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Muttersöhnchen: Wieso es Zeit ist, diesen Begriff zu überdenken

Muttersöhnchen

Wenn ein Mann eine enge Beziehung zu seiner Mutter hat, dann ist das schlecht. Wenn eine Frau eine gute Beziehung zu ihrer Mutter hat, ist das wundervoll. Merkt ihr es auch schon? Es ist an der Zeit, den Begriff "Muttersöhnchen" einmal kritisch zu beleuchten.

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Was sind Muttersöhnchen?

Der Duden gibt dem Muttersöhnchen die folgende Definition: "verwöhnter, unselbstständiger Junge oder junger Mann", als Synonyme gibt das Sprachlexikon Schoßkind, Weichling,  Zärtling sowie Memme an. Insgesamt gelten Männer und Jungen in unserer Gesellschaft als Muttersöhnchen, wenn sie eine sehr enge Beziehung zu ihrer Mutter haben und sie sich von dieser Bindung auch beim Heranwachsen nicht lösen. Sie gelten als unselbstständig, hilfsbedürftig, faul und holen sich in jeder Lebenslage Hilfe von Mama. Sie gehen mit Mama einkaufen, fragen sie um Rat in Beziehungs- oder Jobfragen und lassen sich gerne auch mal von ihr bekochen. Sie ist für ihn das Maß aller Dinge – so zumindest das Klischee.

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Ab wann ist ein Mann ein Muttersöhnchen?

Eine klare Definition gibt es dafür natürlich nicht: Ein Mann muss nicht 17 Mal pro Woche seine Mutter anrufen und einmal die Woche bei ihr essen, um sich den Titel zu erarbeiten. Der Begriff tritt dann erstmalig in Erscheinung, wenn Außenstehende beobachten: 'Oho, der Max ruft seine Mutter aber häufig an' oder 'Juan lässt sich ja immer noch von seiner Mama beim Hosen einkaufen beraten'. Eindeutiger wird es, wenn ein Mann noch mit 30 im Hotel Mama wohnt und sich von ihr betüddeln lässt. Dann hat die Gesellschaft in der Regel keine Zweifel – eindeutig ein Muttersöhnchen.

Mutter-Tochter-Beziehung Juhu, Muttersöhnchen Buhu?

So belustigend der Begriff Muttersöhnchen für einige Menschen sein mag, er zeigt vor allem ganz deutlich, dass wir klare Unterschiede in der Erziehung von Mädchen und Jungen machen. Eine sehr enge Beziehung eines Mädchens zu ihrer Mutter wird als etwas Schönes, etwas Erstrebenswertes angesehen. Auf den Satz "meine Mama ist meine beste Freundin" folgt in Konversationen in der Regel ein gerührtes "oooooh". Und wenn eine erwachsene Tochter mit ihrer Mama einen Stadtbummel unternimmt, dann ist das wundervoll. Würde ein Mann hingegen seine Mama als beste Freundin ansehen, ist er eben ein Muttersöhnchen und damit laut Duden-Definition ein "verwöhnter, unselbstständiger Junge".

Sicher ist das Loslassen ab einem bestimmten Alter ein wichtiger Punkt in der Eltern-Kind-Beziehung. Dass es "Muttersöhnchen" gibt, hat damit aber weniger zu tun, schließlich müssen Eltern ihre Töchter und Söhne mit der Zeit gleichermaßen loslassen, um eine selbstständige Person aus ihrem Nachwuchs zu machen. "Muttersöhnchen" beinhaltet vielmehr eine Forderung an Mütter, ihre Söhne nicht zu "weich" zu erziehen, ihn zu einem "echten Mann" werden zu lassen. Und das wird auch von der Wissenschaft äußerst kritisch betrachtet.

Der 'Lonely Wolf' ist altmodisch

Prof’in. Dr. Barbara Rendtorff, die als Erziehungswissenschaftlerin u. a. zu Geschlechterbildern im Kontext des Aufwachsens forscht, erklärt: "Das Konzept von Männlichkeit beruht (historisch gesehen) darauf, sich vom Weiblichen zu unterscheiden, abzugrenzen und sich über das Weibliche zu erheben. Männer werden in unserer Tradition als 'autonom' vorgestellt, selbständig, überlegen und außenorientiert, Frauen als anderen Menschen zugewandt und verbunden: Männer regieren, Frauen sorgen." Darum sei laut Rendtorff in dieser Logik die Nähe zur Mutter ein Zeichen dafür, (noch) kein 'richtiger Mann' zu sein: "Ein 'richtiger Mann' muss in dieser Denktradition die Mutter hinter sich lassen und gewissermaßen 'überwinden'. Für kleine Mädchen, die ja selbst Mutter und 'wie ihre Mutter' werden sollen, würde also die Bezeichnung 'Muttertöchterchen' gar keinen Sinn machen."

Für Prof'in. Dr. Barbara Rendtorff ist der Begriff vor allem deshalb problematisch, weil er die veraltete Vorstellung transportiere, dass 'Sorge füreinander', Nähe und Verbundenheit – und auch: das Angewiesensein auf andere – nur für Frauen gelte: "Dieses Bild des überlegenen Mannes als 'lonely wolf' ist altmodisch und nicht mehr zeitgemäß. Deshalb sollte man den Ausdruck am besten vergessen", so die Erziehungswissenschaftlerin.

Muttersöhnchen und Beziehungen

Natürlich kann eine extreme Mutter-Sohn-Beziehung auch problematisch sein. Nicht umsonst gehören zu den häufigsten Google-Suchanfragen in puncto Muttersöhnchen Fragen wie "Warum ziehe ich Muttersöhnchen an?", "Muttersöhnchen wie ändern?" oder "Was tun gegen Muttersöhnchen?". Wenn die Schwiegermama sich in jede Angelegenheit einmischt, dann kann das durchaus ein Problem sein. Aber dieses Problem tritt genauso auf, wenn die Partnerin eine extrem enge Beziehung zu ihrer Mutter oder ihrem Vater hat. Dadurch rechtfertigt sich der Begriff "Muttersöhnchen" also keineswegs.

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Auch Prof'in. Dr. Barabara Rendtorff bestätigt, dass alle Kinder in gewisser Weise die Mutter 'hinter sich lassen' und selbständig werden müssen: "Manchen gelingt es nicht so gut, die dafür nötige Sicherheit zu erringen – aber das ist ein komplexer Entwicklungsweg, der sich nicht mit einem so primitiven Bild fassen lässt, das diesen Weg in die Selbständigkeit noch dazu mit Abwertung verbindet", so die Forscherin. Es ist also vielmehr an der Zeit, dass wir als Gesellschaft diesen Begriff hinter uns lassen.

Pärchen-Test: Passen wir wirklich zusammen?

Bildquelle: Getty Images/Pekic

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