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Interview

Offene Beziehung: Ein Beziehungsmodell, das zum Scheitern verurteilt ist?

offene Beziehung: Frau und zwei Männer halten sich an den Händen
© Getty Images/igor_kell

"Offene Beziehung", "Polygamie" oder "Polyamorie": Begriffe, die man in den letzten Jahren immer öfter hört und dabei entsteht der Eindruck, dass sich viele Menschen vorstellen können, in solch einem Beziehungsmodell mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zu leben. Ob das wirklich stimmt und welche Konflikte eine offene Beziehung mit sich bringen kann, darüber habe ich mit der Paartherapeutin Marga Bielesch gesprochen.

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Was ist eine offene Beziehung bzw. offene Ehe?

Die meisten Menschen leben in einer monogamen Beziehung. Das heißt, sie haben ausschließlich mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin Geschlechtsverkehr und befinden sich auch auf emotionaler Ebene nur mit dieser einen Person in einer Liebesbeziehung. Allerdings gibt es auch Menschen, denen das nicht reicht, die dieses Beziehungskonzept über Bord werfen und sich für eine offene Beziehung oder wenn sie verheiratet sind, für eine offene Ehe entscheiden. Das heißt, dass es neben dem Liebsten oder der Liebsten noch eine weitere oder mehrere Personen gibt, mit denen man Sex (Polygamie) hat und/oder die man liebt (Polyamorie).

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Interview mit der Paartherapeutin Marga Bielesch

Beschäftigt man sich mit dem Thema "offene Beziehung" fallen einem viele Fragen ein. Wie soll das funktionieren, welche Rolle spielt die Eifersucht, wie erkläre ich meinem Partner, dass ich eine offene Beziehung möchte und was tun, wenn einer eine monogame und der andere eine polygame oder polyamore Beziehung bevorzugt? Das und vieles mehr habe ich die Paartherapeutin Marga Bielesch gefragt und wirklich interessante Antworten erhalten.

Frau Bielesch, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Wenn man sich mit dem Thema "offene Beziehung" auseinandersetzt, fällt auf, dass das offensichtlich für viele ein durchaus interessantes Beziehungsmodell ist. Allerdings stellt man sich auch die Frage, wie sich das umsetzen lässt, ohne vor Eifersucht zu platzen.

Würden Sie sagen, dass Menschen, die sich für diese Art von Beziehung entscheiden, weniger eifersüchtig sind als Personen, für die "nur" das monogame Beziehungsmodell infrage kommt?

Ich habe ziemlich häufig Paare in der Praxis, die sich erst nach einiger Zeit für eine offene Beziehung entscheiden und natürlich ist Eifersucht in diesen Fällen ein großes Thema. Da braucht es Vertrauen. Ist Eifersucht im Spiel, ist das ein Zeichen dafür, dass da etwas noch nicht so richtig stimmt und dann sollte das Paar noch mal schauen, woran das liegen könnte und was sich hier noch nicht gut beziehungsweise richtig anfühlt. Schließlich haben sich, und das ist auch die Voraussetzung, beide für eine offene Beziehung entschieden, was ja auch bedeutet, dass es beide wollen. Also gilt es herauszufinden, wo der Schuh drückt und das macht man, wenn man miteinander spricht.

Bei vielen Paaren, mit denen ich in meiner Praxis spreche, sind die Regeln zum Beispiel noch nicht ganz klar. Was ist erlaubt, was ist nicht erlaubt und handelt es sich tatsächlich um einen rein sexuellen Kontakt? Darf ich mich mit einer Person aus dem Freundeskreis treffen und gibt es bestimmte Tabubereiche, Themen oder Exklusivbereiche, die nur der Ursprungsbeziehung zustehen?

Bei manchen Beziehungen ist der Haken aber auch so groß, dass das offene Beziehungsmodell einfach nicht das Richtige ist. Wenn sich das nicht gut anfühlt, dann ist es auf jeden Fall wichtig, dass die Partner noch mal ins Gespräch gehen und nicht eine Person der anderen zuliebe das Ganze aushält. Denn so kann die Liebe auch sterben.

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Sie sagten gerade, dass Eifersucht ein Zeichen dafür ist, dass etwas noch nicht stimmt und man herausfinden müsse, wo das Problem liegt. Aber ist es nicht auch völlig normal, dass man vor allem zu Beginn eifersüchtig ist? Schließlich befindet man sich in einer noch sehr ungewohnten Situation, in der man seinen Partner oder seine Partnerin mit einer weiteren Person teilt. Könnte es nicht sein, dass die Eifersucht mit der Zeit von selbst abnimmt?

Das kann abnehmen, wenn die Partner darüber offen und klar miteinander sprechen, wenn das auch angesprochen werden darf. Nehmen wir an, der Mann lebt die offene Beziehung und die Frau verspürt aus diesem Grund eine Unsicherheit und Eifersucht, dann ist es wichtig, dass er ihr zuhört, dass Offenheit herrscht und die Dinge ganz detailliert ausgehandelt werden. Das gilt auch für den umgekehrten Fall. Aber prinzipiell ist es natürlich ein befremdliches Gefühl, wenn man über mehrere Jahre in einer Exklusivbeziehung [Ursprungsbeziehung] lebt und später jemand Drittes dazukommt.

