Mit Kindern über Rassismus reden, ist eigentlich Quatsch, oder? Kinder sehen doch keine Hautfarbe, heißt es immer. Unsere Kolumnistin findet: Wir Eltern müssen nicht nur über Rassismus reden, wir müssen unseren Kindern das auch vorleben.
Gegen Rassismus positionieren
Eigentlich bin ich die Falsche für diese Kolumne. Denn ich bin weiß und habe noch nie Rassismus erlebt. Ich habe Freund*innen, die aufgrund ihrer Hautfarbe angegangen wurden, aber Rassismus mitzuerleben ist nicht das gleiche, wie ihm tagtäglich ausgesetzt zu sein.
Ich bin mir dessen durchaus bewusst und finde dennoch, dass es wichtig ist, dass auch weiße Menschen sich medial positionieren müssen. Es ist schlicht auch unfair, zu verlangen, dass die Aufklärungsarbeit (die seit Jahren betrieben wird) weiterhin nur von Menschen mit dunkler Haut vorangetrieben wird. Wir alle sind Menschen und wir müssen vereint gegen Rassismus laut werden.
Mehr als ein Hashtag
Was ich auch dringend loswerden muss: Gegen Rassismus sein ist keine einmalige Sache. Es ist kein Hashtag, weil das gerade alle machen. Es ist keine schwarze Kachel, die mal eben schnell auf Instagram gepostet wird. Ich weiß, dass auch familie.de sich beim #blackouttuesday positioniert hat. Das ist für den Moment sicher ok, weil es zeigt, dass man Anteil nimmt. Aber meiner Meinung nach muss Anti-Rassismus weitergehen. Es bedarf einer dauernden Auseinandersetzung mit dem Thema und ein Anerkennen von Privilegien, die Menschen nicht-weißer Hautfarbe oft nicht haben.
Mit Kindern über Rassismus reden
Im Vorfeld dieser Kolumne habe ich in den sozialen Medien gefragt, wie andere Eltern mit ihren Kindern über Rassismus sprechen. Die überwiegende Mehrzahl sagte: Gar nicht, meine Kinder machen keinen Unterschied und sehen keine Hautfarben, sie sehen Menschen. Das klingt so gut, oder? Wenn das in vielen Familien so ist, dann haben wir doch gar kein Rassismusproblem.
Es gibt auch immer wieder diese Fotos, in denen ein Kind mit heller Haut ein Kind mit dunkler Haut umarmt und das wird untertitelt mit: Kinder sehen keinen Unterschied. Davon abgesehen, dass ich mich frage, wieso eigentlich das hellhäutige Kind immer das ist, auf den diese Aussage gemünzt ist, ist diese Behauptung auch nur in Teilen richtig.
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Kinder machen keinen Unterschied?
Ganz ehrlich, wenn all unsere Kinder keine Unterschiede sehen und alle Menschen gleich behandeln, dann wäre Rassismus doch schon ausgestorben. Wir selbst heften uns doch alle auf die Brust, nicht rassistisch zu sein. Wir grenzen nicht aus, wir würden was sagen, wenn wir Rassismus mitbekommen, wir sind die Guten. Aber wieso geht der Alltagsrassismus dann weiter? Wieso berichten nach wie vor Menschen mit dunkler Haut von Abwertung, Ausgrenzung, übergriffigem Verhalten?
Weil wir eben gar nicht so gut sind, wie wir glauben. Weil wir unbewusst eben doch ausgrenzen. Die meisten Kinder nehmen natürlich wahr, wenn Haare, Haut oder auch nur Augenfarbe anders sind. Sie bewerten das erst mal nicht, für sie ist das, was zählt, ob sie das andere Kind mögen oder nicht. Aber Kinder sind schlau, sie bekommen natürlich mit, wie Erwachsene sich gegenüber ihnen und anderen verhalten. Und wenn sie merken, dass die Freundin mit den krausen Haaren oder der Freund mit der dunkleren Haut anders behandelt wird, dann fällt ihnen das auf. Und, ohne das wir das wollen, übernehmen sie diese Einstellung.
