Neue Väter braucht das Land. Aber aktuell lassen die größtenteils noch auf sich warten. Collien Ulmen-Fernandes hat für das ZDF eine zweiteilige Doku zum Thema "Rabenväter oder Superdads" gedreht, in der fünf Väter aus ihrem sehr unterschiedlichen Alltag berichten. Außerdem kommen Expert*innen zu Wort, um einzuordnen, wo wir aktuell in der Väterforschung stehen und was sich ändern sollte. Wir haben die Schauspielerin und Moderatorin exklusiv interviewt.
Frau Ulmen-Ferndandes, wie hat sich Ihr Blick auf Väter durch die Recherche verändert?
Sehr! Wenn man anfängt sich mit diesem Thema zu beschäftigen, dann merkt man wie enorm wichtig die Väterforschung ist. Ich selbst setze mich ja schon seit Jahren für Gleichberechtigungsthemen ein und war, als die Redaktion das Thema angefragt hat, nicht vor Begeisterung vom Stuhl gefallen. Ich hatte ja das weibliche Pendant dazu schon gemacht. In der Recherche zum Thema und in der Auseinandersetzung mit der Väterforschung habe ich dann gemerkt, wie wichtig das Thema eigentlich ist.
Wenn wir eine echte und tatsächliche Gleichberechtigung wollen, dann müssen wir die Väter in den Blick nehmen. Da gibt es soviel spannende Studien und Zahlen dazu, wie wichtig es für Kinder ist, dass sie einen sich kümmernden Vater haben. Wenn man sieht, dass gerade mal 16 % der Männer in die Kategorie erziehender Vater fallen, dann merkt man, dass da noch deutlich Luft nach oben ist. Und wir arbeiten eben mit solchen Dokumentationen daran, dass sich wirklich nachhaltig etwas verändert.
Ich bin ehrlich, als ich den Titel der Sendung "Rabenväter oder Superdads" gelesen habe, habe ich mit den Augen gerollt. "Wieso muss es denn immer so viel Klischee sein", dachte ich. Dann war ich aber ganz angenehm überrascht, weil die Doku ja in die Tiefe geht.
Was diese Begrifflichkeiten angeht, finde ich vor allem interessant, wie sie je nach Geschlecht unterschiedlich konnotiert sind. In der Doku gibt es eine Grafik von Katja Berlin, die das ganz schön illustriert. Wie nennt man eine Mutter die arbeiten geht? Rabenmutter. Und einen Vater? Vater halt. Väter bekommen das Etikett Superdad sehr schnell verpasst, während sich kümmernde Frauen einfach ganz normale Mütter sind.
Zum Superdad eine persönliche Anekdote: Als mein Kind auf die Welt kam, habe ich einmal pro Woche eine Sendung moderiert und war für drei Stunden aus dem Haus. In der Zeit hat mein Mann das Kind mit in seine Produktionsfirma genommen und wurde quasi mit Konfetti empfangen. "Ein Vater, der sich um sein Kind kümmert: Meeeega!" Bei Frauen wird das als ganz normal angesehen. Für die Sendung fand ich es deswegen spannend mit diesen Begriffen zu spielen und zu zeigen, wie unterschiedlich sie besetzt sind.
In der Doku besuchen Sie einen "Vater Start up Kurs" was im Prinzip ein Geburtsvorbereitungskurs für Männer ist. Brauchen Väter wirklich so eine andere Ansprache? Frauen gehen in den Geburtsvorbereitungskurs, Männer in den Väter-Start up Kurs?
Ich weiß nicht, warum das ein Start up Kurs und kein Geburtsvorbereitungskurs ist. Das ist eine interessante Frage, dazu habe ich mir vorher keine Gedanken gemacht. Es kann sein, dass es diese Begrifflichkeit aus dem Unternehmertum braucht, damit die Väter das Gefühl haben: Wir haben ganz schön was geleistet. Auch wenn, wenn wir mal ehrlich sind, die Väter während der Geburt ja eher wenig zu tun haben. Das danach ist viel wichtiger.