Ich könnte mir vorstellen, dass viele Menschen die Idee interessant finden, eine offene Beziehung zu führen, allerdings neben dem Problem mit der Eifersucht die Sorge haben, dass sich der Partner in die Person, mit der er Sex hat, verliebt. Halten Sie diese Sorge für berechtigt?

Wenn wir von einer offenen Beziehung sprechen, bei der es sich ausschließlich um Sex handelt, dann kann es natürlich immer passieren, dass man sich verliebt. Und da legen Paare unterschiedliche Regeln fest. Manche sagen zum Beispiel, dass man nur dreimal mit ein und derselben Person Geschlechtsverkehr haben darf. Es gibt aber auch offene Beziehungen, bei denen die Menschen einen Sexualpartner über Jahrzehnte haben. Und da muss ich ehrlich sagen, entsteht natürlich auch irgendwo eine Bindung und es können Gefühle mit im Spiel sein.

Also würden sie zusammenfassend sagen, dass diese Sorge durchaus in einigen Fällen berechtigt ist?

Ja, die ist berechtigt. Das kann uns aber auch passieren, wenn wir über die Straße laufen und einen tollen Menschen sehen. Zack haben wir uns verliebt. Auch das ist wieder vom Individuum abhängig. Manche können Sexualität und Liebe ganz klar trennen. In der Praxis definieren das einige so: Mit meiner Frau mache ich Liebe und mit der anderen Frau oder den anderen Frauen habe ich Sex. Also das sind auch noch mal zwei Paar Schuhe. Bei der festen Partnerin ist in der Regel mehr Gefühl und Leidenschaft im Spiel. Bei einer offenen Beziehung, bei der es nur um sexuelle Kontakte geht, steht die – so sage ich das jetzt mal – Befriedigung im Vordergrund. Also ja, man kann sich immer verlieben, das muss aber nicht der Fall sein.

Habt ihr euch schon mal mit dem Thema "LGBTIQ" auseinandergesetzt? In diesem Video erfahrt ihr mehr über die Abkürzung.

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Nun ist es natürlich ein Segen, wenn beide Partner an einer offenen Beziehung interessiert sind. Aber das ist mit Sicherheit nicht immer der Fall. Was also machen, wenn ein Partner oder eine Partnerin ihren Wunsch nach einer offenen Beziehung äußert und das Gegenüber sich das gar nicht vorstellen kann? Würden Sie in solch einem Fall sagen, dass die Beziehung früher oder später zum Scheitern verurteilt ist oder fallen Ihnen gute Alternativen für Personen ein, die sich in so einer misslichen Lage befinden?

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Also wenn die Bedürfnisse in diesem Kontext weit auseinandergehen, wird es schwierig. Wenn sich eine Person eine offene Beziehung wünscht und der Partner das nicht möchte, wird es auf jeden Fall kompliziert und natürlich kann das auch ein Trennungsgrund sein. Was ich den Paaren empfehle, ist, sich wirklich reinzufühlen: Kann ich mir das vorstellen und was macht das mit mir? Wenn man allein den Gedanken, seinen Mann oder seine Frau mit anderen zu teilen, strikt ablehnt, dann wird man das auch fühlen und spüren und dann gibt es auch keine alternativen Varianten. Das ist schon ein großes Thema, das leider Beziehungen auseinanderbringen kann.

Wenn sich nun aber beide Parteien für eine offene Beziehung entschieden haben, allerdings noch keinerlei Erfahrungen mitbringen, was können Sie diesen Paaren mit auf den Weg geben? Worüber sollte man vorab gesprochen haben, welche Regelungen könnten eventuell beschlossen werden?

Das ist ein ganz sensibles Thema, wenn ein Partner kommt und den Wunsch äußert, die Beziehung öffnen zu wollen. Das kann für den anderen sehr verletzend sein und muss deshalb ganz bedacht angesprochen werden. Wenn es aber gut ankommt und für beide in Ordnung ist beziehungsweise beide das wollen, dann wäre es wirklich gut, sich davor zusammenzusetzen und zu besprechen, wie man die offene Beziehung leben möchte. Außerdem kann man durchs Ausprobieren herausfinden, was man braucht und was man nicht braucht.

Mögliche Regelungen, die zum Beispiel geklärt werden können, sind, ob jeder einen festen Kontakt haben soll oder ob man sich mit der Person, mit der man sexuell intim wird, nur dreimal treffen darf. Da muss wirklich jedes Paar schauen, was zu ihm passt. Pauschal kann das also nicht beantwortet werden, weil die Bedürfnisse auch unterschiedlich sind.

Sie haben gerade angesprochen, dass man sehr behutsam vorgehen sollte, wenn man seinem Partner beziehungsweise seiner Partnerin mitteilen möchte, dass man gerne eine offene Beziehung hätte. Können Sie diesen Personen Tipps mit auf den Weg geben, wie das am besten gelingt?