Kinder erkennen Rassismus
Sie merken, dass mit dem Mädchen mit den schönen dunklen Augen überdeutlich gesprochen wird, als würde sie schlecht Deutsch verstehen, was totaler Quatsch ist, weil sie auch in Deutschland geboren wurde. Sie hören, wie der Junge mit der Kappe aggressiver aufgefordert wird, das Spielzeug, das ihm nicht gehört wieder wegzulegen. Und das merken sie sich. Kinder mit weißer Hautfarbe lernen, dass sie in der gesellschaftlichen Hierarchie, in der wir alle uns befinden, weiter oben stehen. Sie können das nicht benennen, oft genug können Erwachsene das ja auch nicht, aber sie erleben es. Und sie ordnen sich dann ein.
Eigene Sprachlosigkeit thematisieren
Das eine ist also, dass ihr darauf achten müsst, wie ihr mit anderen Kindern sprecht. Ich gestehe, dass ich immer wieder auch meine eigene Sprachlosigkeit beim Thema Rassismus deutlich mache. Sage ich politisch und ethisch korrekt jetzt Schwarze, schwarze Menschen, Menschen mit dunkler Haut oder People of Colour (kurz PoC)?
Es gibt einige Tabus, die wir alle kennen, aber darüber hinaus? Die eigene Sprachlosigkeit gegenüber euren Kindern zugeben, gemeinsam nach Lösungen suchen und nachfragen, das ist ein Schlüssel gegen Rassismus. Denn ihr öffnet euch damit ein Stück, eure Kinder sehen, dass niemand alles weiß, und, dass gegen Sprachlosigkeit immer noch ein Nachfragen (ohne Bedrängen!) hilft.
Niemals rassistisch äußern
Was klar sein sollte, redet nicht von süßen "Schokobabys" oder hübschen "Mischlingskindern", nicht vor euren Kindern und auch sonst niemals! Das ist respektlos, verletzend und ehrlich gesagt einfach rassistisch. Kinder sind Kinder, ihre Hautfarbe spielt keine Rolle. Und nein, da gibt es keine zwei Meinungen und auch kein "Ich meine das doch aber total nett". Lasst es einfach und gewöhnt euren Kindern auch niemals an, dass solche Rassismen ok wären.
Diversität vorleben
Aber sagt mal, spielt euer Kind, wenn es eine helle Hautfarbe hat, mit einer Puppe, die dunklere Haut hat? Wie viele Serien oder Trickfilme kennen eure Kinder, in denen ein Kind mit dunkler Haut die Hauptrolle spielt und die Hautfarbe überhaupt kein Thema ist? Welche Filme und Serien kennt ihr selbst, in denen Menschen mit dunkler Haut nicht den Angreifer / die Besucherin aus einem anderen Land / den Geflüchteten oder die Putzfrau spielen? In welchen Medien finden Menschen aller Hautfarben statt, ohne, dass das überhaupt thematisiert wird?
Medien sind oft rassistisch
"Aber ich bin doch nicht schuld daran, ich mach doch die Medien gar nicht", kommt jetzt sicher von einigen. Na ja, irgendwie schon. Denn wir alle haben nichts dagegen unternommen, dass sich Klischees weiter verfestigen. Bei "Bibi Blocksberg", "Benjamin Blümchen", "Ritter Rost" oder "Peppa Wutz" ist die Welt sehr weiß.
Hier mal ein Kind mit Wurzeln in Italien, da mal ein Junge aus Ungarn, das war es mit der Diversität. Das spiegelt für viele von uns ja auch die Realität wieder, nicht jeder hat im eigenen Freundeskreis Menschen unterschiedlicher Hautfarben. Und weil das so ist, ist es unsere Aufgabe als Elternteil, die Diversität ins Kinderzimmer zu holen.
Wir schauen zum Beispiel "Magie in Motown", eine Serie auf Netflix, in der die Hautfarbe der Kinder überhaupt kein Thema ist (und ihr einen Ohrwurm nach dem nächsten bekommt, wegen der tollen Musik). Auch Schloss Einstein oder die Pfefferkörner bieten sich für ältere Kinder an.
