Im Rahmen der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD hört man aktuell immer wieder einen Begriff: "Mütterrente"! Geld für Mütter klingt ja erst mal durchweg positiv. Aber, was genau ist denn eigentlich diese "Mütterrente", wer bekommt sie und was ist daran so ungerecht? Unsere Kolumnistin Natascha Sagorski hat sich das für uns mal genauer angeschaut – und sich beim Zusammenfassen ganz schön in Rage geschrieben.
An der Mütterrente hat aktuell fast jeder was auszusetzen: sie sei ein teures Steuergeschenk für die eigene Klientel, ist zu hören; man wolle 'Steuergeld verschleudern' schreibt die FAZ und die Junge Union kritisiert die Ausweitung der Mütterrente als "fatales Signal". Um zu verstehen, worum es bei der Mütterrente wirklich geht, muss man ein wenig ausholen und sich Schritt für Schritt rantasten.
Was ist die Mütterrente eigentlich?
- Erwerbstätige bezahlen im Regelfall jeden Monat Beiträge in die deutsche Rentenversicherung ein, bis sie in Rente gehen.
- Wenn sie ihre Erwerbstätigkeit zwischendrin unterbrechen – zum Beispiel um Kinder zu bekommen oder sie großzuziehen – bezahlen sie in diesem Zeitraum nicht mehr ein, denn sie beziehen ja auch kein Gehalt.
- Als Ausgleich dafür bekommt der Elternteil, der den Hauptteil der Care-Arbeit in einer Familie übernimmt und deswegen nicht erwerbsmäßig arbeiten gehen kann, Mütterrente.
- Heißt übrigens konkret: Auch Väter können Anspruch auf Mütterrente anmelden, sie heißt dann trotzdem noch 'Mütterrrente'.
Wie berechnet sich die Mütterrente?
Wie hoch die Mütterrente ist, berechnet sich nicht wie beispielsweise beim Elterngeld auf Basis des zuvor verdienten Gehalts, sondern wird anhand eines Durchschnittswerts berechnet. Laut Deutscher Rentenversicherung werden die Beiträge entsprechend des Durchschnittsverdiensts aller Versicherten angesetzt.
Gilt der Anspruch für alle Mütter und Väter gleich?
Nein! Und hier kommen wir nun zum Knackpunkt – und der aktuell angedachten Reform im Sondierungspapier. Denn momentan gibt es eine Grenze und die liegt genau an Silvester 1991/1992:
- Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren sind, bekommen momentan nur eine Erziehungszeit von bis zu 30 Monaten anerkannt, das entspricht 2,5 Rentenpunkten.
- Bei Frauen, deren Kinder im Jahr 1992 oder später geboren wurden, werden dahingegen bis zu 36 Monaten anerkannt, das sind circa 3 Rentenpunkte.
- Es gibt also aktuell eine Diskrepanz von einem halben Rentenpunkt, was ungefähr 20 €/ Monat pro Kind entspricht. Das mag für die einen nicht viel Geld sein, für andere aber schon.
Gerade in der Rente und gerade für Mütter ist das viel Geld, denn was wir nicht vergessen dürfen: Altersarmut ist vor allem weiblich! 20,8 % der Frauen ab 65 gelten als armutsgefährdet. Das ist mehr als ein Fünftel! Und gerade hier hilft die Mütterrente vielen Frauen. Denn ohne Mütterrente würden fast neun Millionen Rentnerinnen durchschnittlich 107 € im Monat weniger bekommen.
Was ist geplant bei der Mütterrente?
Geht es nach dem Sondierungspapier von Union und SPD sollen künftig für alle Mütter 36 Monate, also 3 Rentenpunkte angerechnet werden. Laut Schätzungen soll diese Reform sieben Milliarden € jährlich kosten. Das ist viel Geld. Aber wie hoch wären wohl die gesellschaftlichen Kosten, hätten diese Frauen ihre Kinder nicht bekommen?
Sie selbst wären finanziell im Alter deutlich bessergestellt, weil sie durchweg gearbeitet hätten und somit auf eine deutlich höhere Rente zurückgreifen könnten. Als Gesamtgesellschaft würden uns ihre Nachkommen sowohl als SteuerzahlerInnen fehlen, als auch als Arbeitskräfte, ohne die Deutschland einen noch krasseren Fachkräftemangel hätten, als wir ihn ohnehin schon haben.
Es ist also gut, dass diese Frauen ihre Kinder bekommen haben. Sicher nicht für ihre eigenen Rentenpunkte, aber für unsere Gesellschaft. Deswegen ist es richtig und fair, dass sie Mütterrente bekommen.
Nur „nice to have“ und teures Wahlgeschenk?
Dass die Mütterrente aktuell so an den Pranger gestellt wird und das teils sogar von progressiven Politkern, die gerade noch groß den Frauentag gefeiert haben, das enttäuscht mich sehr. Warum sollte die Care-Arbeit einer Frau, die sie vor dem Jahr 1992 geleistet hat, weniger wer sein, als die Care-Arbeit der Frauen, die nach 1992 stattfand?
Hier geht es schließlich nicht um gesichtslose Zahlen, hier geht es um unsere Mütter, Schwiegermütter, Tanten und Nachbarinnen. Und wir reden hier nicht von den sprichwörtlichen "Zahnarztgattinnen", sondern von allen Frauen, die jahrelang unbezahlte Care-Arbeit geleistet und jetzt teilweise vor der Arbeitsarmut stehen.
Wir brauchen bessere Familienpolitik für alle Generationen!
Wenn wir uns dafür einsetzen, dass unsere Mütter eine (wenigstens einigermaßen) faire Rente erhalten, heißt das ja nicht, dass wir zugleich weniger Geld für die neuen Familiengenerationen fordern. Beides ist wichtig und beides sollte endlich politische Priorität erhalten. Das muss sich auch im jetzt zu erarbeitenden Koalitionsvertrag wiederfinden. Denn wenn Familien politisch vernachlässigt werden, hat das nicht nur langfristig negative gesamtgesellschaftliche Konsequenzen.
Wir sollten es nicht zulassen, dass wieder mal Maßnahmen, die in erste Linie Frauen und Familien betreffen, als überflüssig und „nice to have“ dargestellt werden. Das ist nicht nur bei der Mütterrente der Fall, das wissen wir alle, aber im Moment eben sehr laut auch da. Und das sollten wir so nicht stehen lassen!
Quellen: Deutsche Rentenversicherung, Frankfurter Rundschau,