Es sollte ein ruhiger Moment sein, nicht zwischen Tür und Angel. Und das muss ganz vorsichtig, achtsam und gut formuliert werden. Außerdem sollte man die Reaktion seines Partners, egal wie diese ausfällt, in diesem Moment so hinnehmen, auch wenn sie sich in Trauer, Wut, Kränkung und Tränen äußert. Das darf so sein!

Ansonsten gibt es da aber keine Zauberformel oder eine bestimmte Wortwahl. Wichtig ist, dass man dabei bedenkt, wie der eigene Partner ist und was er braucht. Vielleicht ist sowas auch in der Paartherapie oder mit einer dritten Person gut.

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Was ich mir vorstellen könnte, ist, dass es noch mal schwerer ist, wenn sich der Partner in eine weitere Person verliebt hat und es nicht lediglich um Sex geht.

Ja, eine große Verletzung! Und die Person, die diese Verletzung erlebt hat, die entscheidet selber, ob sie diesen Schritt gehen möchte und bereit dazu ist, die Beziehung zu öffnen. Ich glaube aber, es ist auch verständlich, dass man erst mal gekränkt ist. Dafür braucht man dann auch das Verständnis vom Gegenüber. Das hat auch mit Verlustängsten zu tun. Man hat ja auch Angst, eventuell den anderen zu verlieren. Da spielt ganz viel mit rein und das ist dann auch ein Prozess, der dauert. Das ist richtige Beziehungsarbeit, das ist anstrengend, emotional und zerrt an den Kräften.

Ich könnte mir auch denken, dass in einer offenen Beziehung neben der Kommunikation und der eventuellen Eifersucht das Thema Vertrauen eine besondere Rolle spielt. Schließlich müssen beide davon ausgehen, dass sich an die abgesprochenen Regeln gehalten wird. Das stelle ich mir gar nicht so einfach vor.

Also wenn man die Beziehung öffnet, dann möchte man ja die Ursprungsbeziehung nicht aufgeben. Da sind Liebe, Zuneigung und Tiefe im Spiel und all das möchten die Partner nicht verlieren. Sonst könnte man sich ja auch trennen. Aus meiner Sicht ist in diesem Kontext Vertrauen total wichtig. Eine offene Beziehung klappt nur, wenn ich meinem Partner darin vertraue, dass er sich an die Regeln hält, dass er mit mir offen und ehrlich ist und mir Transparenz entgegenbringt. Da braucht es viel Verständnis und Vertrauen und so was wie einen Freifahrtschein gibt es sicher nicht. Dann geht's nach hinten los. Dann funktioniert so ein Modell nicht.

Sind Sie der Meinung, dass eine offene Beziehung möglicherweise einige Partnerschaften vor einer Trennung retten kann?

Das ist eine große Frage. Wenn ich darauf grob antworten kann, dann würde ich sagen, dass das durchaus der Fall sein kann. Allerdings trifft das nicht zu, wenn zwischen den Partnern bereits eine große Krise herrscht. Hier ist natürlich die Gefahr viel größer, dass man sich in eine Person, die hinzukommt, verliebt und da dann auch eine neue Beziehung entsteht.

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Also wenn ein Paar eine große Krise hat, dann ist es wichtig, auf die Themen zu schauen, die dafür verantwortlich sind und diese dann auch mutig anzugehen. Hier stellt sich dann die Frage, ob sie die Probleme bewältigen und klären und einen neuen Umgang damit finden können. Das wäre besser. Die Öffnung der Beziehung ist in diesem Fall eher nicht förderlich.

Ich habe vor einiger Zeit gelesen, dass sich vor allem jüngere Menschen in eine offene Beziehung begeben würden. Haben Sie auch die Erfahrung gemacht, dass eher jüngere Generationen den Wunsch haben, solch eine Beziehung zu führen?

Nein, ich denke, das kommt in allen Altersgruppen vor. Allerdings gibt es seit einiger Zeit den Trend, dass vermehrt darüber gesprochen wird – aber das eben eher in der jüngeren Generation. Man liest jetzt auch zum Beispiel viel über Polyamorie. Aber dennoch zieht sich die Idee, eine offene Beziehung zu führen, durch alle Altersklassen.

Liebe Frau Bielesch, ich bedanke mich für dieses aufschlussreiche und interessante Interview!

Beziehung ist farbenfroh und jeder soll das leben, was sich gut anfühlt und wenn das der Fall ist, dann ist doch alles gut, dann ist doch alles richtig!
Marga Bielesch
Sarah Morgenstern

Mein Fazit

Wie Frau Bielesch vertrete ich die Meinung, dass in Sachen Beziehung im Grunde nur eines zählt: Dass wir uns mit dem Modell, für das wir uns entschieden haben, wohlfühlen. Dabei spielen die Meinungen Außenstehender absolut keine Rolle. Wenn ihr also Lust habt, eure Beziehung zu öffnen, das für beide in Ordnung ist und ihr das genießt, dann steht dem Ganzen doch nichts im Weg. Ich wünsche euch auf jeden Fall ein erfülltes Liebesleben und viel Spaß beim Ausprobieren!

Sarah Morgenstern

Sex-Quiz: Wie gut kennst du dich mit Vögeln aus?

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