Anti-Rassismus vorleben
Ein Buch, das ich euch ans Herz legen kann, ist "Du gehörst dazu: Das große Buch der Familie" . Wir haben es zur Geburt meines zweiten Kindes geschenkt bekommen und blättern immer wieder darin herum und erfreuen uns an der Unterschiedlichkeit von Familien. Solche Bücher können Gesprächsöffner sein, für ganz viele Themen, die euren Nachwuchs beschäftigen.
Diverse Kinderbücher
Kinder lernen durch Vorleben, weswegen ist es elementar, dass ihr, gerade wenn sie klein sind, euch die Mühe macht Kinderbücher zu besorgen, die eine diverse Gesellschaft zeigen. Es sollte in Kinderbüchern eigentlich normal sein, dass Kinder mit heller und dunkler Haut miteinander spielen, dass die Hautfarbe überhaupt kein Thema ist. Schaut mit den älteren Kindern bewusst nach anderen Kindern, die als Vorbilder taugen, ohne, dass Hautfarbe eine Rolle spielt.
Das ist manchmal schwierig, auch der Kinderbuchmarkt ist noch nicht so weit, dass Rassismus hier kein Thema ist. Aber es gibt ein paar gute Webseiten, beispielsweise tebalou oder Diversity Spielzeug, die euch bei der Suche unterstützen und ein tolles Angebot haben.
Mit Kindern übers Anfassen sprechen
Eingangs schrieb ich, dass ich noch nie Rassismus erlebt habe, und das stimmt natürlich. Aber ich weiß, wie es ist, wenn man ungefragt (an den Haaren) angefasst wird. Es ist eine absolute Unverschämtheit und verletzt Menschen in ihrer Würde. Bringt euren Kindern bei, niemals andere Menschen einfach anzufassen. Ihr wollt das nicht für euren Nachwuchs, dann gilt hier gleiches Recht für alle. Egal wie interessant die andere Hautfarbe ist, egal wie hübsch eure Kinder die Frisur des Jungen neben sich finden, einfach anfassen ist tabu.
Für Eltern sollte das sowieso klar sein, aber bringt euren Kindern bei, dass ein Ablecken von dunkler Haut rassistisch ist. Auch das Schnuppern an dunkler Haut (oder an der eigenen Hand, nachdem man jemanden berührt hat) ist rassistisch. Kindliche Neugier ist etwas ganz wunderbares und kann Welten öffnen. Aber sprecht darüber, bevor eure Kinder einen Menschen mit dunkler Hautfarbe abschnüffeln oder anlecken, weil sie glauben, der- oder diejenige schmecke nach Schokolade.
Wir sind alle Menschen!
Wir sind alle Menschen, unser gesamter Innenaufbau ist gleich. Nur die äußere Hautschicht unterscheidet uns. Wir alle haben Darm und Nieren und Leber und ein Herz.
Und das Herz, das für alle Menschen, egal welcher Hautfarbe schlägt, das ist es, was den Unterschied macht.
Wenn wir mit unseren Kindern immer wieder über Rassismus sprechen, wenn wir ihnen Anti-Rassismus vorleben, dann wird sich das in Herz und Kopf festsetzen und über die Zeit Rassismus wirklich ausrotten können. Aber wie schon Goethe sagte: "Es ist nicht genug zu wissen, man muss es auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun".
Setzen wir uns gemeinsam gegen Rassismus ein und fangen wir alle in unseren eigenen Familien an.
Mit diesen Kinderbüchern, die Diversität zeigen, könnt ihr schon euren Kids die Themen Toleranz und Vielfalt etwas näher bringen:
Wir müssen uns die Mühe machen, andere kennenzulernen.
Meine Kinder haben viele Fragen. Und ich natürlich nicht alle Antworten. Aber das, was ich nicht weiß, dass thematisiere ich. Und so lernen wir gemeinsam dazu. Wir haben einen bunten Freundeskreis, die Kinder haben mit sehr vielen unterschiedlichen Kulturen Kontakt, das ist das große Glück in Berlin. Manche Kinder mögen sie, andere nicht so sehr. Das ist ok, niemand muss jemanden nur aufgrund der Hautfarbe mögen. Aber sie müssen sich wenigstens die Mühe machen, den oder die anderen kennenzulernen.