Die Wahlprogramme der demokratischen Parteien zur vorgezogenen Bundestagswahl 2025 zeigen Überraschendes: einen starken Fokus auf Familienpolitik. Eigentlich ein gutes Zeichen – könnte man meinen. Aber Skepsis ist angebracht: Leere Wahl-Versprechungen oder doch mehr? Unsere Autorin Natascha Sagorski wägt ab.
Dass die ersten Auszüge des SPD-Wahlprogramms einen klaren Schwerpunkt auf Familienpolitik haben, ist bemerkenswert. Und, klar, ein gutes Zeichen. Gleichzeitig macht es uns Eltern aber auch misstrauisch: Woher kommt dieses Bekenntnis zum Wohl der Familien? Wenn Familien und Kinder ach so wichtig sind, wieso wurden in den letzten Monaten so wenige familienpolitischen Maßnahmen angegangen?
Skepsis ist angebracht und nachvollziehbar. Wir alle kennen den Frust über die unzureichende Priorisierung von familienpolitischen Themen der letzten Jahre (oder soll ich Jahrzehnte schreiben?!). Aber was ist die Alternative? Wahlprogramme ohne familienpolitische Inhalte? Ist ein Wahlprogramm, das keine oder wenig ambitionierte familienpolitischen Maßnahmen enthält, ein besseres, weil glaubwürdigeres? Nein Pascal, ich denke nicht.
Eine Partei, die schon in ihrem Wahlprogramm keinen Wert auf Familienpolitik legt, wird nach der Wahl sicherlich nicht plötzlich ein Erweckungserlebnis haben, und eine familienpolitische Maßnahme nach der anderen angehen.
Für mich ganz persönlich war die Meldung auf T-Online mit der Vorschau auf das Wahlprogramm der SPD ein großer Grund zur Freude. Denn mein Herzensprojekt, der gestaffelte Mutterschutz nach Fehlgeburten, hat dort einen wichtigen Platz bekommen. Aber auch andere zentrale familienpolitische Forderungen, von denen wir viele mit anderen Petitions-Starterinnen bei unseren Familienketten gestellt haben, sind im Programm vertreten. Unter anderem:
- der Mutterschutz für Selbstständige
- eine Erhöhung und Verlängerung des Elterngelds
- die Anhebung des Elterngeld-Satzes auf 80 % des Nettoeinkommens
Wichtiger Side-Effect der Familienthemen im Wahlprogramm
Es gibt sehr viele Vorurteile gegenüber BerufspolitikerInnen; manche zu Recht, viele auch nicht. Ich jedenfalls durfte in den vergangenen Jahren sehr viele engagierte FamilienpolitikerInnen in demokratischen Parteien kennenlernen, die sich leidenschaftlich für Familien und familienpolitische Themen einsetzen. Nur leider bekommen diese mit ihren Themen meist schon in den eigenen Fraktionen viel zu wenig Gehör. Andere Ressorts, wie zum Beispiel Wirtschaft, Finanzen oder Verkehr, sind immer vermeintlich wichtiger.
Ein von der Parteiführung getragenes Wahlprogramm mit familienpolitischem Schwerpunkt hilft Bedeutung und Sichtbarkeit zu schaffen. Darauf können sich dann nicht nur wir WählerInnen berufen, sondern auch diese FamilienpolitikerInnen – und so „ihre“ Themen mit viel mehr Rückhalt in den Parteien vorantreiben.
Renaissance der Familienpolitik? Schwerpunkt statt Gedöns.
Oft hört man den Spruch „Wahlen gewinnt man nur mit RentnerInnen“, denn die sind uns Familien als Wählergruppe zahlenmäßig deutlich überlegen. Und die Ansicht, Familienpolitik sei "Gedöns", das keine Wahl gewinnt, ist unter PolitikerInnen weit verbreitet. Ein Wahlprogramm zur Bundestagswahl, mit einem familienpolitischem Schwerpunkt, ist also ziemlich mutig – aber auch absolut zeitgemäß. Denn eine Renaissance der Familienpolitik ist dringend notwendig. Die Einführung des Elterngelds war eine große Leistung, aber sie ist lange her und die entsprechenden Anpassungen sind überfällig.
Deswegen bin ich wirklich froh über jedes Wahlprogramm einer demokratischen Partei mit familienpolitischem Schwerpunkt. Natürlich wird keines der Wahlprogramme 1:1 umgesetzt. Aber je größer die familienpolitische Schnittmenge in den demokratischen Parteien ist, desto realistischer ist auch die Chance auf eine Legislatur mit vielen familienpolitischen Gesetzen, die unser (Familien-)Leben besser machen.
- Je mehr demokratische Parteien einen starken Fokus auf Familienpolitik in ihren Wahlprogrammen verankern, desto höher die Chance, dass Familienthemen auch in potenziellen Koalitionsverhandlung eine Rolle spielen werden.
- Denn je mehr Parteien in ihren Körbchen, mit denen sie in Regierungsverhandlungen gehen, viele familienpolitische Forderungen liegen haben, desto mehr davon werden am Ende auch im Koalitionsvertrag landen.
- Und je mehr davon in einem solchen Vertrag landen, desto größer ist die Chance darauf, dass am Ende auch etwas davon umgesetzt wird. (Wie wir leider wissen, wird bei Weitem nicht alles umgesetzt, was mal in den Koalitionsvertrag geschrieben wurde).
Ambitionierte familienpolitische Themen im Wahlkampf machen noch keine Renaissance, aber eins ist klar: Wahlprogramme, in denen unsere Anliegen als Familien nur eine untergeordnete Rolle spielen, werden sicherlich keine große Veränderung einläuten.
Das könnt ihr tun, um Einfluss auf die Wahlprogramme der Parteien zu nehmen
Schreibt eure Bundestagsabgeordneten an und bittet sie, sich dafür einzusetzen, dass Themen wie das Elterngeld, der Mutterschutz, die Familienstartzeit, die Versorgungslage von KiTas und Schulen, usw. Gewicht in ihren Parteien bekommen.
Geht zu Wahlkampfveranstaltungen und sprecht genau diese Themen immer wieder an. Gerade gibt’s davon eine Menge – und nicht selten auch ein Gläschen kostenlosen Glühwein ☺
Unterstützt und teilt Initiativen und Petitionen zu familienpolitischen Themen und helft ihnen so dabei, Reichsweite für Familienpolitik zu generieren.