“Wer bringt uns denn bei, wie Papa sein geht”, sagt einer der Kursleiter. Müttern bringt das doch aber auch keiner bei, oder?
Ja, aber für Frauen gibt es mehr Angebote. Wenn man sich in den Bücherregalen umschaut, dann gibt es viel mehr Ratgeber für Frauen. Frauen, die kommunizieren, dass sie schwanger sind, werden bombardiert mit diesen Büchern. Ich habe so viele bekommen, die habe ich in neun Monaten gar nicht lesen können. Viele sehen aber nicht, dass der Vater sich eben auch vorbereiten muss. Insofern finde ich es schon ganz gut, wenn es Angebote gibt, die sich an die Väter richten, damit sie verstehen, dass das etwas ist, was sie auch betrifft.
Es ist ja auch ein Problem, dass viele in den ersten Monaten zu Assistenten ihrer Partnerinnen werden und nur auf Zuruf agieren, statt aktive Väter zu sein. Jesper Juul hat dazu mal in Richtung der Mütter gesagt "Fahren Sie in den Urlaub! So können die Väter lernen, allein zuständig zu sein und nicht nur vorgefertigte Listen abzuarbeiten. Ich glaube, darauf sollte man die Väter vorbereiten und sie stärker in die Verantwortung nehmen.
Aber Väter müssen auch in die Verantwortung gelassen werden. Man muss als Frau aushalten, dass es eben nicht immer läuft wie man selbst es möchte. Ich bin kein Fan von "Maternal Gatekeeping", weil das meiner Meinung nach oft als Ausrede benutzt wird, dass Väter sich nicht kümmern.
Ja, absolut. Da gab es ja diesen einen Spiegel-Artikel der den Eindruck erweckte, dass das ein Massenphänomen sei. Das hat Prof. Johanna Possinger in unserer Sendung gut auf den Punkt gebracht, dass das eben nur zu 20 % stattfindet. Zu 80 % ist das also nicht der Grund, warum die Väter nicht aktiv sind.
Aber sind 20 % nicht immer noch ganz schön viel?
Wir alle kennen doch Mütter, bei denen es dann z.B. bei der Einschlafbetreuung des Papas nicht gleich klappt und dann übernehmen sie das sofort wieder. Einer der Experten hat geraten, gerade dann, wenn es nicht gut klappt, sollten Mütter den Impuls haben zu sagen: Jetzt erst recht! Jetzt erst recht bringst du das Kind jeden Abend ins Bett bis es besser klappt. Ich glaube, dass diese 20 % das lernen sollten, auszuhalten.
Was war der größte Aha-Moment beim Drehen?
Die Aha-Momente gab es eher in der Vorbereitung, wenn man sich mit den ganzen Studien befasst. Ich diskutiere seitdem viel mit Männern über die Sache mit der Naturhaftigkeit. Von wegen: Die Mutter kann sich einfach besser um die Kinder kümmern, als der Vater, ist halt eben schon von Natur aus so. Ist es nicht. Daran sieht man doch, wie wichtig die Väterforschung ist. Es braucht den Blick auf die Väter.
Wenn wir Gleichberechtigung wollen, dann müssen wir auch wissen: Warum braucht es eigentlich Väter? Welche Defizite haben Kinder die vaterlos aufgewachsen sind? Und die haben sie, deshalb müssen wir ja anfangen die Väter sehr viel stärker in die Verantwortung zu nehmen.
In der Dokumentation geht es auch um Gewalt gegen Kinder, die sicher nicht nur von Vätern ausgeht. Trotzdem werden Väter öfter als Drohkulisse benutzt. Warum?
