnliche Probleme gibt und man bei bestimmten Themen wie Hausaufgaben oder Medienkonsum, auch echt mal lauter werden muss bzw. die Tabletzeit begrenzen muss, weil die Kinder nur dann reagieren. Das heißt nicht, dass ich es gutheiße, wenn wir unsere Kinder ständig nur anbrüllen und sie negative Konsequenzen spüren müssen. Ich finde es aber zutiefst menschlich, wenn je nach Temperament bei Eltern das Nervenkostüm mal dünn ist und sich der Frust verbal entlädt. Solange das nur ab und an mal passiert und nicht die Grundeinstellung des Umgangs miteinander ist.

Katja Nauck

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