Letztens an Omas Bücherregal: „Diese alten Kinderbücher, die kann man doch nicht wegschmeißen. Die haben wir euch früher immer so gerne vorgelesen. Die kannst du doch deinen Kindern vorlesen …“ Ähm, Räuspern meinerseits – ganz ehrlich? Nein! Warum ich keine Lust mehr habe auf Uralt-Kinderbücher aus vergangenen Zeiten mit ihren verstaubten Formulierungen und fragwürdigen Botschaften. Mein Plädoyer für einen neuen Kinderbuch-Kanon!
"Pippi Langstrumpf", "Die Kinder aus Bullerbü", "Jim Knopf" und "Der Regenbogenfisch" tauchen hartnäckig in fast jeder Empfehlungsliste für Kinderbücher auf. Sind sie denn eigentlich wirklich so beliebt bei Kindern, oder vielleicht doch eher bei ihren privilegierten weißen Eltern, die vermutlich das Nostalgische daran lieben, die Erinnerung an die eigene, unbeschwerte Kindheit?
Die Vorstellung, dass die eigenen Kinder rotbäckig und mehlbestaubt Ringelreihen um den Weihnachtsbaum tanzen wie in Bullerbü, ist einfach so herrlich-idyllisch und hat vielleicht so manchen Influencer dazu bewegt, nach Schweden auszuwandern, um dort süße Fotos der Kinder in Blümchenkleidern am Midsommar zu machen. Seufz.
Aber es ist eben nicht alles Bullerbü, die Fotos auf Insta sowieso gestellt, und die alten Bücher sind nicht mehr zeitgemäß. Das zeigt auch die öffentliche „Kinderbuchdebatte“ um problematische Inhalte in den Titeln von z. B. Astrid Lindgren, Michael Ende oder Ottfried Preußler. Denn viele dieser Klassiker haben ein Problem.
Viele Kinderbuchklassiker haben ein Problem
Und das Problem heißt: Rassismus. Wir stoßen darin immer wieder auf unangemessenes Wording, stereotype Beschreibungen oder überzeichnete Illustrationen. 2024 entschied sich deshalb der Thienemann-Verlag dazu, die Bilder und Sprache in den Neuausgaben von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ zu ändern. In den „Pippi“-Büchern Astrid Lindgrens wurde Kapitän Langstrumpf 2009 zum „Südseekönig“ umbenannt.
Trotzdem existieren diese alten Ausgaben noch – wenn nicht in unseren Köpfen, dann in Omas Bücherregal. Rassismus ist eines ihrer großen Probleme. Aber auch fragwürdige Botschaften finden wir darin zuhauf.
Checkt ihr den Regenbogenfisch? Ich nicht!
Letztens hab ich bei TikTok eine Kritik zum Kinderbuch „Der Regenbogenfisch“ gesehen und ganz ehrlich: Ich hatte schon immer Probleme mit diesem Buch.
Worum es geht: Der Regenbogenfisch ist wunderschön, doch einsam, weil die anderen Fische neidisch auf seine glitzernden Schuppen sind. Erst als er diese verschenkt und sich damit optisch anpasst, wird er in die Gemeinschaft aufgenommen. Eine unschuldige Geschichte über Teilen und Freundschaft – oder doch nicht?
Die Botschaft, die bei mir hängen bleibt, ist eine andere: Du bist nur dann liebenswert, wenn du deine Besonderheit aufgibst. Wer sich abhebt, wird ausgeschlossen. Nur Anpassung bringt Anerkennung. Ist das die Lektion, die ich meinen Kindern mitgeben will? Nö!
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Ich vermute, dass „Der Regenbogenfisch“ aufgrund seiner wirklich wunderschönen Illustrationen so beliebt ist. Auch in unserem Regal glitzerte das Buch bis vor kurzem. Aber genau beim Glitzerthema liegt halt auch das Problem: Der Regenbogenfisch soll sich die Glitzerschuppen ausreißen, damit die anderen ihn mögen? Wird hier wirklich das Teilen gefördert, oder lernen Kinder so nicht viel eher, dass sie ihre Einzigartigkeit opfern müssen, um dazuzugehören. Eine toxische Botschaft.
Es kommt nicht aufs Äußere an
Ich möchte meinen Kindern Selbstbewusstsein vermitteln. Dass sie sich nicht kleiner machen oder ändern müssen, um anderen zu gefallen und dass wahre Freundschaft nicht auf dem Preis ihrer (glitzernden) Individualität basiert. Deshalb flog der Regenbogenfisch bei uns aus dem Regal.