Wir haben in der Sendung auch auf die Historie geschaut. Welche Vaterbilder gab es früher, wofür war der Vater zuständig? Das ist ein sehr altes Bild, dieses “Wenn dein Vater nach Hause kommt ..." Es ging darum zu schauen wie sich das Vaterbild weiterentwickelt hat. Was ich wirklich interessant finde ist, wie viele Männer noch immer Angst davor haben “zu weiblich” rüberzukommen. Marius, der Hausmann in unserer Doku, hat erzählt, dass er immer wieder von Vätern zur Seite genommen wird, er solle ja nicht verweiblichen. Ist doch interessant wie viele sofort Probleme mit ihrem Männlichkeitsbild haben, sobald es darum geht, sich um Kinder zu kümmern.
Was frustriert nach wie vor am meisten in Bezug auf Väter?
Dass es nur 16 % sind. Das fand ich doch sehr schockierend. Dass gerade mal 16 % in die Kategorie erziehender Vater fallen. Dieses Bild des Kinderwagen schiebenden Vaters, das wird so aufgebauscht. Wenn ich vorher hätte eine Zahl schätzen müssen, wäre ich irgendwo bei 30-35 % gewesen. Dass nur 16 % in die Kategorie aktiver Vater fallen, fand ich doch wahnsinnig schockierend. Das liegt sicher auch an den wenigen Superdads, die sich so abfeiern lassen dafür, dass sie den Kinderwagen schieben. In der Wahrnehmung wird das dann so riesengroß, obwohl es in der breiten Masse gar nicht der Fall ist.
Was muss sich für gleichberechtigte Elternschaft ändern? Es wird ja oft so dargestellt, als sei es ein individuelles, privates Problem der jeweiligen Familie.
Es gibt vielfältige Faktoren. Auf der einen Seite die Männlich- und Weiblichkeitsbilder. Dazu haben wir ja auch eine Doku gemacht, “no more Boys and Girls”, in der wir uns ganz intensiv damit auseinandergesetzt haben wie Männer und Frauen in den Medien, vor allem in denen für Kinder dargestellt werden. Wir müssen aufpassen, welche Rollenbilder wir unseren Kindern vermitteln.
Auf der anderen Seite ist es ja so, die Frau verdient oft weniger, also verzichtet man eher auf ihr Gehalt. Wenn es aber irgendwann so ist, dass Männer und Frauen gleichermaßen ausfallen können wegen der Kinder, dann ist es auch kein größeres Risiko mehr für einen Arbeitgeber eine Frau einzustellen. Auch in Sachen Elternzeit von Vätern können wir uns in anderen Ländern noch viel abschauen.
Aber ist dann Vaterschaftsurlaub eine gute Idee? Warum brauchen Väter eine Extraeinladung? Wieso heißt das überhaupt Urlaub? Und wieso sind es die ersten zwei Wochen?
Zwei Wochen ist echt nix, wenn es anfängt zu nerven, ist man auch schon wieder weg. Das bringt nichts, da muss sich das mit dem Stillen erst mal einpendeln, da kann der Papa ja auch eher weniger machen.
Es ist wichtig, dass Väter den Alltag mitnehmen. Dass sie die Erschöpfung mitnehmen. Wenn die Väter dem Arbeitgeber zeigen, ich bin genauso dafür zuständig, dann ist es auch später nicht mehr merkwürdig, wenn der Papa sagt: “Ich muss nach Hause, mein Kind ist krank”. Weil man den Vater dann schon in dieser Zuständigkeit gesehen hat.
Was mich ein bisschen stört sind so Aussagen wie: “Mein Arbeitgeber hat da komisch drauf reagiert als ich nach Elternzeit gefragt hab, darum habe ich es nun sein gelassen”. Das ist ja bei uns Frauen genauso, wenn wir beruflich stark involviert sind, dann müssen wir uns auch einige Dinge anhören. Diesen Gegenwind muss man einfach aushalten können.
Rabenväter oder Super Dads
Die zweiteilige Doku "Rabenväter oder Super Dads" läuft am 24. März ab 20:15 Uhr bei ZDF neo. Wenn ihr lieber online schauen wollt, ab 10 Uhr am 24. März sind die zwei Folgen auch in der ZDF Mediathek zu finden und lassen sich dort kostenfrei und rund um die Uhr streamen.
Bildquelle: ZDF; Marius Becker