Überholte Geschlechterklischees überall
Ausgerissene Glitzerschuppen sind nicht die einzige Red Flag im Bücherregal: Wenn ich mit meinen Kids die Bücherei besuche, verlassen wir sie mit einem bunt gemischten Stapel an Lesestoff. Zu Hause angekommen, passiert es beim Vorlesen leider viel zu oft, dass ich über Passagen stolpere, die ich einfach nicht vorlesen will. Ein paar Beispiele gefällig?
- „Mama stand gerade vorm Spiegel und tuschte sich die Wimpern“ (im Ernst jetzt?)
- Oder: „Für Mädchen ist das zu schwer.“
- Oder: „Alle Mädchen sind doof. Sie kichern über alles und nichts. Und wenn du nicht willst, was sie wollen, weinen sie.“
- Oder eben: „die Taka-Tuka-Kinder“, die im Gegensatz zu den „weißen Kindern“ ein bisschen dumm sind.
Ich denke mir beim Lesen dann schnell was Neues aus, weil ich meinen Kindern Rollenklischees und Rassismus nicht mitgeben möchte, ärgere mich aber über solche Formulierungen, die meiner Meinung nach nichts in Kinderbüchern zu suchen haben. Diese alten Klassiker wie „Pippi“ oder „Bullerbü“ gehören für mich entweder ausgemistet oder zurück in die sprichwörtliche Mottenkiste. Warum lesen wir die überhaupt noch vor?
Vorsicht bei der Buchauswahl: Kinder lernen durch Vorlesen
Es ist nichts Verwerfliches daran, dass eine Mama vor dem Spiegel steht und sich die Wimpern tuscht. Es gilt allerdings als erwiesen, dass Kinder durch Vorgelesenes lernen und von solchen Bildern beeinflusst werden. Meine Kinder sollen jedenfalls nicht lernen, dass es nichts Dringenderes gibt, als auf unser Äußeres zu achten oder dass Kinder aus anderen Herkunftsländern anders sind. Ich wünsche mir für meine Kinder eine Gesellschaft, in der Mädchen alles können, was Jungs auch können und alle Menschen gleichgestellt sind.
Unpopular Opinion: Ich mag Pippi Langstrumpf nicht!
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Es heißt immer, man muss die Bücher in ihrem Kontext (der 40er, 50er und 60er Jahre) sehen, und ich möchte niemanden verteufeln, der Spaß am Vorlesen von „Pippi Langstrumpf“ hat – (immerhin gilt Pippi auch als Feministin, was Gutes). Ich persönlich fand sie schon als Kind „irgendwie doof“, habe mich aber z. B. oft nach Bullerbü oder Saltkrokan geträumt, in diese heile Welt aus schwedischen Fjorden und Abenteuern.
Anti-rassistische Kinderbuch-Alternativen
Das ist per se auch nicht schlecht, aber heute gibt es so viele tolle anti-rassistische und anti-diskriminierende Bücher für Kinder, die Diversität wie selbstverständlich thematisieren. Es ist schade, dass es wenige dieser Bücher bisher in unsere Leihbüchereien, Empfehlungslisten, Kitas oder Klassenzimmer geschafft haben.
Mit Tebalou gibt es sogar einen ganzen Shop, der sich immer aktuell der neuen Kinderbuchliteratur widmet, die auch zu unserer Gegenwart passt.
Luisa aus „Encanto“ ist die bessere Pippi
Zugegeben, bei uns zu Hause ist noch viel Luft nach oben, z. B. schauen wir Disney-Filme wie „Aristocats“ oder „Arielle“, die definitiv problematische Inhalte haben!
Disney schickt eine Warnung voran, um sich für einen kritischen Umgang mit den Inhalten auszusprechen: „Dieses Programm enthält negative Darstellungen und/oder eine nicht-korrekte Behandlung von Menschen oder Kulturen. Diese Stereotype waren damals falsch und sind es noch heute.“
Wichtig ist es mir, nach dem Schauen gemeinsam mit den Kindern zu besprechen, warum diese Stereotype und gewisse Ausdrücke nicht okay oder lustig sind. In den neuen Filmen macht Disney das sehr viel besser. In „Encanto“ oder „Vaiana“ z. B. begegnen uns entschlossene Heldinnen mit Stärken und Schwächen, die allen Kids hervorragende Vorbilder liefern. Das ist zumindest ein Anfang.
Um welche gehypten Kinderbücher oder -filme macht ihr lieber einen Bogen? Schreibt mir warum, an gesine@familie.de. Meine Kollegin Charoline z.B. sagt „Nein“ zum allseits beliebten „Neinhorn“, weil das mürrische Fabelwesen fast ihren Familienfrieden gefährdet hätte.
Ist der Hype wirklich real? Warum diese Produkte bei uns total unbeliebt sind: